Braunschweig. Seine Erkenntnisse könnten wegweisend sein für manche Restaurierungsprojekte: Jetzt wurde die Masterarbeit des Braunschweiger Bauingenieurwesen-Absolventen Julian Leonard Rudolph mit dem Förderpreis 2021 der Gesellschaft für Bautechnikgeschichte ausgezeichnet. Seine Thesis „Die Modellfigurengruppe der Braunschweiger Quadriga von 1890“ befasst sich mit historischen Verbindungstechniken für Kupferplatten bei Großplastiken und untersucht diese anhand der sogenannten „Seesener Quadriga“. Hierüber berichtet die TU Braunschweig in einer Pressemitteilung.
Die Arbeit von Julian Leonard Rudolph zeichnet aus, dass sie vergessene Techniken der Kupfermetallverarbeitung wiederentdeckt, historisch einordnet und erstmalig miteinander vergleicht. Im Mittelpunkt steht dabei die Verbindungstechnik der Braunschweiger Quadrigen des Schmiedemeisters Georg Howaldt, die er anhand der sogenannten „Seesener Quadriga“ untersucht. Sie ist eine verkleinerte Kopie der Skulptur, die für die Weltausstellung 1893 in Chicago, USA, von Howaldts Schüler Bode gebaut wurde. Dieser hatte bereits an der ersten Braunschweiger Quadriga mitgearbeitet. Die Seesener Quadriga stellt das letzte erhaltene Original nach der Technik Howaldts dar.
Verborgene Konstruktionsweise untersucht
„Das Institut für Bauwerkserhaltung und Tragwerk (ibt) untersuchte 2020 die Tragsicherheit einer skalierten Nachbildung der Braunschweiger Quadriga aus 1893. Dabei bearbeitete Herr Rudolph in seiner nun prämierten Masterarbeit in bemerkenswerter Eigeninitiative und fachlicher Tiefe die bautechnikgeschichtlichen Hintergründe, die auch für die Forschung an vielen ähnlichen Kunstwerken von Bedeutung sind. Das ibt gratuliert zu dieser mehr als verdienten Auszeichnung“, freut sich ibt-Leiter Professor Klaus Thiele. Und Nicole Parlow, Mitglied der Jury der Gesellschaft für Bautechnikgeschichte, hebt hervor: „Julian Rudolph schenkt mit seiner Arbeit den Metallblechplastiken, die bisher eher stiefmütterlich betrachtet wurden, besondere Beachtung, indem er auf die oft verborgene Konstruktionsweise eingeht.“
Die alte Technik ausprobiert
Ursprünglich wurden Großplastiken gegossen. Da dies aufgrund von Gewicht und Materialkosten nicht mehr wirtschaftlich war, ging man dazu über, Skulpturen aus Kupferplatten zu treiben, die häufig mit Nieten oder einer verschränkten Löttechnik auf einer Unterkonstruktion verknüpft wurden. Der Braunschweiger Georg Howaldt hatte für Großplastiken eine neue Fügetechnik entwickelt, bei der auf Kupferschienen die getriebenen Kupferbleche verschraubt wurden. Die Schraubungen wurden vorgebohrt mit Versenkung der Schraubköpfe. Die überstehenden Schraubenköpfe wurden anschließend abgefeilt, was eine ebene und glatte Oberfläche erzeugte, so dass die Lage der Kupferplatten nur aus der Nähe zu erkennen ist. Für seine Masterarbeit hat Rudolph in einer eigenen Versuchsreihe diese Verbindungen nach Vorlage der historischen Bauweise Howaldts nachgefertigt. Dabei wies er eine sehr starke Festigkeit der Nähte nach. Auf Grundlage dieser Versuchsreihe konnte die Standsicherheit der Figuren noch genauer in einem 3D-Modell nachgerechnet werden.
Figuren aus Kupferblechen
Die dabei gewonnenen Erkenntnisse über die verschiedenen Fügetechniken und deren Auswirkungen auf die Standfestigkeit können wegweisend sein für künftige Restaurierungsprojekte. Bei Großplastiken sind mitunter auch mehrere Fügetechniken der Kupferplatten parallel eingesetzt: So zeigte Rudolph bei einer Begehung des Hermann-Denkmals im Teutoburger Wald den dortigen Projektleitern eine Vielzahl von unterschiedlichen dort verwendeten Techniken.
Im Rahmen der Recherchen besuchte der Bauingenieur auch den Schmiedemeister Achim Kühn, einen der letzten, die Großplastiken aus Kupferblechen herstellen können. Kühn rekonstruierte in den 1970er Jahren Teile der Apollon-Streitwagengruppe und des Pegasus auf dem Berliner Schauspielhaus. Von ihm konnte Rudolph aus erster Hand erfahren, wie die riesigen Figuren aus Kupferblechen getrieben wurden und welche Schwierigkeiten dabei zu meistern waren.
Mittlerweile arbeitet Julian Leonard Rudolph in einem Braunschweiger Ingenieurbüro und ist dort auch viel in der Instandsetzung und im Denkmalschutz unterwegs. Der TU-Absolvent wird zukünftig insbesondere für den dortigen Prüfingenieur in der regelmäßigen Überprüfung der Standsicherheit an der jetzigen sogenannten Dritten Quadriga auf dem Braunschweiger Schloss im Einsatz sein.
Der Förderpreis der Gesellschaft für Bautechnikgeschichte
Mit dem alle zwei Jahre ausgelobten und mit 1.000 Euro dotierten Preis für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zeichnet die Gesellschaft herausragende Abschlussarbeiten eines Studiums sowie Dissertationen aus. Der Abschluss der Arbeiten darf zum Ende der Einreichungsfrist nicht länger als drei Jahre zurückliegen. Der Preisausschuss der Gesellschaft setzte sich in diesem Jahre aus den beiden Vorstandsvorsitzenden, Prof. Dr.-Ing. Stefan M. Holzer (Zürich) und Dr. Christoph Rauhut (Berlin), und drei von der Mitgliederversammlung bestimmten Mitgliedern, Prof. Dr. Andreas Kahlow (Potsdam), Dipl.-Ing. (FH) Nicole Parlow (Berlin) und assoz. Prof. Dr.-Ing. Christiane Weber (Innsbruck), zusammen.
In der 2013 gegründeten Gesellschaft für Bautechnikgeschichte sind derzeit rund 175 Architektinnen und Architekten, Bauingenieurinnen und Bauingenieure, Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger, sowie Architektur-, Technik-, Kunst- und Wissenschaftshistorikerinnen und -historiker zusammengeschlossen, die in Deutschland, Österreich und in der Schweiz an Hochschulen, in Büros und in Denkmalämtern tätig sind.
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