Bewusstsein für die Geschichte der jüdischen Kultur stärken


Der neue gewählte Präsident Prof. Dr. Alexander von Kienlin (rechts) und sein Stellvertreter Erik Homann unterzeichnen die Satzung des neuen Netzwerks. Außerdem engagieren sich im Vereinsvorstand (stehend von links):  Gerhard Döpkens, Dr. Jörg Munzel, Renate Wagner-Redding und Andreas Memmert. Foto: Allianz für die Region GmbH/ Susanne Hübner.
Der neue gewählte Präsident Prof. Dr. Alexander von Kienlin (rechts) und sein Stellvertreter Erik Homann unterzeichnen die Satzung des neuen Netzwerks. Außerdem engagieren sich im Vereinsvorstand (stehend von links): Gerhard Döpkens, Dr. Jörg Munzel, Renate Wagner-Redding und Andreas Memmert. Foto: Allianz für die Region GmbH/ Susanne Hübner.



Braunschweig. Mit der Vereinsgründung nimmt das „Israel Jacobson Netzwerk für jüdische Kultur und Geschichte e.V.“ heute offiziell seine Arbeit auf.

Die Mitglieder aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur engagieren sich im Netzwerk dafür, das Bewusstsein für die Geschichte der jüdischen Kultur zu stärken und einen neuen Blick auf authentische Orte, Persönlichkeiten und Entwicklungen zu eröffnen. Zum Präsidenten wählten die Anwesenden Prof. Dr.-Ing. Alexander von Kienlin, wissenschaftlicher Leiter der Bet Tfila- Forschungsstelle für jüdische Architektur an der Technischen Universität Braunschweig. Er beschreibt die Grundidee des Netzwerks als innovativ und herausragend, da auch die Perspektive der emigrierten deutschen Juden systematisch integriert werde. Durch den Zusammenschluss von Museen, Sammlungen, Forschungsinstituten, Initiativen, Gedenkstätten sowie interessierten Bürgern entsteht eines der international größten Cluster zu diesem Thema. „Ob Forschung, Dokumentation oder zeitgemäße Vermittlung – wir werden schon kurzfristig Projekte initiieren und umsetzen. Bereits in der kommenden Woche können wir Dr. Frank Mecklenburg vom renommierten Leo Baeck Institut aus New York zu einem öffentlichen Vortrag im Braunschweigischen Landesmuseum begrüßen“, freut sich von Kienlin über die Premiere des Netzwerks. Im neu gewählten Vereinsvorstand engagieren sich außer ihm Erik Homann (Bürgermeister der Stadt Seesen), Andreas Memmert (Bürgermeister der Gemeinde Schladen-Werla), Renate Wagner-Redding (Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Braunschweig), Gerhard Döpkens (Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Gifhorn-Wolfsburg), PD Dr. Cord- Friedrich Berghahn (TU Braunschweig / Präsident der Lessing Akademie, Wolfenbüttel) und Dr. Jörg Munzel (Leiter des Handlungsfeldes Freizeit, Allianz für die Region GmbH). Israel Jacobson, Namensgeber des Netzwerks, war im 19. Jahrhundert Vorkämpfer der Gleichberechtigung und religiösen Toleranz. Mit der Gründung der Jacobson-Schule und der weltweit ersten Reform-Synagoge in Seesen schuf Jacobson im Herzogtum Braunschweig eines der frühen und bedeutendsten Zentren aufgeklärter jüdischer Bildung. Bemerkenswert ist, dass an der Schule nicht nur jüdische sondern auch christliche Kinder unterrichtet wurden. Erik Homann, Bürgermeister der Stadt Seesen und Vize-Präsident des Netzwerks: „Israel Jacobson ist vielleicht der weltgeschichtlich wirkmächtigste Sohn der Region und doch außerhalb Seesens nahezu unbekannt. Das wollen wir mit dem Netzwerk ändern. Mit unseren Partnern werden wir Konzepte entwickeln, damit regionale authentische Orte nachvollziehbar und beispielgebend ihre Geschichte erzählen können.“

Auch PD Dr. Cord-Friedrich Berghahn bestätigt: „Die Geschichte der Deutschen und Juden ist auch eine der größten Freiheitsbewegungen, der Aufklärung, der Wissenschaft und der Bildung: Der Triumpf der Moderne! Wir befinden uns in einer zentralen Region der Aufklärung.“ Um die Bedeutung in der deutsch-jüdischen Kulturgeschichte zu vermitteln, ist die wichtigste Aufgabe des Netzwerks, die vielfältigen Institutionen und Initiativen der Region zu diesem Thema zu vernetzen. Erst durch die Bündelung der Kompetenzen gewinnen die einzelnen Standorte eine überregionale und internationale Strahlkraft und das Netzwerk wird Anlaufstelle für die Thematik innerhalb und außerhalb der Region. „Durch das Netzwerk werden erstmals auch die kleinen, versteckten Perlen außerhalb der großen Städte sichtbar. In Steinhorst, im Nordkreis Gifhorn, steht eine ehemalige jüdische Landwirtschaftsschule. Wir haben lange nach einem nachhaltigen Nutzungskonzept für das „Tessenow-Haus“ gesucht. Das Netzwerk schafft neue Perspektiven.“ Erläutert Gerhard Döpkens, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Gifhorn-Wolfsburg.

