Berlin. Vor den finalen Verhandlungen über die EU-Asylreform hat die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley, weitere Nachbesserungen gefordert und indirekt mit einer Ablehnung des Reformpakets gedroht. "Asylbewerber, die nicht bleiben können, müssen Europa zügig wieder verlassen. Aber das muss in rechtsstaatlichen Verfahren und nach humanitären Standards geschehen", sagte die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagausgaben).
"Eine humanitäre Forderung wäre: Bei den Unterbringungen an den EU-Außengrenzen brauchen wir Ausnahmen für Familien mit Kindern unter 12 Jahren." Barley hielt sich eine Ablehnung des Verhandlungsergebnisses offen. "Über mein Abstimmungsverhalten entscheide ich, wenn der endgültige Vorschlag auf dem Tisch liegt", sagte sie. "Es geht um ein Gesamtpaket, das dem Selbstverständnis der EU als Wertegemeinschaft gerecht wird und gleichzeitig die Probleme angeht." In der Debatte um Leistungen für Asylbewerber warnte Barley vor einem Umstieg auf Sachleistungen. "In Deutschland steht es den Bundesländern schon jetzt frei, Sachleistungen statt Geldleistungen auszugeben. Aber überall dort, wo auf Sachleistungen umgestellt wurde, hat sich der Verwaltungsaufwand als enorm herausgestellt", sagte die frühere Bundesjustizministerin. "Die meisten kehren dann wieder zur Geldleistung zurück. Es bringt einfach nichts." Barley verteidigte die vergleichsweise hohen Leistungen für Asylbewerber in Deutschland. "Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass in Deutschland kein Mensch unter dem Existenzminimum leben muss, auch Asylbewerber nicht", sagte sie. "Das ergibt sich aus unserem Grundgesetz." Forderungen nach stationären Kontrollen an den deutschen Grenzen zu Polen und Tschechien wies Barley zurück. "Das freie Reisen ohne Grenzkontrollen ist für Europa eine große Errungenschaft. Mit mobilen Kontrollen lässt sich schnell und flexibel auf Hinweise reagieren, dass Schleuser unterwegs sind", sagte sie. "Auf stationäre Kontrollen können sich die Schlepper einstellen. Daher würden sie vor allem den Grenzverkehr behindern, ohne große Wirkung zu entfalten." Barley lehnte es auch ab, die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. "Die Zahlen der Asylbewerber, die aus Tunesien stammen und nicht nur durchreisen, sind verschwindend gering", hob sie hervor.
"Ein solcher Schritt hätte bei den Maghreb-Staaten keinen großen Effekt." Scharf kritisierte die Vizepräsidentin des Europaparlaments das drohende Scheitern eines europäischen Migrationsabkommens mit Tunesien. "Wir brauchen diese Migrationsabkommen, um die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber zu erleichtern - aber sie müssen auch gut verhandelt sein", sagte sie. "Das ist bei Tunesien ganz offensichtlich nicht der Fall."
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die Regierungschefs von Italien und den Niedrlanden, Georgia Meloni und Mark Rutte, hätten die Verhandlungen alleine geführt. "Vertreter der deutschen und der französischen Regierung wollten in Tunis dabei sein, wurden aber nicht eingeladen", erinnerte Barley. "Das rächt sich jetzt."
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