Abgasskandal: Zinsen auf Schadenersatz - Für VW könnte es nochmal teuer werden

Eine der führenden Kanzleien im Abgasskandal blickt optimistisch auf die noch anstehenden Verhandlungen: "Die Rechtsprechung hat sich seit Beginn des Skandals im September 2015 zugunsten der Verbraucher entwickelt."

Schmutziger Diesel: Die Verfahren laufen seit 2015 - Und sind längst nicht vorbei. (Symbolbild)
Schmutziger Diesel: Die Verfahren laufen seit 2015 - Und sind längst nicht vorbei. (Symbolbild) | Foto: Alexander Dontscheff

Region. Dass VW im Diesel-Abgasskandal gegenüber den klagenden Verbrauchern schadensersatzpflichtig ist, davon gehe mittlerweile die Mehrheit der Oberlandesgerichte aus. Strittig hingegen sei unter anderem die Frage, ob VW im Falle einer Verurteilung dem Kläger einen sogenannten deliktischen Zins ab Kaufdatum zu bezahlen hat. Auf diese Frage muss der Bundesgerichtshof in Karlsruhe am 28. Juli 2020 im vierten VW-Verfahren eine Antwort finden. Ddie Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH gehört zu den Führenden im Abgasskandal und berichtet über den weiteren Verlauf des Verfahrens in einer Pressemitteilung.


Der Bundesgerichtshof (BGH) werde am 5. Mai erstmals über den Abgasskandal verhandeln. Für die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Lahr ist klar, dass es für VW teuer werden könnte, wenn der deliktische Zins vom BGH befürwortet wird.

Es gibt Grund zum Optimismus


Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer blicke optimistisch auf die vier Verhandlungstermine am BGH. Die Chancen generell gegen VW vor deutschen Gerichten zu gewinnen, schätzt die Kanzlei als sehr hoch ein. Der BGH-Hinweisbeschluss vom 8. Januar 2019 leitete eine Trendwende in der Rechtsprechung ein. Fahrzeuge mit einer manipulierten Abgasreinigung bezeichneten die obersten Richter als einen Mangel. Die Rechtsprechung habe sich insgesamt seit Beginn des Skandals im September 2015 zugunsten der Verbraucher entwickelt. Mittlerweile verurteilen 20 von 24 Oberlandesgerichten und 99 von 115 Landgerichten den VW-Konzern.

Die Kanzlei rate aufgrund dieser Entwicklung Verbrauchern, die vom Diesel-Abgasskandal betroffen sind, zur einer anwaltlichen Beratung. Die Fahrzeuge seien mangelhaft und damit im Wert gemindert. Den Käufern ist ein Schaden entstanden, für den VW haftbar gemacht werden könne. Im kostenfreien Online-Check der Kanzlei lässt sich für die Verbraucher der richtige Weg aus dem Diesel-Abgasskandal von VW finden.

Das vierte VW-Verfahren im Diesel-Abgasskandal vor dem BGH


Im vierten Fall geht es um ein spektakuläres Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg. Im Mittelpunkt stehe der sogenannte "deliktische Zins". Das Oberlandesgericht verurteilte VW zu Zahlung dieses Zinses, der bereits ab dem Kaufdatum fällig wird. Die Mehrheit der OLG haben diesen Zins bisher abgelehnt.

Die Klägerin erwarb im August 2014 von einem Autohändler einen gebrauchten VW Golf mit einer Laufleistung von rund 23.000 km zu einem Preis von 15.888 Euro. Das Fahrzeug war mit einem Dieselmotor ausgestattet, der mit einer Steuerungssoftware versehen war, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und in diesem Fall in einem stickoxid-optimierten Modus schaltet.

Nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt die Programmierung als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet und die Beklagte verpflichtet hatte, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, ließ die Klägerin das von der Beklagten entwickelte Software-Update im Jahr 2017 aufspielen. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Ersatz für den gezahlten Kaufpreis plus Zinsen. Im Gegenzug sollte das Fahrzeug zurückgegeben werden.