Für Dr. Jörg Munzel, Leiter des Handlungsfeldes Freizeit bei der Allianz für die Region GmbH, ist dieser einzigartige Zusammenschluss von Akteuren aus allen acht Gebietskörperschaften der Region Braunschweig-Wolfsburg beispielhaft für regionale Zusammenarbeit. „Das Netzwerk zeigt schon jetzt: Kulturelle Zusammenarbeit in der Region funktioniert und lohnt sich.“ Gemeinsam mit regionalen, nationalen und internationalen Partnern sollen beispielsweise Vorträge, Ausstellungen, Forschungsprojekte oder auch innovative Nachnutzungskonzepte für verschiedenste Orte initiiert, abgestimmt und gefördert werden.
Derzeit arbeiten Mitglieder des Netzwerks an einem Kulturreiseführer, mit dem die Region unter dem Aspekt jüdische Kultur erkundet werden kann. Dass die Region dabei einiges zu bieten hat, betont auch Andreas Memmert, Bürgermeister der Gemeinde Schladen-Werla, Schatzmeister: „Unser Ziel ist es, dieses reiche Erbe auch kulturtouristisch zu entwickeln.“

Aufgrund der Dimension und der Zielsetzung wird das Netzwerk politisch vom Auswärtigen Amt unterstützt. „Das Israel Jacobson Netzwerk ist eine großartige Chance, die gesamte Geschichte und Kultur von Juden und Deutschen an authentischen Orten darzustellen. Es ist eine Initiative „von unten“. Getragen von engagierten Bürgerinnen und Bürgern und unterschiedlichsten Institutionen. Dies ist für eine Region in Deutschland einzigartig.“, so Botschafter Dr. Felix Klein, der Beauftragte für Beziehungen zu jüdischen Organisationen im Auswärtigen Amt in Berlin. „Gerade in der jetzigen Zeit, in der wir mit neuen Formen des Antisemitismus konfrontiert sind, bettet sich das Projekt in hervorragender Weise in die Politik der Bundesregierung zur Förderung jüdischen Lebens in Deutschland und Europa ein. Daher wird das Auswärtige Amt das Projekt politisch unterstützen.“

Auch Renate Wagner-Redding, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde betont die Aktualität des Ansatzes: „Mit der Gründung des Israel Jacobson Netzwerks sehe ich die Möglichkeit einer umfassenden Wissensvermittlung von unterschiedlichen Aspekten des Judentums. Durch den innovativen
Ansatz können wir auch den heute in Deutschland lebenden Juden eine neue und positive Identität mit unserem Land vermitteln.“ Auch international findet sich Zustimmung in der jüdischen Welt. Dr. William H. Weitzer, Direktor des Leo Baeck Institutes in New York erklärt: „Der Ansatz des Projektes stimmt sehr gut mit unserem Ziel, die deutsch- jüdische Geschichte wiederzubeleben, überein. Es ist unser Anliegen, die im Leo Baeck Institute gesammelten Dokumente und Objekte und die Perspektive der deutschen Juden, besonders der Flüchtlinge der 30er Jahre, wieder in Deutschland bekannt zu machen. Wir sehen der Zusammenarbeit mit dem Israel Jacobson Netzwerk mit Freude entgegen.”

Die Geschäftsstelle des Vereins wird an der Technischen Universität (TU) Braunschweig angesiedelt. Für TU-Präsident Prof. Dr.-Ing. Jürgen Hesselbach ist die Gründung des Netzwerks ein bedeutender Schritt zur Erforschung und Vermittlung deutsch-jüdischer Kultur und Geschichte: „Das Netzwerk ist eine Bereicherung für die Forschungslandschaft. Mit unserer Kompetenz und den internationalen Partnerschaften, wie sie die Bet Tfila - Forschungsstelle für jüdische Architektur an der TU seit vielen Jahren pflegt, werden wir uns in diese einmalige Kooperation einbringen. Das Israel Jacobson Netzwerk ist das Niedersächsisches Forschungszentrum für Fahrzeugtechnik (NFF) in den Kulturwissenschaften.“


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