50 Millionen Strukturhilfe - Pläne für Salzgitters Zukunft


Salzgitter. Ministerpräsident Stephan Weil und Oberbürgermeister Frank Klingebiel haben am Montagmorgen in Salzgitter das Konzept für die 50 Millionen Euro umfassende Strukturhilfe des Landes für die Stadt Salzgitter vorgestellt. Die Stadt Salzgitter veröffentlichte hierzu eine Pressemitteilung.


„Die ungewöhnliche Landeshilfe liegt in der ungewöhnlichen Situation Salzgitters begründet“, so Ministerpräsident Weil. Wie keine andere niedersächsische Stadt sei Salzgitter mit einem ganzen Bündel unterschiedlichster Problemlagen und Herausforderungen konfrontiert. Oberbürgermeister Frank Klingebiel wies unter anderem auf den besonders hohen und schnellen Zuzug von anerkannten Flüchtlingen von 2015 bis zum Inkrafttreten der negativen Wohnsitzauflage, also einer Zuzugssperre für weitere Geflüchtete, im Oktober 2017 hin. Begünstigt durch das Überangebot an preiswertem, aber häufig auch minderwertigem privaten Wohnraum, gebe es zudem bis heute einen starken Zuzug von wirtschaftlich schwachen Bevölkerungsgruppen, insbesondere auch aus Osteuropa.

Ein großer Umbruch steht an


Der städtische Haushalt sei stark abhängig von den Gewerbesteuerzahlungen der fünf ansässigen Industriebetriebe und habe in den letzten Jahren Einbrüche in Millionenhöhe verkraften müssen. Die Industrie in Salzgitter habe mit einer vollständigen Transformation ihrer Produktionsprozesse auf eine CO2-arme beziehungsweise CO2-freie Produktion begonnen und stehe vor einem großen Umbruch. „Die Dimension all dieser Faktoren spricht in ihrer Gesamtheit für sich und kennzeichnet die besondere strukturelle Problemlage der Stadt Salzgitter, die komplexer und dramatischer ist als anderswo. Ein weiteres Abwarten hätte auf Jahre fatale Folgen für die Stadtgesellschaft und die Zukunft meiner Heimatstadt gehabt. Mit dem heutigen Tag sehe ich Licht am Ende des Tunnels. Der weitere Weg ist aber noch lang und steinig", konstatiert Oberbürgermeister Klingebiel.

Das mit der Landesregierung abgestimmte Konzept der Stadt für den Mitteleinsatz sieht drei Säulen vor:

  1. Bildung und soziale Integration (24 Millionen Euro)

  2. Städtebauliche Handlungsbedarfe (19 Millionen Euro)

  3. Wirtschaftlicher Strukturwandel (7 Millionen Euro)


Einzelne Maßnahmen dieses 3-Säulen-Modells können bereits konkret beziffert werden, für andere gilt das noch nicht. Vereinbart wurde daher, dass die genannten Beträge in den drei Säulen deckungsfähig sind und der konkrete Mittelbedarf jährlich – erstmals am 30. Juni 2020 – überprüft und wenn erforderlich, in den Säulen umverteilt wird. Das Konzept will der Rat der Stadt am 29. Oktober 2019 beschließen.

Neue Schulen und Kindertagesstätten


Vorgesehen sind Investitionen im Bereich „Bildung und soziale Integration“, „Städtebauliche Handlungsbedarfe“ und „wirtschaftlicher Strukturwandel“. Geplant ist der Neubau zweier Grundschulen, ausgelöst durch die – infolge der nicht planbaren Zuzüge – enorm und schnell steigenden Schülerzahlen. Ersetzt werden zwei alte Schulgebäude vom Ende des 18. Jahrhunderts. Hier ist zeitgemäßer Unterricht kaum möglich, eine Sanierung wäre nicht wirtschaftlich. Weiterhin müssen infolge der nicht planbaren Zuzüge drei Kindertagesstätten neu gebaut werden, um den Fehlbedarf von aktuell knapp 400 Kindergarten- und mehr als 300 Krippenplätzen zu mindern. An den Kosten für diese zwingend notwendigen Investitionsmaßnahmen, die mit rund 24 Millionen Euro schon nahezu die Hälfte des Strukturhilfeprogrammes verbrauchen würden, beteiligt sich die Stadt mit eigenen Haushaltsmittel durch Vermögensverkauf in Höhe von 8 Millionen Euro.

