Nach einigem hin und her um die Zuständigkeiten ist es amtlich: Klassenfahrten ins vom Coronavirus besonders betroffene Ausland sind ab sofort verboten (regionalHeute.de berichtete). Hinzu kommt nun die absolute Planungsunsicherheit - welche Länder werden in Zukunft Risikogebiet sein? Wie lange hält uns der Killervirus in Ausbildung im Würgegriff? Die viel wichtigere Frage ist doch - muss ich mit meiner Klasse unbedingt ins Ausland?
"Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah", wusste schon Goethe. Und er hatte recht. Während in Deutschland die Sonntagsfahrverbote für LKW gelockert werden, damit in allgemeiner Panik weiterhin Klopapier, Nudeln und Desinfektionsmittel gehamstert werden können (was immer man daraus kochen soll), stehen die Schulleitungen nun vor einem Dilemma. Sicher, Kinder sind neugierig auf die große weite Welt. Das betrifft gerade diejenigen, bei denen privat selbst der Besuch eines Freizeitparks schon weit außerhalb des Budgets liegt. Enttäuschend vor allem, wenn die anderen Klassen schon in Italien waren und man selbst soll in den Harz? Unvorstellbar!
Deutschland hat mehr zu bieten, als ein Blick auf Hannover verspricht - allein schon in Sachen Unterbringung.
Eine persönliche Anekdote: Während alle anderen Klassen nach Spanien, Italien, Liechtenstein oder in die Niederlande fuhren, musste meine Klasse seinerzeit mit einer Fahrt ins schnöde München vorlieb nehmen. Während die anderen Klassen von zugigen Baracken mit harten Betten und ätzendem Moskitobefall aus ihren vermeintlichen Traumurlaubsregionen berichteten, residierte man in München in einer regelrechten Burg vor den Toren der Stadt, das Turmzimmer bot Blick auf die Isar und die Alpen. Addiert man dann noch hinzu, dass kein Mensch die urbayerische Belegschaft im urigen Pullach verstehen konnte, fühlt es sich fast an wie echtes Ausland. Außer, dass man die Schautafeln im Museum auch ohne Übersetzer oder Spanischlehrer im Schlepptau einwandfrei verstehen konnte. Gut, München ist in Corona-Zeiten vielleicht ein schlechtes Beispiel. Doch bieten die anderen Klassenfahrten an die Mecklenburgische Seenplatte und eine Winterklassenfahrt nach Sankt Andreasberg mindestens ebenso schöne Erinnerungen. Hinzu kommen bei den Berichten über Auslandsklassenfahrten auch gerne 16-stündige Busreisen. Wer ist bitte nicht froh, wenn ihm das erspart bleibt?
Ohne den schulpädagogischen Horror mit stramm getaktetem Programm von 7 bis 22 Uhr hätten all diese Urlaube richtig schön werden können. Schade eigentlich - Oder ist das Museums-Hopping mit angeschlossenen Teambuilding-Spielen hier schon des Pudels Kern? Letztendlich kann beinahe jede Klassenfahrt - besonders in die viel vernachlässigte Natur - zum Abenteuer werden, wenn sie nicht bereits vorher als schulpädagogisches Bootcamp geplant wird. Mit Ausnahmen, versteht sich. Ins Ruhrgebiet würde man seine Klasse vermutlich nicht gerade verschleppen, doch das Braunschweiger Land hat den unschätzbaren Vorteil seiner zentralen Lage.
Eiche rustikal gegen mediterranen Chic
Klar, ein Eiche-Rustikal-Alptraum im Harz kann mit einer auf mediterran gepimpten Bettenburg bei der Gegenüberstellung im Prospekt nicht mithalten, jedoch versprühen felsige Klippen, fantastische Tierwesen und sagenumwobene historische Orte im nahen Umland mindestens den gleichen Zauber wie die meist enttäuschenden Touristenfallen in Rom oder Barcelona. Das wird einem nur kein Kind der Welt abkaufen - später jedoch werden sie gerne in den Erinnerungen von Traumzielen aus ihrer mittelbaren Nähe schwelgen. Versprochen.
Fazit: Ein Urlaub ist das, was man daraus macht. Das gilt auch für Klassenfahrten. Und das gilt vor allem für die Lehrer - Teambuilding-Spiele, Museen und Wanderausflüge sollten wohldosiert sein. Sonst ist es letztlich ohnehin egal, wo man hinfährt - bei all dem Stress bleibt dann leider zu wenig Zeit, um die Umgebung zu genießen - oder die Moskitos.
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