Amazon Verteilzentrum hat den Betrieb aufgenommen - Versandriese gewährt Blick hinter die Kulissen

Am Anfang gab es Kritik von vielen verschiedenen Seiten für die Errichtung eines Amazon-Verteilzentrums in Lengede. Ende September ist der Betrieb gestartet. Nun gab es erste Einblicke in die Arbeit des US-Unternehmens.

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Ingo Beckmann wird in Zukunft dafür sorgen, dass die Pakete ihren Weg zu den Kunden finden. Hier zusammen mit Bürgermeisterin Maren Wegener.
Ingo Beckmann wird in Zukunft dafür sorgen, dass die Pakete ihren Weg zu den Kunden finden. Hier zusammen mit Bürgermeisterin Maren Wegener. | Foto: Julia Fricke

Lengede. Ende letzten Monats, genauer gesagt am 30. September, hat das Amazon-Verteilzentrum in Lengede den Betrieb aufgenommen. Auf einer Hallenfläche von rund 8.250 Quadratmetern arbeiten zurzeit zirka 125 Mitarbeiter. Etwa 450 Fahrzeuge verteilen die Pakete von Lengede aus in mehreren Wellen in der Region. Kritik gab es zu Beginn der Planungen vor allem seitens der Gewerkschaft ver.di. Aber auch die Anwohner zeigten sich skeptisch (regionalHeute.de berichtete). Während eines Pressetermins zusammen mit Lengedes Bürgermeisterin Maren Wegener gab der Versandriese auch regionalHeute.de die Möglichkeit einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.


Das Verteilzentrum, bestehend aus Halle, Parkflächen, Parkhaus und Büroräumen, wurde auf einer Gesamtfläche von etwa 32.000 Quadratmetern im Gewerbegebiet Lengede-Broistedt errichtet. Angefangen in einer kleinen Garage in Seattle, hat das US-amerikanische Unternehmen inzwischen etwa 40 Standorte in Deutschland angesiedelt. 90 sind es europaweit. Ziel ist es unter anderem die Waren noch schneller und besser an die Kunden zu bringen. Nun auch aus Lengede. Das Verteilgebiet begrenzt sich derzeit auf die Gebiete südlich von Hannover und Teile von Braunschweig, Wolfenbüttel und Gifhorn. Der Vorharz, Schöppenstedt und Königslutter werden nicht aus dem Lengeder Verteilzentrum angefahren. Um das gewährleisten zu können arbeiten die Angestellten von Montag, 1:30 Uhr bis Samstag 22:30 Uhr in einem drei-Schichten-System im Wechselschichtbetrieb. "Unsere Mitarbeiter verdienen mindestens 11,92 Euro brutto", erklärt André Lüdger, Betreuer des Verteilzentrums und gebürtiger Braunschweiger. "Und das schließt noch nicht die Nachtschicht- und Überstundenzuschläge mit ein."

Arbeiten vor allem in der Nacht


Der Tag beginnt mit der Anlieferung der Pakete durch die LKWs aus einem Sortierzentrum. Im Verteilerzentrum werden die Pakete dann geordnet und an die Zustellfahrzeuge verteilt. Drei Rollbänder gibt es in Lengede. Hier werden die Pakete von den LKWs gescannt und zunächst grob einer Region zu sortiert. Von dort aus werden sie weiter Gebieten, Städten, Dörfern und schließlich Straßen zugeordnet. Damit die Fahrer ihre Fahrzeuge nicht selbst packen müssen, werden die Pakete in Taschen gesammelt, die entweder für einen Häuserblock, eine Straße oder ein ganzes Dorf vorgesehen sind, je nach Paketaufkommen. Diese Taschen werden in der Reihenfolge in die Wagen geladen, die abgefahren wird. Die Taschen hätten jedoch noch einen weiteren Vorteil: Sollte ein Fahrer keinen Parkplatz finden, könne er die Tasche aus dem Wagen nehmen und die Pakete zu Fuß verteilen, ohne immer wieder zum Wagen zurücklaufen zu müssen.

