Aus Angst vor Wildpinklern: Urinal kostenlos - Alle anderen sollen bezahlen

Die Ungerechtigkeit bei der Ausstattung öffentlicher Toiletten, wie der neuesten im Kultviertel an der Südstraße in Braunschweig, sorgt für Kritik. Ein Unisex-Urinal soll Abhilfe schaffen.

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Links sitzen kostet, rechts stehen nicht - Ein "Dilemma", wie die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Braunschweig es nennt.
Links sitzen kostet, rechts stehen nicht - Ein "Dilemma", wie die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Braunschweig es nennt. | Foto: Alexander Dontscheff

Braunschweig. Der große Wurf gegen Wildpinkler sollte der neue WC-Kubus an der Südstraße werden. Am 26. Juli wurde das neue "Stille Örtchen" an der Südstraße eröffnet (regionalHeute.de berichtete). Jetzt mehrt sich Kritik am Konzept des Klosetts. Das Urinal für "Stehpinkler" ist kostenlos, fürs hinsetzen werden 20 Cent fällig. Ein reiner "Vandalismusschutz", wie die Stadt Braunschweig erklärt. Eine "Strukturelle Benachteiligung von Frauen", wie die Kritiker sagen. Die Braunschweiger Gleichstellungsbeauftragte Marion Lenz glaubt laut der Antwort auf eine Anfrage von regionalHeute.de, die Lösung zu haben: ein Unisex-Urinal!


Eine ähnliche Debatte gab es gerade erst im vergangenen Juli in Salzgitter. Wie in Braunschweig gab es auch dort ein kostenloses Urinal und einen kostenpflichtigen Sitzplatz. Immerhin, Menschen mit Behinderungen können mit dem sogenannten "Euroschlüssel" kostenlos ihr Geschäft in der barrierefreien Räumlichkeit verrichten. Da nicht jeder mit den Anlagen zum Pinkeln im Stehen - oder einem Euroschlüssel - ausgestattet ist, gehen manche auf die Barrikaden: "Na bravo, dann werden ja `nur´ Frauen diskriminiert", schreibt eine Nutzerin auf Facebook unter einem Beitrag von braunschweig.de. Auch unter dem Facebook-Beitrag von regionalHeute.de wird fleißig diskutiert. Wie die Stadt Braunschweig auf Anfrage informiert, sorgen Hygiene und Vandalismus für das Dilemma.

Hygiene, Vandalismus und Barrierefreiheit


"Die Stadt hat sich für diese Lösung entschieden, um den Bürgerinnen und Bürgern die WC-Anlagen in einem möglichst ordentlichen und angemessenen hygienischen Zustand zur Nutzung anzubieten", so Stadtsprecher Adrian Foitzik. Dafür soll die Toilettenanlage ein- bis zweimal täglich gereinigt werden. "Aus diesem Grund werden die Anlagen auch spät nachts vollständig geschlossen. Wären die Anlagen kostenfrei zugänglich und dauerhaft geöffnet, kann auch mit einer regelmäßigen Unterhaltsreinigung leider nicht sichergestellt werden, dass die WCs nicht verunreinigt, beschädigt oder sogar zerstört werden. Dieser Punkt liegt besonders der Behindertenvertretung am Herzen, da Menschen mit Behinderung durch ihre Mobilitätseinschränkung in noch stärkerem Maße auf eine saubere Toilette angewiesen sind", so Foitzik weiter. Er fährt fort mit einem Satz, der die Debatte auch in den sozialen Medien antrieb:

"Die teils kostenfreie Bereitstellung von Urinalen dient ausschließlich dazu, das Urinieren in der Öffentlichkeit mit der damit verbundenen Belästigung der Bevölkerung zu verhindern."


Die Behindertenbeauftragte der Stadt Salzgitter, Simone Semmler fand bereits im Falle von Salzgitter, dass dieses Argument "hinkt": "Das ist ein Thema, wo wir auch großflächig mal bundesweit gucken sollten. Weil es einfach eine strukturelle Benachteiligung von Frauen ist, nur weil sie sich nicht benehmen, wie die Gorillas im Wald, auch noch bezahlen müssen." Ähnlich drastisch formulieren manche auf Facebook ihre Kritik: "Sie befürchten offenbar Fehlverhalten von Männern und anstatt dies gegebenenfalls zu sanktionieren, wird hier ein Anreiz geschaffen, der mittelbar Frauen für korrektes Verhalten bestraft."

Unisex-Urinal soll Abhilfe schaffen


Der Unterschied: Die Braunschweiger WC-Anlage wird kommunal betrieben, und nicht wie in Salzgitter von einem externen Unternehmen. "Sie ist täglich von 7:00 – 5:00 Uhr geöffnet. Die Öffnungszeiten wurden aufgrund des Nachtlebens im Umfeld bewusst deutlich über das sonst übliche hinaus ausgeweitet", ergänzt Foitzik. Die Stadt könnte also direkten Einfluss auf die Problematik der Geschlechterungerechtigkeit im Falle von Harndrang nehmen. Und das hat sie nun auch vor: "Die Stadt Braunschweig prüft zurzeit die Umrüstung des bisherigen Urinals der WC-Anlage Südstraße in ein sogenanntes Unisex-Urinal, das auch von Frauen benutzt werden kann."

Urinal-Kabine ist abschließbar


Diese Urinale sind in ihrer Formgebung "untenrum" deutlich länger, sodass darüber auch ohne entsprechende Ausstattung "in der Hocke" gepinkelt werden könnte. "Auf diese Weise wäre eine Gleichbehandlung der Geschlechter gegeben, ohne die zuvor genannten Gründe, die zu einer Gebührenpflicht geführt haben, aus den Augen zu verlieren. Durch die Abschließbarkeit des Urinals ist eine geschützte Nutzung für alle Nutzergruppen gewährleistet." Die Braunschweiger Gleichstellungsbeauftragte Marion Lenz steht hinter dieser Lösung: "Die bisher gewählte Lösung entsprach dem Dilemma: offene Toiletten werden zerstört oder verschmutzt, Urinale gab es nur für Männer. Die neue Lösung mit einem Unisex-Urinal bietet allen Menschen die Möglichkeit kostenfrei zu urinieren. Das begrüße ich sehr."


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