Hamburg. Russland hat seine Waffenproduktion seit dem Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine deutlich steigern können. Das haben deutsche und ukrainische Regierungsvertreter sowie Wissenschaftler aus Deutschland und Großbritannien der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) bestätigt.
Das Auswärtige Amt teilte der FAS mit, seit Ende 2022 beobachte man eine "substanzielle Erhöhung der staatlichen Ausgaben Russlands für die Rüstungsproduktion". Militärausgaben machten mittlerweile 40 Prozent des aktuellen Staatshaushalts aus - Tendenz steigend. Von ukrainischer Seite bestätigte Wladyslaw Wlasjuk, ein Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Zuständigkeit für die Sanktionen gegen Russland, "dass die russische Waffenproduktion in vielen Sektoren zunimmt". Das gelte vor allem für Raketen, Marschflugkörper und Drohnen.
Nach einem Bericht der "New York Times" sehen das auch amerikanische Regierungsvertreter so. Die Zeitung berichtete, nach ihren Informationen produziere Russland im Augenblick 200 Panzer im Monat, zweimal so viel wie vor dem Großangriff auf die Ukraine. Die Produktion von Artilleriegranaten sei auf zwei Millionen im Jahr gestiegen - abermals das Doppelte der Vorkriegszahl. Das sei mehr Munition, als Amerika und Europa derzeit gemeinsam herstellten.
Julian Cooper, ein emeritierter Direktor des Zentrums für Russland- und Osteuropakunde an der Universität Birmingham, schrieb der FAS, er sehe in Russland eine wachsende Produktion von Kampfpanzern, anderen Panzerfahrzeugen, Munition, Flugkörpern, Drohnen und einigen Typen von Kampfflugzeugen. Bei den Kampfpanzern würden auch ältere Modelle modernisiert und wieder in Dienst gestellt. Zur Produktion von Raketen und Marschflugkörpern sagte der Wirtschaftswissenschaftler Benjamin Hilgenstock von der Kyiv School of Economics der FAS, die Herstellungszahl sei zwischen Januar und Mai dieses Jahres von 50 auf 101 Stück im Monat gestiegen. Cooper und Hilgenstock zufolge haben die westlichen Ausfuhrsperren zu viele Lücken, um diesen Aufwuchs ernstlich zu behindern.
Die Wissenschaftler bestätigen damit Informationen aus der ukrainischen Führung, denen zufolge Russland heute wieder genauso viele sanktionierte "Schlachtfeldkomponenten hoher Priorität" (High Priority Battlefield Items) importiert wie vor dem Beginn der Sperren. Nach Kiewer Angaben hat Russland zwischen Januar und Juli trotz aller Maßnahmen solche besonders kriegsrelevanten Güter im Wert von 5,6 Milliarden Dollar importieren können. Allerdings könnte die russische Rüstungsindustrie möglicherweise noch schneller wachsen, wenn sie mehr digitalisierte Produktionsmaschinen aus dem Westen hätte. Janis Kluge von der Stiftung Wissenschaft und Politik stellt fest, Russland habe gegenwärtig noch "nicht genug Produktionslinien, um für einen langen Krieg genügend Panzer, Raketen und Munition herzustellen".
Vor allem gebe es einen "Flaschenhals" bei modernen westlichen Maschinen, computergesteuerten Fräsen und digitalen Steuergeräten. In ukrainischen und deutschen Regierungskreisen wird das bestätigt. Selenskyjs Mitarbeiter sagen, russischen Waffenfabriken fehle es an Präzisionsgeräten sowie Software, und das Auswärtige Amt geht "von technischen Hürden bei der Rüstungsproduktion aus".
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