Braunschweig. Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum schlägt eine enge Kooperation Braunschweigs mit zwei weiteren internationalen Städten vor. Die Beschlussvorschläge, mit denen sich der Rat in seiner Sitzung am 22. November befassen wird, sehen vor, mit der zentralukrainischen Stadt Bila Tserkva eine Solidaritätspartnerschaft und mit der südafrikanischen Stadt Gqeberha, dem früheren Port Elizabeth, eine Städtepartnerschaft einzugehen. Das teilte die Stadt Braunschweig am Donnerstag mit.
"Internationale Solidarität und Zusammenarbeit sind in der gegenwärtigen geopolitischen Situation das Gebot der Stunde und wichtiger denn je", begründet der Oberbürgermeister seine Initiative. "Im Zeichen der Solidarität ist es der Stadt Braunschweig ein wichtiges Anliegen, die von Russland angegriffene Ukraine nicht nur kurzfristig nach Kräften zu unterstützen, sondern langfristig ausgerichtete freundschaftliche Beziehungen aufzubauen. Wir wollen daher der Stadt Bila Tserkva in der aktuellen Krisensituation helfen, aber auch bestehende Gemeinsamkeiten auf einer längerfristigen Basis ausbauen."
Hilfe in der Ukraine
Städtepartnerschaften sind förmliche, zeitlich und sachlich nicht begrenzte Partnerschaften, die auf einen Partnerschaftsvertrag beruhen. Der Begriff der Solidaritätspartnerschaft wurde durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bzw. die Servicestelle für Kommunen in der Einen Welt (SKEW) geprägt. Es handelt sich dabei um eine Städtekooperation mit der Absicht, zielgerichtete und bedarfsorientierte Hilfe in einer ukrainischen Kommune zu leisten. Viele deutsche Kommunen streben aktuell Solidaritätspartnerschaften mit ukrainischen Städten an. Die Wahl von Bila Tservka basiert auf einem Vorschlag der SKEW und wird von der ukrainischen Generalkonsulin Dr. Iryna Tybinka unterstützt. Eine zunächst mit der Stadt Ternopil erwogene Kooperation wurde nicht weiterverfolgt, da diese Stadt bereits mit mehreren deutschen Städten zusammenarbeitet.
Erste Kontakte schon geknüpft
Bila Tserkva zählt rund 220.000 Einwohnerinnen und Einwohner, liegt in der Oblast Kiew etwa 80 Kilometer südwestlich der Hauptstadt und hat noch keine deutsche Partnerstadt. Die Stadt ist ähnlich historisch gewachsen wie Braunschweig, mit einem historischen Stadtkern und einer Vielzahl von Wirtschaftsunternehmen (Papier- und Kunststofferzeugnisse, pharmazeutische Industrie, Lebensmittelverarbeitung, Produktion von Maschinen und Geräten, Möbelherstellung sowie Kreativwirtschaft). In Bila Tserkva gibt es eine agrarwissenschaftliche Universität, eine multidisziplinäre Bildungseinrichtung mit mehr als 5.500 ukrainischen und ausländischen Studierenden. Die Kulturlandschaft Bila Tserkvas ist mit dem dort ansässigen Kiewer Akademischen Regionaltheater von Sagsagansky, verschiedenen Museen, Kunst- und Kulturfestivals sowie vielen Parks und Gärten sehr lebendig und vielfältig.
Erste Kontakte mit der Bila Tserkva wurden bereits geknüpft. Die Stadt hat eine Bedarfsliste übersandt, bei der neben Geräten zur Energiegewinnung und Fahrzeugen aller Art auch Hilfsgüter wie Betten, Matratzen, Kissen, Decken, Schlafsäcke sowie Medikamente aufgelistet werden. Derzeit werden die Möglichkeiten zur Beschaffung dieser Hilfsgüter und der Medikamente sowie der Transport in die Ukraine bzw. an die polnisch-ukrainische Grenze geprüft.
Weg zur internationalen Vernetzung
Zugleich schlägt Dr. Kornblum eine Städtepartnerschaft mit Gqeberha in Südafrika vor. "Die Gemeinsamkeiten und das große Potenzial zur Schaffung von Synergien auf wirtschaftlicher, kultureller und wissenschaftlicher Ebene sprechen für einen Bund zwischen Gqeberha und Braunschweig", hebt der Oberbürgermeister hervor. "In Zeiten zunehmender Globalisierung und Urbanisierung tragen Städtepartnerschaften wesentlich zu internationaler Vernetzung und Zusammenarbeit bei, was den Bürgerinnen und Bürgern der jeweiligen Städte ebenso zugutekommt wie Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur."
Im September hatte eine Delegation des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport gemeinsam mit einer Delegation aus der südafrikanischen Provinz Eastern Cape Braunschweig besucht. Die südafrikanischen Delegationsmitglieder trugen bei dieser Gelegenheit den Wunsch nach einer Städtepartnerschaft mit einer Stadt in der südafrikanischen Region Eastern Cape an die Stadt Braunschweig heran. Das Innenministerium unterstützt eine solche Städtepartnerschaft.
Interessanter Wirtschaftsraum
Mit etwa 310.000 Einwohnerinnen und Einwohnern hat Gqeberha eine mit Braunschweig vergleichbare Größe. Die Stadt liegt in der Region Eastern Cape, der zweitgrößten von insgesamt neun. Für Südafrika ist Deutschland zweitwichtigster bilateraler Handelspartner; für Deutschland ist Südafrika mit einem Handelsvolumen von mehr als 15 Mrd. Euro der wichtigste Handelspartner auf dem afrikanischen Kontinent. Gqeberha sei ein wichtiger Wirtschaftsstandort (drittgrößter Hafen in Südafrika, Schwerpunkt der südafrikanischen Automobilindustrie, textilverarbeitende Industrie, Tourismus). In der Umgebung sind VW, General Motors, Ford, Continental, Johnson &Johnson und etliche andere Hersteller und Zulieferer angesiedelt, führt die Verwaltung als Gründe an.
Eine Anfrage bei der hiesigen IHK habe ergeben, dass viele Braunschweiger Unternehmen gerade Südafrika zukünftig als interessanten Wirtschaftsraum erschließen möchten. Einige Unternehmen unterhalten bereits Wirtschaftskontakte nach Südafrika. Die Stadt verfügt über eine sehr gute Infrastruktur (drittgrößter Seehafen Südafrikas, internationaler Flughafen, Verkehrs- und Schienenanbindung). Die Nelson Mandela Metropolitan University (NNMU) ist mit 25.000 Studierenden und sieben Fakultäten die größte Universität in Eastern Cape. Die NNMU kooperiert seit 1998 mit der Ostfalia Hochschule im Bereich der Fahrzeugtechnik. Eine Kooperation mit der TU Braunschweig wird aktuell im Bereich Erziehungswissenschaften angebahnt.
Gqeberha verfügt über eine reichhaltige Kulturszene. Es bestehen etliche Anknüpfungspunkte für einen Austausch auf kultureller Basis. Beispielsweise hat das städtischen Museum Interesse an einer institutionellen Zusammenarbeit mit zwei dortigen Museumshäusern. Kooperationen weiterer Institutionen sind denkbar. Die Stadt pflegt bislang sieben Städtepartnerschaften, darunter nur eine europäische (Göteborg).
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