Pylos. Überlebende des Schiffsunglücks vor der griechischen Hafenstadt Pylos haben der Küstenwache Mitschuld am Tod Hunderter Migranten gegeben. Das berichtet die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf Betroffene und deren Anwälte in und um das Flüchtlingslager Malakasa nahe Athen.
Diese sagten übereinstimmend, dass die Küstenwache ein Fischerboot, das in der Nacht auf den 14. Juni gesunken war, mindestens fahrlässig zum Kentern gebracht habe. Schätzungen zufolge waren bis zu 750 Migranten an Bord, 104 Menschen wurden lebend geborgen. Laut übereinstimmenden Zeugenaussagen habe die griechische Küstenwache in der Nacht des Schiffbruchs Seile an dem überladenen Fischerboot angebracht, dessen Motor Stunden zuvor ausgefallen war. Bei dem Versuch, das Boot zu ziehen, sei dieses aus dem Gleichgewicht geraten und gekentert.
"Als wir gesunken sind, haben sie das Seil durchgeschnitten und sind weggefahren", sagte ein 30-jähriger Syrer; die Identität des Mannes sei der Zeitung bekannt. Seine Aussage decke sich mit Schilderungen anderer Betroffener. Die Anwältin Eleni Spathana, die Dutzende Überlebende vertritt, sagte: "Wir haben ernsthafte Anhaltspunkte, dass die griechische Küstenwache im Fall des gekenterten Fischkutters in mehreren Punkten nicht die nach internationalem Recht vorgeschriebenen Verhaltensregeln befolgt hat." Sie fordert die Offenlegung "aller Funksprüche und der Einträge in die Logbücher der alarmierten Besatzungen von Frachtschiffen und Yachten" in der Nähe des Unglücks.
Auch ein Sprecher der EU-Grenzschutzagentur Frontex zeigte sich in der "Welt am Sonntag" irritiert über den Ablauf des Rettungseinsatzes. Frontex habe Griechenland vor dem Schiffbruch zweimal angeboten, ein in Italien stationiertes Flugzeug sowie eine in der Ägäis stationierte Drohne einzusetzen. "Beide Male gab es keine Reaktion", so der Sprecher. Stattdessen habe Athen darum gebeten, die Drohne zu einem anderen Rettungsfall nahe Kreta zu schicken.
Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, es müsse zunächst schnell untersucht werden, was die Ursachen für die Tragödie waren und welche Möglichkeiten es gab, diesen Schiffbruch zu verhindern. Die Bundesregierung setze sich für eine europäisch koordinierte, staatlich getragene Seenotrettung ein. Auch private Seenotrettungsschiffe dürften nicht behindert werden.
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