Berlin. Ärztepräsident Klaus Reinhardt fordert, dass das vom Bundestag im Herbst beschlossene Triage-Gesetz zur Verteilung von Intensivbetten bei knappen Behandlungskapazitäten nochmals auf den Prüfstand kommt. Nicht nur Behindertenverbände, sondern auch die Ärzteschaft sei an einer Neufassung interessiert, allerdings mit einer anderen Zielrichtung, sagte Reinhardt dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Donnerstagausgaben).
"Das Gesetz wurde zu hastig verabschiedet und nicht ausreichend öffentlich diskutiert", sagte er. Dadurch seien "nicht unerhebliche Missverständnisse" entstanden. Reinhardt bekräftigte die Forderung, die sogenannte Ex-Post-Triage zu erlauben. Dabei gehe es nicht darum, einen Menschen aus einem Intensivbett hinaus zu verlegen, der noch Überlebenschancen habe. Aber es könne passieren, dass die Behandlung irgendwann nicht mehr erfolgversprechend sei und das ursprüngliche Therapieziel unerreichbar werde. "Dann muss es in einer Triage-Situation möglich sein, das Bett für einen Menschen mit einer größeren Überlebenswahrscheinlichkeit zu nutzen." Es gelte, so viele Menschen wie möglich zu retten, so Reinhardt. Das von einigen Behindertenverbänden geforderte Zufallsprinzip bei neu eingelieferten Patienten lehnt er ab.
Nur durch ein abgewogenes Handeln der Mediziner könne die maximale Zahl von Menschenleben gerettet werden. "Den Zufall entscheiden zu lassen, wäre dagegen eine Art Gottesurteil und damit finsteres Mittelalter", sagte Reinhardt. Kritiker der Ex-Post-Triage befürchten, dass die Überlebenschancen von Menschen mit Behinderung durch medizinisches Personal unterschätzt werden könne und ihnen deshalb die nötige Versorgung vorenthalten würde. Vor einem Jahr hatte das Bundesverfassungsgericht die Regierung verpflichtet, den Schutz von behinderten Menschen in einer Triage-Situation sicher zu stellen.
Die damaligen Kläger erwägen eine erneute Verfassungsklage, weil sie durch das beschlossenen Gesetz nach wie vor keinen ausreichenden Schutz sehen.
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