DDR-Schulbücher: Digitalisierung für die Forschung

Die Bücher sollen nicht nur vor dem Verfall gerettet werden, sondern auch der Forschung dienen.

Symbolbild.
Symbolbild. | Foto: via dts Nachrichtenagentur

Braunschweig. Die Forschungsbibliothek des Leibniz-Instituts für Bildungsmedien | Georg-Eckert-Institut (GEI) hat mit der Digitalisierung von rund 1.000 Schulbüchern aus der DDR begonnen. Im Fokus stehen Titel der Fächer Geschichte und Staatsbürgerkunde, die als zentrale Quellen für die Erforschung von Identitätsbildungsprozessen im Bildungssystem der DDR gelten. Das Projekt wird von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur gefördert und läuft bis Juli 2027. Darüber berichtet das Georg-Eckert-Institut in einer Pressemitteilung.



Schulbüchern kamen in der DDR als staatlich gesteuertem Massenmedium eine grundlegende Rolle bei der Durchsetzung der marxistisch-leninistischen Weltanschauung und einer staatlichen Identifikation zu. „Ihre Bedeutung“, erklärt Dr. Anke Hertling, die Leiterin der Forschungsbibliothek, „reichte deshalb über den Klassenraum hinaus bis weit in die Gesellschaft“. Mit dem einzigartigen digitalen Korpus im Umfang von rund 120.000 Seiten wird eine Quellengrundlage für Forschungen geschaffen, die auch mit digitalen Methoden Kontinuitäten und Diskontinuitäten bei der Entwicklung von Schulbuch- und Bildungsinhalten untersuchen können. Zentrale Fragen sind dabei unter anderem: Welche Themen prägten die schulische Bildung in der DDR? Wie veränderte sich die Darstellung bestimmter Inhalte im Verlauf der Jahre? Diesen und weiteren Fragestellungen werden sich Wissenschaftler am GEI künftig intensiv widmen.

Kulturerbe für nachfolgende Generationen


„Die Digitalisierung dient nicht nur der wissenschaftlichen Analyse, sondern auch der langfristigen Sicherung der stark gefährdeten physischen Bestände“, betont Dr. Anke Hertling. Wie anderes Archiv- und Bibliotheksgut aus der DDR ist die im GEI vorhandene vollständige Sammlung von DDR-Schulbüchern der geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächer von einem fortwährenden Abbau des Papiers betroffen. Aufgrund der minderen Papierqualität und des hohen Maßes an Papierversäuerung sind die Bücher stark verbräunt und das Papier ist durchweg sehr brüchig. Damit besteht für die Schulbücher der DDR wie auch vergleichbarer Bestände vor allem aus der Nachkriegszeit ein dringender Handlungsbedarf. Entsprechend der Möglichkeiten der aktuellen Urheberrechtsgesetzgebung (UrhG) werden mit der Digitalisierung die Inhalte der Schulbücher als Forschungsquellen und Kulturerbe für die nachfolgenden Generationen gesichert.

Entwicklung von neuen Unterrichtskonzepten


Für eine Förderung des Projekts ebenfalls ausschlaggebend war, dass das GEI die digitalisierten Quellen für die Entwicklung von neuen Unterrichtskonzepten nutzen wird. Dafür vermittelt das GEI Lehramtsstudierenden der Fächer Geschichte und Politik unter anderem an der TU Braunschweig Kompetenzen, die sie befähigen, sich kritisch mit digitalen Quellen und ideologiekritisch mit Schulbuch- und Bildungsinhalten aus der DDR auseinanderzusetzen. Die zukünftigen Lehrkräfte erwerben somit Fähigkeiten im Bereich der Critical Media und Data Literacy, die unverzichtbar sind, um Schüler*innen auch im Umgang mit aktueller Desinformation zu schulen.