Arbeitsaufteilung in Familien: Lücke zwischen Ideal und Realität

Zwischen den Idealvorstellungen von Familien, wie sie Arbeit aufteilen wollen, und der gelebten Realität klafft eine große Lücke - weil die steuerlichen und politischen Rahmenbedingungen das begünstigen.

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Mutter mit Kind und Kinderwagen (Archiv)
Mutter mit Kind und Kinderwagen (Archiv) | Foto: via dts Nachrichtenagentur

Berlin. Zwischen den Idealvorstellungen von Familien, wie sie Arbeit aufteilen wollen, und der gelebten Realität klafft eine große Lücke - weil die steuerlichen und politischen Rahmenbedingungen das begünstigen. Zu diesem Schluss kommt eine Auswertung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), über die die Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwochausgaben) berichten.


Ein Team von DIW und BiB hat dafür Daten aus dem familiendemografischen Panel FReDA ausgewertet, einer repräsentativen Befragung von Menschen zwischen 18 und 50 Jahren. Für Familien mit Kindern im Alter von zwei, vier oder acht Jahren betrachtet darin weniger als die Hälfte der Befragten das Zuverdienermodell als ideal, bei dem eine Vollzeiterwerbstätigkeit des Vaters ergänzt wird durch Teilzeitarbeit der Mutter. In Westdeutschland halten etwas mehr als 40 Prozent der Befragten das für die optimale Erwerbskonstellation. In Ostdeutschland sind es ein etwa ein Drittel, wenn es um Kinder im Alter von zwei Jahren geht, und rund 20 Prozent bei älteren Kindern.

Der Anteil derjenigen Familien, die tatsächlich in dieser Konstellation leben, liegt aber deutlich darüber: Bei 63 Prozent in Westdeutschland, bei 38 Prozent in Ostdeutschland. Auch beim sogenannten Erwerbs- und Sorgemodell, bei dem beide Elternteile rund 30 Stunden pro Woche Lohnarbeit nachgehen und sich die Erziehungsarbeit teilen, ist die Diskrepanz zwischen den Einstellungen und der Lebensrealität groß. Diese Form der Arbeitsaufteilung hält etwa ein Drittel der Befragten bei Kindern im Krippenalter (zwei Jahre) ideal, für ältere Kinder sinkt der Anteil. Tatsächlich gelebt wird es aber nur von einer sehr kleinen Gruppe von drei Prozent in West- und sechs Prozent in Ostdeutschland.

Die Untersuchung führt die Unterschiede zwischen der angegebenen Präferenz und der tatsächlich Wahl des Arbeitsteilungsmodells vor allem auf strukturelle Gründe zurück. So wurde für verschiedene Konstellationen das Einkommen von Modellhaushalten simuliert. Dabei zeigt sich, dass mit dem aktuellen Steuer- und Transfersystem das Netto-Einkommen der Familie mit dem Zuverdiener-Modell am höchsten ist. Nach dem Netto-Einkommen pro geleisteter Arbeitsstunde betrachtet, ist für Familien sogar ein Modell am einträglichsten, bei dem die Mutter lediglich einen Minijob annimmt, während der Vater Vollzeit arbeitet.

Ein wichtiger Grund für die Diskrepanzen sei das deutsche Steuer- und Transfersystem, insbesondere das Zusammenspiel von Ehegattensplitting und Minijobs sowie der beitragsfreien Mitversicherung von Ehepartnern in der gesetzlichen Krankenversicherung, sagte Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics im DIW Berlin.

Hinzu komme der Gender Pay Gap, also der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern. All dies macht demnach ein Zuverdienermodell finanziell für viele Familien attraktiv. Die Autorinnen und Autoren der Auswertung mahnen deshalb Reformen an, um eine gleichere Aufteilung von Lohn- und Sorgearbeit zu fördern.


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