Die Überbleibsel der Nacht: Auf den Paletten wurden die Pakete für den heutigen Tag angeliefert.
Die Überbleibsel der Nacht: Auf den Paletten wurden die Pakete für den heutigen Tag angeliefert. Foto: Julia Fricke



Die Routen planen die Fahrer dabei nicht selbst. Sie wird durch das System berechnet und ständig optimiert. Die Auslieferung erfolgt zusammen mit derzeit zwölf Partnern, die größtenteils mit geleasten Fahrzeugen unterwegs sind. Dies betont Lüdger auf Nachfrage eines Ratsmitglieds, das sich über die Berliner Kennzeichen gewundert hatte. "Die Fahrer haben ihre Wohnsitze in der Region. Wir haben für regionale Arbeitsplätze gesorgt."

Von den Rollbändern werden die Pakete in die einzelnen Regionen weitergeleitet. Dort werden sie in die bunten Taschen gepackt.
Von den Rollbändern werden die Pakete in die einzelnen Regionen weitergeleitet. Dort werden sie in die bunten Taschen gepackt. Foto: Julia Fricke



In fünf bis acht Wellen pro Tag fahren etwa 25 Fahrzeuge vor das Verteilzentrum, laden die Taschen ein und verschwinden wieder. Ein Schauspiel, das innerhalb weniger Minuten wieder beendet ist. Bürgermeisterin Wegener betont, dass die Auslieferer nur Vormittags fahren sollen, um den Berufsverkehr nicht zu beeinflussen. Derzeit noch mit Verbrennungsmotoren unterwegs strebt das Unternehmen jedoch eine Klimaneutralität der Auslieferung bis 2040 an. 800 E-Fahrzeuge wurden dafür allein für Deutschland bestellt. Bis Ende des Jahres sollen auch in Lengede etwa 50 dieser Daimler Streetscooter unterwegs sein. In angrenzenden Parkhaus sollen dafür noch Ladesäulen errichtet werden. Etwa Mitte November sollen sich bereits die ersten in Lengede auf der Straße befinden.


Jetzt muss es schnell gehen. Die Fahrer holen die ihnen zugewiesenen Pakete aus der Halle.
Jetzt muss es schnell gehen. Die Fahrer holen die ihnen zugewiesenen Pakete aus der Halle. Foto: Julia Fricke



Beschwerden habe es bislang nicht gegeben, so Wegener weiter. Im Gegenteil - so hätten einige im Gewerbegebiet ansässigen Unternehmen berichtet, dass der Versandriese an diesem Standort durchaus seine Vorteile mitbringe, denn durch die Arbeiten am Abend bis in die frühen Morgenstunden müsse man weniger Angst vor Einbrüchen im eigenen Betrieb haben. Auch wegen Ruhestörung hätten sich bis jetzt keine Anwohner gemeldet. "Für die Gemeinde ist es ein großes Unternehmen, das natürlich auch Veränderung bringt. Ich freue mich besonders über die neuen Arbeitsplätze, gerade auch in einem Bereich, in dem nicht unbedingt eine Facharbeiterqualifikation vorliegen muss. Auch die Maßnahmen, die das Unternehmen wegen Corona getroffen hat, sind vorbildlich", so Wegener.

Sicherheitsmaßnahmen und Corona


Generell sei man um die Sicherheit der Mitarbeiter - gerade auch in Corona-Zeiten sehr bemüht. Schon im Eingangsbereich warten Masken und Desinfektionsmittel auf die Besucher. Und noch mehr: Eine Wärmebildkamera testet jeden auf eine erhöhte Temperatur. Auch die Fahrer der Lieferwagen werden mit einer solchen Kamera überprüft, bevor sie die Taschen aus der Halle holen dürfen. Ein One-Way Konzept soll zudem den Begegnungsverkehr reduzieren und auch in der Kantine wurden die Plätze mit Plexiglasscheiben und Desinfektionsmitteln präpariert. Generell gilt: Maskenpflicht im gesamten Gebäude und das Einhalten von mindestens zwei Metern Abstand zueinander. Wer sich nicht daran hält, wird mehr oder weniger freundlich darauf hingewiesen.

Auch in der Kantine wird ein strenges Corona-Sicherheitskonzept gefahren.
Auch in der Kantine wird ein strenges Corona-Sicherheitskonzept gefahren. Foto: Julia Fricke



Noch sind die Kapazitäten des Zentrums nicht ausgelastet. Weitere Mitarbeiter könnten eingestellt werden. Mit dem Amazon-Prime-Day hatte das Verteilzentrum bereits einen ersten "Probelauf" mit viel Paketaufkommen, bevor die Weihnachtszeit startet.




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