Brandbrief: Thomas Pink klagt Staatsanwaltschaft an

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In einem Schreiben an den Ministerpräsidenten und weitere Empfänger kritisiert Pink eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft Braunschweig. Archivfoto: Werner Heise
In einem Schreiben an den Ministerpräsidenten und weitere Empfänger kritisiert Pink eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft Braunschweig. Archivfoto: Werner Heise | Foto: Werner Heise

Wolfenbüttel. Bürgermeister Thomas Pink stellt die Rechtsstaatlichkeit in Frage. In einem Brandbrief an den Niedersächischen Ministerpräsidenten Stephan Weil sowie die Justizministerin und den Innenminister klagt er die Arbeit der Staatsanwaltschaft Braunschweig an. Zudem äußert er Verständnis, wenn das Vertrauen in die Polizei und Justiz abnimmt.


Thomas Pink sieht sich zum wiederholten Male beleidigt. In seinem Brandbrief, den er auch unserer Redaktion übersandt hat, führt er auf, dass er von einer im Stadtgebiet wohnenden Person als "Bürgerschänder" bezeichnet wurden sei. Zudem hätte der Verfasser die Begriffe "rechtsextrem", "Vetternwirtschaft" und "Selbstjustiz" gegen ihn gerichtet. Pink stellte daraufhin Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig, doch die sieht von einer Strafverfolgung ab und stellte das Verfahren ein. In ihrer Begründung teilt Erste Staatsanwältin Julia Meyer mit, dass Zweifel an der vollständigen Schuldfähigkeit des Beschuldigten bestünden. Im Falle einer Anklage müsse ein Gutachter mit der Erstellung einer sehr kostenintensiven Stellungnahme beauftragt werden. Meyer geht hier auf Nachfrage von regionalHeute.de von mehreren Tausend Euro aus. "Die Verhältnismäßigkeit eines solchen Gutachtens im Hinblick auf den eher niedrigschwelligen Tatvorwurf, eine allenfalls zu erwartende geringe Geldstrafe und die Verfassung des Beschuldigten wäre aus Sicht der Staatsanwaltschaft mehr als fraglich", erklärt die Erste Staatsanwältin weiter.

Tatbestand der Beleidigung nicht erfüllt?


Doch auch ein bereits vorausgegangenes Strafverfahren, in dem Pink sich ebenfalls von derselben Person beleidigt sah, floss in die Bewertung der Staatsanwaltschaft mit ein. Hier hatte das Amtsgericht Wolfenbüttel bereits in einer vorläufigen Prüfung Bedenken geäußert, ob die Formulierungsweise des Beschuldigten den Tatbestand der Beleidigung gemäß Strafgesetzbuch erfüllt. Die Vorwürfe stünden im Zusammenhang mit einer durch den Beschuldigten nicht akzeptierten, vom Landgericht jedoch rechtlich bestätigten Verwaltungsentscheidung, in der es um den Abriss eines Gebäudes ging. Daher sei das Amtsgericht seinerzeit davon ausgegangen, dass es dem Beschuldigten nicht darum ging, Pink in seiner Ehre zu verletzen, sondern seiner subjektiv empfundenen Empörung über das vermeintlich ungerechte Verhalten der Behörden Ausdruck zu verleihen. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig sieht dies nun auch im aktuellen Fall ähnlich.

Verwaltungsmitarbeiter werden zu Freiwild


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Auf einem dreiseitigen Schreiben äußert Wolfenbüttels Bürgermeister Thomas Pink seinen Unmut über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft. Foto: Werner Heise



"Ich bin angesichts dieser Beurteilung schier fassungslos", schreibt Pink und kündigt juristische Schritte gegen die Entscheidung an. "In der jüngsten Vergangenheit werden bundesweit die Gefahren eines zunehmenden Populismus, einer Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft, einer Verrohung der Sprache und die Erosion grundlegender Werte unseres Zusammenlebens thematisiert. Immer mehr 'Reichsbürger' handeln nach ihren eigenen Gesetzen, bedrohen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Verwaltungen, sehen sie zum Teil als „Freiwild“ und machen auch vor körperlicher Gewalt keinen Halt mehr. Um diesen Gefahren wirksam zu begegnen, wird - aus meiner Sicht zu Recht - eine Bündelung der demokratischen Kräfte beschworen und von politischer Seite ein 'Aufstand der Anständigen' gefordert. Dieses alles ist richtig und Sie dürfen gewiss sein, dass ich hier in Wolfenbüttel, gemeinsam mit einer Vielzahl von Kolleginnen und Kollegen aus Rat und Verwaltung, für ein freies, demokratisches und weltoffenes Gemeinwesen eintrete. Die Kraft für dieses Eintreten und die Verteidigung demokratischer Grundsätze und Werte speist sich aber aus der unerschütterlichen Überzeugung, dass wir in einer funktionierenden Demokratie leben und Menschen, die sich nicht an die durch Gesetz und Recht festgelegten Regeln halten, für ihr Verhalten zur Verantwortung gezogen werden. Die wiederholten Reaktionen der Staatsanwaltschaft Braunschweig auf diese unerträglichen Schmähungen lassen mich hier erheblich an der Rechtsstaatlichkeit zweifeln", führt der Bürgermeister aus.