Attraktiver und bezahlbarer Wohnraum


Investitionen in städtebauliche Handlungsbedarfe werden voraussichtlich mit rund 19 Millionen Euro zu Buche schlagen. Durch Ausüben des Vorkaufsrechts oder im Verhandlungswege plant die Stadtverwaltung, private Mietwohnungen in teilweise desolatem Zustand vom Markt zu nehmen, zu sanieren oder nach Abriss die Quartiere neu zu entwickeln, um attraktiven und bezahlbaren Wohnraum anbieten zu können. Verwahrloste und leerstehende Wohnungen sollen nicht länger das Stadtbild in einzelnen Ortsteilen prägen und als „Lockangebot“ dienen. „Das Überangebot an billigen verwahrlosten Wohnungen begünstigt auch heute noch den Zuzug von wirtschaftlich schwachen Bevölkerungsgruppen und Ost-Europäern mit allen sich anschließenden Herausforderungen in einem Maße, das unserer Stadtgesellschaft nicht länger auffangen kann“, so Oberbürgermeister Frank Klingebiel. Die Beseitigung dringlicher städtebaulicher Missstände sei eine ganz wesentliche Zielsetzung.

Innovationsstandort Salzgitter


Mit rund 7 Millionen Euro soll die dritte Säule unterfüttert werden, die für den wirtschaftlichen Strukturwandel steht. Salzgitter als drittgrößter Industriestandort Niedersachsens will sein Profil weiter schärfen und Keimzelle für innovative Technologie- und Industrieprojekte werden. Dank wichtiger Player vor Ort kann Salzgitter eine Vorreiterrolle beim Erreichen der ambitionierten Umwelt- und Klimaziele Deutschlands einnehmen. Dafür stehen beispielsweise die Elektromobilitätsoffensive von VW, das Salcos-Projekt der Salzgitter AG, der mit Wasserstoff betriebene Zug Coradia iLint von Alstom, MAN und Bosch. Viele wichtige Akteure vor Ort versammeln sich hinter dem gemeinsamen Ziel, sich für CO2-neutrale Industrieprozesse einzusetzen. Da Wasserstoff aus grünem Strom eine zu hundert Prozent CO2-freie Energiequelle sein kann, haben beispielsweise die Salzgitter Flachstahl GmbH, Linde AG und Avacon Natur GmbH einen Kooperationsvertrag über das gemeinsame Innovationsprojekt „Windwasserstoff Salzgitter“ unterzeichnet und damit einen bedeutenden Schritt in Richtung einer wasserstoffbasierten Industrie vollzogen.

„Es freut mich sehr, dass es der Stadt mit tatkräftiger Unterstützung des Amtes für regionale Landesentwicklung Braunschweig gelungen ist, viele wichtige Akteure mit ins Boot zu holen, um gemeinsam den nötigen industriellen Transformationsprozess voranzutreiben“, so Ministerpräsident Stephan Weil. „Salzgitter ist somit auf dem besten Weg, sich deutschland- und europaweit als wichtiger Standort für innovative, zukunftsweisende und insbesondere ökologisch verträgliche Wirtschaftsprojekte zu positionieren und konsequent weiterzuentwickeln.“

Mit Wasserstoff in die Zukunft


In Schulterschluss mit dem Land Niedersachsen, mit den ansässigen Wirtschaftsunternehmen und unter wissenschaftlicher Begleitung wird ein Gesamtkonzept entwickelt, das für den Transformationsprozess steht, den technologischen Wandel begleitet, das Potenzial des Standortes stärkt und Arbeitsplätze schafft.

Oberbürgermeister Frank Klingebiel: „Die Gründung eines ‚Kompetenz- und Gründer-Zentrums für Wasserstofftechnologie und alternative Antriebstechniken‘ wäre ein wichtiger, nachhaltiger und innovativer Schritt und könnte mithilfe des Strukturprogramms umgesetzt werden. Durch die dauerhafte Bündelung und Vernetzung der regionalen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten auf dem Gebiet einer nachhaltigen CO2-armen Mobilität und unter Einbeziehung der Fahrzeugherstellung, -nutzung und -recycling ließen sich Synergien erzeugen, von denen nicht nur Salzgitter, sondern ganz Niedersachsen profitieren würde.“

Ministerpräsident Stephan Weil und Oberbürgermeister Frank Klingebiel sind sich darüber einig, dass mit der Strukturhilfe des Landes nicht alle Probleme der Stadt sofort gelöst werden können, diese Salzgitter aber entscheidend voranbringen wird und positive Perspektiven für die Stadtentwicklung eröffnet.


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