Wenn Gott ins Abseits geschoben wird - Kirchen verzeichnen sinkende Mitgliederzahlen

Die katholische ebenso wie die evangelische Kirche verzeichnet sinkende Mitgliederzahlen. Die Gründe für die Austritte lassen sich nicht eindeutig bestimmen.

von Julia Seidel


Immer weniger Menschen bekennen sich zum Glauben. Symbolbild.
Immer weniger Menschen bekennen sich zum Glauben. Symbolbild. | Foto: Pixabay

Region. In einer Pressemitteilung berichtete das Bistum Hildesheim kürzlich über einen erneuten Rückgang an Kirchenmitgliedern im Jahr 2019. Demnach habe die Zahl der Katholiken zum Ende des Jahres im Bistum Hildesheim bei 581.460 gelegen. Dies seien 11.900 Menschen weniger als im Jahr zuvor gewesen. Doch auch die Evangelische Kirche hat mit Mitgliederschwund zu kämpfen. Wie die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannover mitteilt, hätten zum Stichtag, 31. Dezember 2019, 2.482.015 Menschen zur Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover gehört, zu der auch Gifhorn, Peine und Wolfsburg gehören. Dies entspreche einem Rückgang von 50.586 Mitgliedern gegenüber dem Vorjahr. Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Braunschweig (Braunschweig, Salzgitter, Wolfenbüttel, Helmstedt und Goslar) zählte ihrerseits zum 31. Dezember 2019 320.900 Mitglieder. 7.389 weniger als im Vorjahr.


Wie das Bistum Hildesheim weiter mitteilt, habe die Zahl der Bestattungen im vorigen Jahr 5.276 betragen. Im Jahr 2018 seien es noch 5.516 gewesen. Auch die Zahl der Taufen sank von 3.420 auf 3.114 im Jahr 2019. Ebenso ließen sich 2019 53 Paare weniger als im Vorjahr kirchlich trauen. Die Zahl der Eintritte und Wiederaufnahmen lagen bei 317. Dem gegenüber stieg die Zahl der Kirchenaustritte von 7.018 auf 8.048 an.

Im Einzelnen sind in Braunschweig 544, in Gifhorn 161, in Goslar 116, in Helmstedt 122, in Peine 110, in Salzgitter 188, in Wolfenbüttel 148 und in Wolfsburg 344 Personen aus der katholischen Kirche ausgetreten.

„Mich betrüben die Austritte sehr. Sie signalisieren, wie sehr sich getaufte Menschen von unserer Kirche entfremdet haben. Wir wissen nicht mit Sicherheit, warum ein Mensch aus der Kirche austritt, weil niemand seine Gründe erklären muss", so der Hildesheimer Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ. "Bei manchen mögen finanzielle Aspekte ausschlaggebend sein; andere praktizieren ihren katholischen Glauben kaum noch und haben die Bindung zum kirchlichen Leben verloren oder hadern damit, dass innerkirchliche Reformen aus ihrer Sicht nicht schnell genug passieren. Außerdem hat unsere Kirche durch die zahlreichen Fälle von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch das Vertrauen vieler Menschen zutiefst enttäuscht, was sicher auch zu Austritten geführt hat. Generell gilt: Wir müssen all unser Handeln als Kirche auf die Menschen ausrichten. Wir leben in einer Zeit, in der sich die Menschen aktiv für etwas entscheiden, auch für den Glauben. Die Glaubensweitergabe lebt entscheidend von der persönlichen Begegnung. Wer als Christin oder Christ den Glauben mit Überzeugung, Begeisterung und Freude lebt, kann andere neugierig machen und vielleicht sogar dazu inspirieren, sich die frohe und befreiende Botschaft des Christentums neu zu erschließen.“

Landeskirche passt sich an



Auch den Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover, Ralf Meister, stimmen die Austritte in seiner Kirche nachdenklich: "Natürlich bedrücken mich diese Zahlen, aber sie dürfen uns nicht entmutigen: Die Arbeit der Kirche ist wichtig, vielleicht wichtiger als jemals zuvor. Das haben wir in den letzten Monaten gesehen als Menschen nach Trost, Hoffnung und Zuversicht gesucht haben. In unseren Kirchengemeinden sind praktisch über Nacht viele kreative Angebote entstanden, um auch weiter für die Menschen da zu sein."

Die Gründe für die Austritte würden sich auch in der Evangelischen Kirche nicht eindeutig bestimmen lassen, da auch hier niemand einen Grund für den Austritt angeben müsse. Erfahrungsgemäß würden dort jedoch vor allem finanzielle Gründe eine Rolle spielen. "Häufig treten Menschen zu Beginn ihrer Berufsbiographie aus der Kirche aus, um Geld zu sparen, das sie für den Aufbau ihrer Existenz einsetzen", so Pressesprecher Michael Strauss von der Braunschweigischen Landeskirche. "Umso mehr danken wir allen, die durch ihren Mitgliedsbeitrag die wichtige Arbeit der Kirche für die Menschen unterstützen. Sie helfen mit, dass unsere Region eine Seele behält und Werte wie Mitmenschlichkeit und Zusammenhalt nicht verloren gehen."

Die Strukturen der Landeskirche Braunschweig würden dabei weiter an die zurückgehenden Mitgliederzahlen angepasst werden. So wären mittlerweile viele Gemeinden fusioniert oder hätten sich zu Pfarrverbänden zusammengeschlossen. In Gestaltungsräumen, die mehrere Gemeinden umfassen, werde eine neue Form von Kooperation organisiert, damit die Präsenz der Kirche in der Fläche so weit wie möglich erhalten bleibe. Insgesamt umfasst die Landeskirche 300 Gemeinden.


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