Bisheriger Prozessverlauf im vierten VW-Verfahren vor dem BGH


Das Landgericht Oldenburg verurteilte am 11. Januar 2019 VW zur Erstattung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung. Im Gegenzug sollte das Auto zurückgegeben werden. Das Oberlandesgericht Oldenburg änderte am 2. Oktober 2019 das Urteil ab. Zur Begründung hat das Oberlandesgericht ausgeführt, der Klägerin stehe gegen VW ein Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu, auf den sie sich im Wege des Vorteilsausgleichs die gezogenen Nutzungen anrechnen lassen müsse. Dabei sei von einer Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs von 200.000 km auszugehen. Ab Zahlung könne die Klägerin von VW zudem sogenannte "Deliktszinsen" verlangen. Beide Parteien haben gegen dieses Urteil Revision eingelegt.


Welche Themen sind vor der BGH-Entscheidung strittig?


Im Diesel-Abgasskandal rund um den VW-Motor EA 189 sind zahlreiche Fragen vor Gericht strittig. Weitere höchstrichterliche Entscheidung werden über den BGH hinaus vom Europäischen Gerichtshof erwartet. "Gerade vor den verbraucherfreundlichen Richtern in Luxemburg zittern alle im Diesel-Abgasskandal involvierten Automobilhersteller", schildert die Kanzlei und fasst die wichtigsten Streitpunkte bei der juristischen Aufarbeitung des Skandals zusammen:

1. Ganz generell: Die Rechtsprechung hat sich seit Beginn des Skandals im September 2015 zugunsten der Verbraucher entwickelt. Selbst das OLG Braunschweig habe am 18. November bei der zweiten mündlichen Verhandlung über die Musterklage gegen VW angekündigt, bis zum nächsten Termin die Rechtsprechung der verurteilenden OLG genauer studieren zu wollen. Braunschweig hat bisher eine Haftung von VW abgelehnt.

2. Das Thema Nutzungsentschädigung hat in den vergangenen Monaten eine neue Dynamik erhalten. Immer mehr Gerichte der ersten Instanz wollen das „sittenwidrige“ Handeln von VW, nicht auch noch mit einer Nutzungsentschädigung honorieren.

3. Ob für den Zeitraum zwischen Autokauf und Zustellung der Klage jährlich Zinsen auf den Kaufpreis zu zahlen sind, ist in der Rechtsprechung umstritten. Gerade Landgerichte verurteilen VW zu diesem sogenannten deliktischen Zins. Oberlandesgerichte haben das bislang nicht so gesehen. Doch auch hier ist kürzlich eine Kehrtwende eingetreten. Das OLG Köln hat diese sogenannten deliktische Zinsen 2019 einem Verbraucher zugesprochen. Das OLG Oldenburg zog in einem Verfahren nach. In dem Verfahren entschied das Gericht am 16. Januar 2020, dass der Kläger für den Zeitraum von der Kaufpreiszahlung bis zur Zustellung der Klage (fast drei Jahre) die begehrten Zinsen erhält. Entscheidet sich der BGH für den deliktischen Zins, kann das für VW richtig teuer werden.

4. Käufer, die nach dem Bekanntwerden des Diesel-Abgasskandals ihr Fahrzeug erworben hatten, gingen bei OLG meist leer aus. Wiederum das OLG Oldenburg hat ebenfalls in dem Verfahren mit der bisherigen Rechtsprechung gebrochen.

5. Auch die Verjährung im Diesel-Abgasskandal von VW sei heftig umstritten. VW poche auf die dreijährige Verjährungsfrist. Normalerweise beginnt die Verjährungsfrist gegen Ende des Jahres zu laufen, in dem das Tatereignis stattfand. 2015 machte VW den Abgasskandal publik. Realistischerweise ging man bisher davon aus, dass allerhöchsten 2016 die Verbraucher vom Skandal informiert gewesen sein könnten. Das Landgericht Duisburg schob am 20. Januar 2020 den Verjährungsbeginn viel weiter hinaus als bisher angenommen worden war


mehr News aus der Region


Themen zu diesem Artikel


Justiz