Allgemeinverfügung gegen Klimakleber sorgt für Protest

Die Grünen wollen die Verfügung rechtlich klären lassen. Die SPD verteidigt die Maßnahme. Aktivisten wollen heute Nachmittag demonstrieren.

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Archivbild | Foto: Werner Heise

Braunschweig. Am Mittwoch hatte die Stadt Braunschweig eine Allgemeinverfügung erlassen, die für nicht angemeldete Aktionen wie die der Klimakleber der Letzten Generation Geldstrafen in Höhe von bis zu 3.000 Euro androht. Hieran gibt es Kritik der Grünen Ratsfraktion. Am heutigen Freitag soll es sogar eine Eilversammlung auf dem Schlossplatz geben. Die SPD-Fraktion verteidigt dagegen die Maßnahme der Verwaltung.



„Wir sehen die Allgemeinverfügung außerordentlich kritisch. Uns ist es wichtig klarzustellen, dass wir als Fraktion an dem Vorgehen nicht beteiligt sind, das ist reines Verwaltungshandeln. Das Einschränken des Versammlungsrechts, ausschließlich zum Zwecke der Verhinderung von Klimaprotesten ist juristisch sehr fragwürdig und muss dringend geprüft werden. Wir erwarten, dass die Verwaltung ihre Entscheidung und die fehlende politische Diskussion rechtfertigt", so Lisa-Marie Jalyschko, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Rat der Stadt. Die Kriminalisierung von Klimaprotesten mit Bußgeldandrohungen sei ein nicht nachvollziehbarer Schritt für eine Stadt mit rot-grüner Ratsmehrheit, die den Anspruch erhebt, progressive, soziale und klimagerechte Politik zu machen.

Ohne Diskussion in den politischen Gremien


Dr. Andreas Hoffmann, Landtagsabgeordneter der Grünen aus Braunschweig, schlägt in die gleiche Kerbe: „Für mich ist dieser Schritt der Stadt Braunschweig nicht nachvollziehbar. Wir teilen zwar nicht die Wahl der Mittel der Letzten Generation, jedoch das Ziel. Wir wollen klimaneutral werden, bis 2040 im Land Niedersachsen und in Braunschweig bereits 10 Jahre früher. Dies hat der Rat der Stadt Braunschweig letztes Jahr mit dem integrierten Klimaschutzkonzept 2.0 beschlossen. Umso mehr überrascht es mich jetzt, dass ohne Diskussion in den politischen Gremien diese Allgemeinverfügung erlassen wird – immerhin haben wir eine Rot-Grüne Kooperation auf kommunaler Ebene. Die Grüne Ratsfraktion ist jedoch an dieser Maßnahme nicht beteiligt.“

Hoffmann empfiehlt dagegen, dass man in Braunschweig dem Vorbild Hannover folgen solle, wo der Grüne Oberbürgermeister Belit Onay mit den Protestierenden in den Dialog getreten sei und so die Proteste effektiver verhindere.

"Eine Gefahr für Leib und Leben"


Die SPD-Fraktion verteidigt dagegen die Maßnahme. Nach dem Versammlungsrecht müssten solche Versammlungen 48 Stunden vorher bei der Stadtverwaltung als Versammlungsbehörde angemeldet werden, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Allgemeinverfügung richte sich ausschließlich gegen Versammlungen, bei denen gegen die gesetzliche Anzeigepflicht verstoßen wurde. „Die Versammlungsbehörde ist dafür zuständig, dass Versammlungen, zu denen auch Proteste und Demonstrationen gehören, geordnet und rechtmäßig ablaufen“, erklärt Christoph Bratmann, Fraktionsvorsitzender der SPD-Ratsfraktion.

Die Verwaltung sei hier im Sinne der Gefahrenabwehr und der Durchsetzung des Versammlungsrechts tätig geworden, dies falle nicht in die Zuständigkeit des Rates und der Fraktionen, so Bratmann weiter. „Die unangemeldeten Straßenblockaden der Letzten Generation beeinträchtigen den Straßenverkehr beispielsweise auch für Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr und stellen damit eine Gefahr für Leib und Leben von Bürgerinnen und Bürgern dar.“ Dies dürfe die Stadt Braunschweig nicht hinnehmen. „Es geht nicht darum, Klimaproteste einzuschränken – Klimaschutz ist uns allen wichtig! Die ‚Letzte Generation‘ kann natürlich weiterhin Protestaktionen durchführen, aber sie muss dies vorher mit der Stadt abstimmen, damit es nicht zu Gefahrensituationen kommen kann.“

Versammlung vor dem Schloss


Die Letzte Generation selbst teilt in einer Pressemeldung mit, dass man sich durch die Verfügung nicht beeinflussen lassen wolle. "Kein Bußgeld und keine Freiheitsstrafe wird uns davon abhalten, friedlich für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen und gegen den Verfassungsbruch unserer Bundesregierung – auch in Braunschweig – auf die Straße zu gehen", heißt es. Zudem würden Initiativen aus Braunschweig, wie Students for Future, Psychologists for Future, am Freitag zu einer Eilversammlung gegen die Allgemeinverfügung der Stadt Braunschweig und für die Versammlungsfreiheit gemäß Artikel 8 GG, um 17 Uhr auf dem Schlossplatz Braunschweig aufrufen.

Aktualisiert (13:20 Uhr)
Auch die BIBS-Fraktion kritisiert in einer Pressemitteilung die Allgemeinverfügung der Stadt. Unter anderem heißt es dort: "Während die Klimakrise immer öfter einen Vorgeschmack dessen zeigt, was unsere Kinder werden erleben müssen, wie derzeit eine nie dagewesene Gluthitze in unserem Urlaubs-Südeuropa, oder die grad überstandene Mehr-als-Jahrtausend- Regenflut in unserer Stadt, zeigen die Verantwortlichen, dass sie wirklich immer noch nicht verstanden haben, was die Stunde geschlagen hat. Das SPD-geführte Braunschweig folgt damit dem Pfad des im Wahlkampf selbst ernannten Klimakanzlers mit gleichem Parteibuch, der ebenfalls bisher außer heißer Luft nicht viel geliefert hat."

"Grundfalsches Zeichen in Stadt und Gesellschaft"


Dieser Schritt füge sich nahtlos ein in die Performance des Oberbürgermeisters Dr. Kornblum zu den bisherigen Aktivitäten der Letzten Generation. Gesprächsangebote, die in anderen Städten wie Hannover angenommen worden sein, würden hier rüde ausgeschlagen. Eine Bürgerfrage in der Stadtratssitzung vom 16. Mai sei sehr abweisend beantwortet worden, und eine schriftliche Nachfrage der BIBS-Fraktion dazu außerhalb von Sitzungen bleibe seit Wochen unbeantwortet - in dieser Zeit sei stattdessen die jetzt veröffentlichte neunseitige Verfügung geschrieben worden. Die Stadt setze gegenüber den Klimaaktivisten weiterhin nicht auf Konsens, sondern auf Konfrontation, was nach Ansicht der BIBS ein verheerendes und grundfalsches Zeichen in die Stadt und in die Gesellschaft sei.


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