Niedersachsen. Mit Niederschlagsmengen von im Mittel 155 Litern pro Quadratmeter zählt der Dezember 2023 zu einem der nassesten Dezember seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Im Harz wurden etwa in Braunlage sogar Mengen von über 385 Litern pro Quadratmeter erreicht. Das durch das feuchte Wetter und fast vollständig gesättigte Böden verursachte flächendeckende Hochwasser wird Niedersachsen noch eine Weile in Atem halten, betont der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). Selbst bei günstiger Witterung werde sich die Hochwasserlage in den kommenden Tagen nur langsam entspannen. Experten sehen aber auch Erfolge im Kampf gegen die Wassermassen.
„Der Ausblick auf die kommenden Tage zeigt, dass wir voraussichtlich noch eine Weile mit Wasserständen auf deutlich erhöhtem Niveau rechnen müssen", so NLWKN-Direktorin Anne Rickmeyer. Selbst bei trockenem Wetter sei davon auszugehen, dass die Pegelstände in den Unterläufen vorerst hoch bleiben und sich die Hochwasserlage nur langsam entspannen wird. „Gerade für Flussanrainer ist es daher wichtig, die Lage weiterhin im Blick zu behalten und die Vorhersagen und Lageberichte für die einzelnen Flussgebiete aufmerksam zu verfolgen", rät Rickmeyer.
Der NLWKN stellt hierzu unter anderem über sein Hochwasser-Portal www.pegelonline.nlwkn.niedersachsen.de aktuelle Pegelstände und Hochwasservorhersagen sowie regionsspezifische Lageberichte zur Verfügung.
Talsperren sorgten für Entlastung
Trotz der vielerorts immensen Schäden und der teils immer noch angespannten Lage können aus Sicht der Experten aber auch Erfolge verzeichnet werden. Die Leiterin der Hochwasservorhersagezentrale des NLWKN in Hildesheim, Marlena Heunecke, betont: „Die frühzeitige Warnung vor dem Ereignis und die kontinuierlich veröffentlichten Hochwasservorhersagen sowie die Informationen der Hochwassermeldedienste ermöglichten es, dass vielerorts vor Ort rechtzeitig Maßnahmen zum Schutz eingeleitet werden konnten". Eine auf den Vorhersagen aufbauende gezielte Optimierung der Unterwasserabgaben durch die Harz-Talsperren, aber auch die Hochwasserrückhaltebecken in Salzderhelden, Klein Mahner und Alfhausen-Rieste habe ebenfalls Wirkung gezeigt: „Diese wasserwirtschaftlichen Bauwerke haben in den letzten Wochen spürbar zur Reduzierung der Hochwasserscheitel beigetragen", betont Arndt Schulz von der Talsperrenaufsicht im NLWKN. Die Reduktion habe zu einer Entlastung bei den Unterliegern geführt: Noch höhere Wasserstände und weitere Überschwemmungen konnten nach Einschätzung der Experten vermieden werden.
Umweltminister Christian Meyer dankte allen Mitarbeitern des NLWKN für die frühzeitigen Prognosen und das gute Wassermanagement der Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken: „Die sehr guten Prognoseeinschätzungen unserer Hochwasservorhersagezentrale und die Optimierung der Aufnahmekapazitäten in den Wasserrückhaltebecken und Talsperren haben erheblich zum rechtzeitigen Einsatz von Schutzmaßnahmen der Unterlieger geführt und konnten höhere Pegelstände und damit Schäden in vielen Orten verhindern. Die Entlastung durch gutes Management der Talsperren und Hochwasserbecken waren ganz erheblich. So konnte das große Rückhaltebecken an der Leine bei Salzderhelden die Auswirkungen für die Anlieger des Leinetals deutlich abdämpfen. Auch durch kluges Management bei den Talsperren im Harz konnten größere Überschwemmungen etwa in Braunschweig vermieden werden. Dafür möchte ich ganz herzlich danken."
Historisches Hochwasserereignis auch an der Okertalsperre
So etwa an der Okertalsperre, auf die im Zuge des Weihnachtshochwassers binnen weniger Tage drei Hochwasserwellen zugelaufen waren. „Das zufließende Gesamtvolumen innerhalb einer Woche ist in diesem Jahrtausend unerreicht und stellt eines der drei größten Hochwasserereignisse in der Geschichte der Okertalsperre dar", erklärt Patrick Nistahl von der Harzwasserwerke GmbH. Bei allen drei Wellen konnte der Scheitel deutlich reduziert werden.
Bei der dritten Hochwasserwelle am 26. Dezember wurde der gewöhnliche Hochwasserrückhalteraum vollständig eingestaut und auch der außergewöhnliche Hochwasserrückhalteraum in Anspruch genommen. Die Hochwasserentlastungsanlage der Talsperre wurde dabei planmäßig in Betrieb genommen. „Im Ergebnis konnte unter anderem durch die Nutzung des Talsperrenverbundsystems eine Reduzierung des Hochwasserscheitels - also eine Dämpfung der Welle - erreicht werden, die zu einer deutlichen Entlastung bei den Unterliegern beigetragen hat", so Arndt Schulz.
Hochwasserentlastungsanlagen sind wichtige Betriebseinrichtungen einer Talsperre. Sie führen Wasser, welches nicht mehr im Hochwasserrückhalteraum gespeichert werden kann, gezielt und planmäßig sowie schadlos für die Talsperre ab. Sie schützen damit das Absperrbauwerk - insbesondere einen Staudamm oder eine Staumauer - vor einem unkontrollierten „Überlaufen" der Talsperre über die Krone des Absperrbauwerkes.
Talsperren verlieren Wirkung
Die Wirkung der Okertalsperre nimmt mit der Entfernung zur Talsperre ab. Dies gilt insbesondere bei flächenhafter Überregnung des gesamten Einzugsgebietes. Die durch die Okertalsperre beeinflussbaren Flächenanteile der Einzugsgebiete an den Oker-Pegeln Ohrum (813 Quadratkilometer) und Groß Schwülper (1734 Quadratkilometer) betragen nur noch zehn beziehungsweise fünf Prozent. Wesentliche Nebengewässer der Oker wie etwa die im Brockengebiet entspringende Ilse oder die bei Braunschweig mündende Schunter sind von der Talsperrensteuerung unbeeinflusst. Weiter flussabwärts an der Aller am Pegel Celle (4374 Quadratkilometer) beträgt der beeinflusste Flächenanteil nur noch 0,02 Prozent.
„An allen Talsperren und auch den genannten Hochwasserrückhaltebecken ist gegenwärtig wieder ausreichend Stauraum vorhanden, um die aktuellen und kurzfristig prognostizierten Zuflüsse aufnehmen zu können", zeigt sich Schulz optimistisch.
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