30 Jahre untergetaucht: Petra P. bricht ihr Schweigen

30 Jahre lang war Petra P. verschwunden, galt als tot. Im September 2015 wurde sie lebend gefunden. Nun erzählt sie, wie sie drei Jahrzehnte untertauchen konnte und warum.

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Symbolfoto.
Symbolfoto. | Foto: Pixabay

Wolfsburg/Braunschweig. Es war und ist noch immer eine außergewöhnliche Geschichte. Es ist die Geschichte einer Frau, die alle glauben ließ, sie sei tot. Doch dann, am 11. September 2015, wird Petra P. gefunden - lebend. Nun erzählt sie in einem Interview zum ersten Mal, wie sie 31 Jahre lang untertauchen konnte.



Das Verschwinden der Studentin sorgte 1984 für Aufsehen. Die junge Frau war am 26. Juli 1984 nach einem Zahnarztbesuch spurlos verschwunden. Es wurde eine Vermisstenanzeige gestellt und eine großangelegte Suche durchgeführt, doch alle Spuren verliefen im Sande.

Ende März 1985 wird sogar der Tischlerlehrling Günter K. festgenommen. Er hatte zugegeben, ein 14-jähriges Mädchen in der Nähe einer Bushaltestelle in Wolfsburg getötet zu haben. An dieser war auch Petra P. häufig ausgestiegen. 1987 sagt Günther K. aus, dass er auch Petra P. getötet habe. 1989 wurde die junge Studentin für tot erklärt. Doch dann die Wende. Petra P. taucht lebend in Düsseldorf auf. Dort hatte sie mehrere Jahre unter einer falschen Identität gelebt. Aus Petra P. war Susanne Schneider geworden.

Petra P. bricht ihr Schweigen


In einem Interview in der RTL-Sendung "Life- Menschen, Momente, Geschichten" sprach die heute Mitte 60-Jährige darüber, wie sie es schaffte, 31 Jahre unerkannt in einer fremden Stadt zu leben. Und sie trifft den ehemaligen Ermittler Holger Kunkel, der an den damaligen Ermittlungen beteiligt war und überzeugt war, dass Petra P. tot sei.


Einfach zu verschwinden, sei geplant gewesen, erzählt sie. An dem Tag, dem 26. Juli 1984, sei sie ganz normal zu ihrem Zahnarzttermin gegangen. Danach sei sie zum Bahnhof gefahren und in einen Zug gestiegen

Zuvor habe sie einige, wenige Sachen eingepackt und ihrem Zimmernachbarn ihren Schlüssel anvertraut. "Zum ersten Mal, weil ich sie nicht mitnehmen wollte. Ich wollte keine Probleme machen, dass da dann Schlüssel fehlen und so. Ich habe eigentlich sehr wenig Sachen eingepackt, Kleidungsstücke vor allen Dingen. Ich bin dann einfach zum Zahnarzt gegangen und vom Zahnarzt zum Bahnhof und war dann weg. Und war dann endlich Susanne. Und Petra ist dann irgendwo hier zurückgeblieben", sagt sie im Interview. Außerdem habe sie 3.000 D-Mark von ihrem Bankkonto abgehoben - als Startkapital.

Ihr Weg führte sie nach Essen. Dort, so schildert Petra P., habe sie sich eine Wohnung gemietet, die Miete wurde bar bezahlt. Ein Bankkonto hatte sie nicht. Auch ein Auto habe sie nicht gehabt. Urlaube, Arztbesuche oder ähnliches waren auch nicht drin. Sie wollte untertauchen, unentdeckt bleiben. "Man muss halt unauffällig leben und wissen, dass man manche Dinge nicht tun kann." Gearbeitet habe sie als Nachhilfelehrerin und Putzfrau. Von der Suche nach ihr, berichtet Petra P., habe sie all die Jahre nie etwas mitbekommen.

Ermittler trifft Petra P.


Als der Braunschweiger Ermittler Holger Kunkel davon erfährt, dass Petra P. lebt und nun in Düsseldorf wohnt, kann er es nicht glauben. Für ihn sei klar gewesen, dass die Studentin tot ist. "Dieser eine Tag, der eigentlich alles auf den Kopf gestellt hat, wäre der Zahltag gewesen. Ich hätte die 100.000 legen müssen, die ich verwettet hätte", beschreibt Kunkel den Tag, an dem er erfuhr, dass Petra P. lebt und in Düsseldorf eher zufällig aufgespürt wurde. "Zu diesem Zeitpunkt war ich 41 Jahre Polizist und ich hatte sowas noch nie gehört. Jetzt weiß ich auch, warum auch Terroristen 30 Jahre untertauchen können."

Bei einem Treffen bekommt Holger Kunkel auch eine Antwort auf die Frage, die ihn am allermeisten beschäftigt hat: Das Warum. Petra P. erzählt dem Kommissar a.D. dass sie glaubt, als Kind missbraucht worden zu sein und dass das bei ihr eine Schizophrenie ausgelöst habe. "Ich denke, dass ich schizophren geworden bin. Dass Frauen, die sehr jung sexuell missbraucht worden sind, öfter schizophren werden. Und ich bin meine ersten fünf Lebensjahre extrem missbraucht worden", berichtet die dem Kommissar. Als Kind jedoch habe sie das nicht gewusst, vermutlich habe sie es verdrängt.

Kunkel zeigt Verständnis für das, was Petra P. tat: "Und wenn ich das jetzt alles so höre, dann ist die Erkenntnis natürlich bitter, dass man dich aus deinem Sicherheitsrefugium herausgeholt hat." Heute sei Petra P. zufrieden mit der Situation, in die sie nach dem 11. September 2015 unfreiwillig hineingestoßen wurde. Inzwischen habe sie ihr "neues" Leben angenommen und ist für vieles dankbar. Ihre Vergangenheit versuche sie nun mit einer Therapie aufzuarbeiten.


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