Stalking und Erpressung: Fraktionen fordern Rücktritt von AfD-Ratsherren

In der gestrigen Ratssitzung kam erneut das Thema auf den Tisch, dass ein Ratsherr mutmaßlich unter anderem wegen Stalking und Nötigung verurteilt worden sei. Die Fraktionen forderten den Rücktritt des Ratsherren.

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Bei der gestrigen Ratssitzung forderten die Fraktionen den Rücktritt eines AfD-Ratsherren.
Bei der gestrigen Ratssitzung forderten die Fraktionen den Rücktritt eines AfD-Ratsherren. | Foto: Rudolf Karliczek

Salzgitter. Die gestrige Ratssitzung nutzte Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel, um einen Fall von Stalking und Nötigung anzusprechen, in den ein Salzgitteraner Kommunalpolitiker verwickelt sein soll. Der Mann sei inzwischen verurteilt worden. Sein Mandat habe er aber behalten. Die meisten Ratsfraktionen forderten gestern nun seinen Rücktritt.



Der Lokalpolitiker soll über einen längeren Zeitraum eine Affäre mit einer Frau gehabt haben. 2019 folgte die Trennung, berichtete die Braunschweiger Zeitung. Danach soll für die Frau eine Tortur begonnen haben. Sie habe obszöne Briefe und Mails erhalten, sei bedroht, beleidigt und zum Schluss sogar erpresst worden. 11.000 Euro soll der Kommunalpolitiker für sein Schweigen verlangt haben. Ansonsten, so soll er gedroht haben, werde er Briefe mit intimen Details und Fotos aus der Beziehung an Freunde, Familie und Bekannte verschicken. Die Frau soll daraufhin das Geld gezahlt haben, die Briefe seien dennoch verschickt worden.

Urteil: Drei Jahre auf Bewährung


Im Juni 2022 des vergangenen Jahres habe das Amtsgericht Salzgitter den Mann wegen Erpressung, Beleidigung und versuchter Nötigung zu einer 14-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Dagegen sollen sowohl Staatsanwaltschaft, als auch der Angeklagte Einspruch eingelegt haben. Der Fall sei anschließend vor dem Landgericht Braunschweig gelandet. Dies habe den Mann in zweiter Instanz wegen Erpressung, versuchter Nötigung, Beleidigung, Nachstellung und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt, die zu einer 3-jährigen Bewährungsstrafe ausgesetzt worden sei. Außerdem habe er die Auflage erhalten, an einem Anti-Gewalttraining teilzunehmen. Das Urteil sei aber noch nicht rechtskräftig, berichtet Salzgitters Oberbürgermeister in der Ratssitzung.

Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel fand deutliche Worte.
Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel fand deutliche Worte. Foto: Rudolf Karliczek


Oberbürgermeister verurteilt Tat


Bereits in der Ratssitzung im vergangenen September war der Fall auf den Tisch gekommen. Damals noch hatte man ausgeschlossen, dass es sich um ein Ratsmitglied handeln könne, da der Verwaltung kein Verfahren gemeldet wurde. Dies hätte jedoch jedoch laut Niedersächsischem Kommunalverfassungsgesetz erfolgen müssen.

Klingebiel griff das Thema aufgrund von Medienberichten nun erneut auf und erörterte in der Ratssitzung, welche rechtlichen Grundlagen das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz für solche Fälle vorgibt. Zudem wollte der Oberbürgermeister seine persönliche Meinung zu dem Vorfall zum Ausdruck bringen. "Unabhängig von der rechtlichen Bewertung möchte ich unmissverständlich für mich klarstellen: Die vom Amtsgericht und Landgericht festgestellten Taten sind abscheulich, widerwärtig und im höchsten Maß erniedrigend für das weibliche Opfer", so Klingebiel.

Eine Enthebung aus dem Mandat sei laut Niedersächsischem Kommunalverfassungsgesetz aber nicht möglich, da es sich im vorliegenden Fall um ein Vergehen und nicht um ein Verbrechen handele, erklärte Klingebiel, der betonte, dass der Verwaltung keine Kenntnisse darüber vorliegen würden, um wem es sich bei dem Politiker handele. Die derzeitige Lage sei, so Klingebiel, in vielerlei Hinsicht unbefriedigend. Zum einen, weil man nicht wisse, um wem es sich handelt. Dadurch stünden nun alle männlichen Rats- und Ortsratsmitglieder unter Generalverdacht. Zum anderen würde selbst eine rechtskräftige Verurteilung nicht zu einem Mandatsverlust führen.

Weder der Oberbürgermeister, noch die Verwaltung oder der Rat könnten das Mandat entziehen und den Mandatsträger dazu zwingen, macht Klingebiel deutlich. Der Beschuldigte könne aber das Mandat freiwillig niederlegen. Die Fraktion, die der Politiker angehört, könne zudem einen Fraktionsausschuss bewirken. "Neben der Rechtsordnung, gibt es auch die persönliche und moralische Verantwortung jedes Rats- und Ortsratsmitgliedes. Das heißt, jeder muss für sich entscheiden, welche persönlichen Konsequenzen er aus seinem Tun zieht und ob seine Handlungen mit dem Mandat, das er ausführt, vereinbar sind. Handlungsmöglichkeiten habe weder ich, noch die Verwaltung oder der Rat. Es bleibt eine Frage des Gewissens, der Glaubwürdigkeit und der öffentlichen Meinung."

AfD-Ratsfrau Patricia Mair betonte, dass der Fraktion kein Name bekannt sei.
AfD-Ratsfrau Patricia Mair betonte, dass der Fraktion kein Name bekannt sei. Foto: Rudolf Karliczek


Fraktionen fordern Rücktritt


Den klaren Worten des Oberbürgermeisters schlossen sich die meisten Ratsmitglieder an und machten deutlich, dass man einen Politiker, dem solche Vergehen vorgeworfen werden, nicht in ihrer Mitte dulden könne. "Unsere Abscheu gilt dem Täter, der noch immer in unseren Reihen sitzt", so Ratsfrau Julia Mefs (Ratsgruppe „Grüne - Die PARTEI“), nachdem sie dem Opfer ihr Mitgefühl aussprach. Sie forderte, wie auch ihre Ratskollegen Thomas Huppertz (CDU), Ercan Kilic (FDP) und Selahettin Ince (Die Linke) die Mandatsniederlegung. Die Fraktionen versicherten zudem, dass es sich bei dem Politiker um niemanden aus ihren Parteien handele.

Während der Redebeiträge wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass sich die Beschuldigungen offenbar gegen einen Ratsherren der AfD richten. Marcel Bürger (Bündnis 90/Die Grünen) sprach den Ratsherren sogar ganz direkt an und fragte, wie es um dessen moralische Verantwortung bestellt sei. Der Angesprochene selbst reagierte nicht. Dessen Partei, die AfD, aber beteuerte, dass ihnen kein Name bekannt sei. "Uns, der AfD-Ratsfraktion, war nicht bekannt, dass hier irgendwelche Zeitungsartikel besprochen werden und uns ist auch kein Name bekannt, der in irgendeiner Form genannt wurde. Insofern verwahre ich mich vor irgendwelchen Beschuldigungen. Wenn hier konkrete Anschuldigungen auf den Tisch kommen, werden wir auch mit rechtlichen Schritten dagegenhalten", so AfD-Ratsfrau Patricia Mair.


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