Region. Wenn der Chef den Lohn prellt: In der Region bekommen immer noch nicht alle Beschäftigten die Bezahlung, die ihnen per Gesetz zusteht. Das kritisiert die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Die NGG beruft sich hierbei auf neue Zahlen des Bundesfinanzministeriums.
Danach leitete das verantwortliche Hauptzollamt Braunschweig in den ersten sechs Monaten des Jahres insgesamt 55 Ermittlungsverfahren wegen nicht gezahlter Mindestlöhne ein. Im Hotel- und Gaststättengewerbe wurden die Beamten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) in der Region zehn Mal fündig. Wie viele eingeleitete Verfahren es im einzelnen in den jeweiligen Städten gab, konnte das Hauptzollamt Braunschweig auf Nachfrage von regionalHeute.de jedoch nicht sagen.
Die Suche nach den „großen Betrugsfällen"
„Die gestiegenen Arbeitsergebnisse sind insbesondere auf die fachliche Neuausrichtung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS) zurückzuführen, die das Bundesministerium der Finanzen im Jahr 2015 eingeleitet und im vergangenen Jahr ausgebaut hat", erklärt Zoll-Pressesprecher Andreas Löhde gegenüber unserer Online-Zeitung. Dem Grundsatz „Qualität vor Quantität“ folgend sei es das Ziel der FKS, risikoorientiert zu prüfen und verstärkt die Bereiche und Branchen ins Visier zu nehmen, in denen am ehesten mit Schwarzarbeit und Mindestlohnverstößen zu rechnen ist und so besonders die großen Betrugsfälle aufzudecken. Das führe zu mehr Ermittlungsverfahren und zu einer Zunahme der festgesetzten Schadenssummen.
Ein weiterer Grund für die gestiegenen Arbeitsergebnisse sei zudem die Personalverstärkung der FKS seit 2015. Für die Verstärkung insbesondere von Mindestlohnprüfungen seien insgesamt 1.600 neue Stellen vorgesehen. Aufgrund des zeitlich gestaffelten Zulaufs der Planstellen im Haushalt erfolge die Personalzuführung schrittweise. „Dabei ist die verstärkte Zuführung von Nachwuchskräften im Bereich der Finanzkontrolle Schwarzarbeit Ausdruck der strategischen Priorisierung dieser Aufgabe", erklärt Löhde abschließend.
„Jeder Verstoß ist einer zu viel"
Manfred Tessmann, Geschäftsführer der NGG Süd-Ost-Niedersachsen. Foto:
Für Manfred Tessmann von der NGG Süd-Ost-Niedersachsen steht fest: „Jeder Verstoß ist einer zu viel. Es kann nicht angehen, dass sich auch zwei Jahre nach seiner Einführung noch immer nicht alle Betriebe an den gesetzlichen Mindestlohn halten.“ Auch spezielle Branchenmindestlöhne, wie es sie etwa für die Leiharbeit gebe, würden zu häufig unterlaufen. Positiv wertet Tessmann dabei die Zunahme der Kontrollen. Im ersten Halbjahr prüften die Braunschweiger Zollbeamten laut Statistik 90 Hotels, Gaststätten und Restaurants – das sind 84 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
„Je gründlicher der Zoll kontrolliert, desto größer ist das Risiko für Unternehmen, bei schmutzigen Praktiken erwischt zu werden“, betont der Gewerkschafter. Hierfür müsse das Zoll-Personal jedoch deutlich aufgestockt werden. Die Arbeit der FKS sei eines der wichtigsten Mittel, um die Einhaltung des Mindestlohns flächendeckend durchzusetzen, so Tessmann weiter. Hier gelte einmal mehr: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“
Bundesweit 3.700 Betriebe überprüft
Zugleich wendet sich die NGG gegen Pläne, die Dokumentationspflichten beim Mindestlohn aufzuweichen. Dafür hatten sich Union und FDP im Wahlkampf ausgesprochen. Tessmann: „Nur wenn die Beschäftigten ihre Arbeitszeiten genau erfassen, lässt sich Lohn-Prellerei verhindern. Denn gerade im Gastgewerbe kommt es immer wieder vor, dass Chefs versuchen, ihre Mitarbeiter zu Umsonst-Überstunden zu zwingen.“
Die Zoll-Halbjahresbilanz geht auf eine aktuelle Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke an das Bundesfinanzministerium zurück. Deutschlandweit wurden demnach im ersten Halbjahr gut 3.700 Betriebe des Gastgewerbes vom Zoll überprüft – 21 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
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