Und weiter: "Mein Eindruck, und ich darf an dieser Stelle auch für eine Vielzahl kommunaler Amtskolleginnen und -kollegen sprechen, ist, dass die zwingend notwendige Durchsetzung des Rechts zunehmend ausbleibt. Der Rechtsstaat zeigt an dieser Stelle nicht die erforderliche Stärke, um rein destruktiv motivierte und zuweilen gefährliche Personen frühzeitig in die Schranken zu weisen und Menschen, die sich für das Gemeinwesen engagieren, vor inakzeptablen verbalen Angriffen zu schützen. Schlimmer noch, es fehlt offensichtlich an einem Interesse, diese Vergehen zu verfolgen und zu ahnden." Gerade das Schreiben der Ersten Staatsanwältin Meyer, in der sie die Einstellung des Strafverfahrens mitteilt, empfinde er als "Unverschämtheit".

Pink erinnert an Gewalttat


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Die Staatsanwaltschaft Braunschweig steht bei Thomas Pink in der Kritik. Foto: regionalHeute.de



Die Folgen seien für ihn in jeder Hinsicht fatal. "Die Opfer dieser Angriffe werden allein gelassen, die Täter werden ermuntert, weiter zu machen und das Vertrauen in die staatlichen Institutionen der Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz nimmt immer weiter ab. Wenn es tatsächlich ernst gemeint ist, dass vor dem Hintergrund der derzeitigen gesamtgesellschaftlichen Entwicklung die demokratischen und rechtsstaatlichen Kräfte zusammenstehen und Stärke zeigen sollen, dann erleben wir hier das genaue Gegenteil. Ich kann es meinen Kindern, den Bürgerinnen und Bürgern meiner Stadt und mir selbst nicht mehr erklären, warum die Staatsanwaltschaft bei anonymen und haltlosen Korruptionsvorwürfen gegenüber der Stadt, z.B. bei der Vergabe von Leistungen, sofort alle Ressourcen und Mittel einsetzt, um eine umfassende (und ergebnislose) Prüfung durchzuführen (erstaunlicher Weise spielen die hierfür entstehenden Kosten dann keine Rolle), gleichzeitig aber bei schlimmsten verbalen Entgleisungen und Drohungen 'aus Opportunitätsgründen' ein Einschreiten unterlässt. Dieses Vorgehen bzw. Unterlassen kann im Einzelfall dazu führen, dass sich Personen, gerade weil man sie gewähren lässt und nicht sanktioniert, in ihrem Denken und Handeln radikalisieren. Ich erinnere hier an die Gewalttat gegen den Landrat des Kreises Hameln-Pyrmont, Rüdiger Butte", so der Bürgermeister.

Es sei "richtig und gut so", dass er in seiner Funktion als Bürgermeister der Stadt Wolfenbüttel, insbesondere wenn es um grundlegende Themen der städtischen Entwicklung geht, oftmals im Kreuzfeuer der Kritik stehe. "Nur durch kritische und kontroverse Debatten, in denen unterschiedliche und gegensätzliche Meinungen ausgetauscht werden, entstehen Prozesse und Ergebnisse, die im besten Sinne demokratisch herbeigeführt und damit legitimiert werden", führt Thomas Pink aus. Und fügt hinzu, dass auch klare, deutliche und zugespitzte Formulierungen ein Stilmittel darstellen würden, was seine ausdrückliche Akzeptanz finde und dessen er sich mitunter selbst bediene. "Nach vielen Jahrzehnten in der Kommunalpolitik, davon 12 Jahre als Hauptverwaltungsbeamter, habe ich unzählig viele Situationen erlebt, in denen meine Position und durchaus auch einmal meine Person im Rahmen einer harten Auseinandersetzung kritisiert wurden. In all diesen Jahren bin ich allerdings fest davon ausgegangen, dass es für Meinungsäußerungen eine Grenze gibt", klagt er das nun eingestellte Verfahren an.


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