"Die Demokratie braucht freie und starke Gewerkschaften"

von Robert Braumann


| Foto: Robert Braumann



Braunschweig. Bei einem Empfang in der Dornse des Altstadtrathauses ehrte Oberbürgermeister Ulrich Markurth zwei verdiente Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich rund um den Deutschen Gewerkschaftsbund und den Deutschen Beamten Bund verdient gemacht haben. Rund 150 Gäste folgten der Festrede des Oberbürgermeisters, in der er auch auf Bragida und den Streik der Beschäftigten im Bereich des Sozial- und Erziehungsdienstes einging. Die Arbeitssoziologin Prof. Dr. Nicole Mayer-Ahuja von der Georg-August-Universität Göttingen sprach zudem zum Thema "‘Ordentliche Arbeit‘ – ‚guter Job‘? Was Vorstellungen von einem Normalarbeitsverhältnis über Umbrüche in der Arbeitswelt aussagen".

Der Abend begann mit der Festrede des Oberbürgermeisters. Er sagte, in der heutigen Zeit würde es immer weniger traditionelle Arbeitsplätze geben. Man müsse daher umso mehr dafür kämpfen, neue qualitative Arbeit zu schaffen. Dafür lohne es sich einzustehen. "Die Demokratie braucht freie unabhängige Gewerkschaften", betonte Markurth in diesem Zusammenhang. In Bezug auf den Streik im Bereich des Sozial- und Erziehungsdienstes ergänzte er: "Wir werden gemeinsam zu entscheiden haben, was ist uns qualitative Arbeit in diesem Bereich wert?" Seine Meinung wäre aber auch, dass gerade in diesem Bereich das Fundament der Gesellschaft gelegt werden würde. Für die Forderungen der Gewerkschaft müsse aber ein zweistelliger Millionenbetrag für die Stadt anfallen. Deshalb müsse auch die Frage gestellt werden, wie alles bezahlt werden könne. Die Gewerkschaft ver.di erklärte die Tarifverhandlungen für die bundesweit 240 000 Erzieher und Sozialarbeiter am Montagabend für gescheitert und lässt seine Mitglieder über einen unbefristeten Streik abstimmen. Der könnte Ende nächster Woche anstehen. In Bezug auf die wöchentlichen Bragida-Demos sagte der Oberbürgermeister, dass man sich leider weiterhin mit ein paar Personen auseinandersetzen müsste, die der Meinung wären das Abendland verteidigen zu müssen. Zum Glück würden es aber immer weniger werden. Er lobte in diesem Zusammenhang die Gewerkschaften, die mithelfen würden, die Stadt nach außen hin weiter tolerant und weltoffen zu vertreten. Braunschweig würde auch dadurch als offen und international gesehen werden.

Ehrungen für Wirth und Naujok


Im Anschluss an die Festrede wurden Gertrud Wirth und Volker Naujok für ihre langjährige Arbeit in den Gewerkschaften und ihre vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten geehrt. Sie würden auch als Beispiel für die vielen Menschen stehen, die sich täglich in Deutschland für andere engagieren. Markurth sagte es wäre eine besondere Freude die Beiden auszeichnen zu dürfen, die er auch persönlich seit vielen Jahren kenne.

Utopie von guter Arbeit


Professorin Mayer-Ahuja beschloss den Festakt mit ihrer Rede und beschäftigte sich aus soziologischer Sicht mit dem Thema, in welcher Arbeitswelt wir uns eigentlich befinden würden. Von vielen würde eine Unübersichtlichkeit beklagt werden und normale Arbeitsplätze seien dem Abbau ausgesetzt, fasste die Professorin den Zustand zusammen. In diesem Zusammenhang stellte wurde die Frage gestellt, wie man normale Arbeit definieren könne. Statistisch würden dazu alle Stellen zählen, in denen Menschen mehr als 20 Wochenstunden arbeiten würden, die unbefristet angestellt wären und sich nicht in Leiharbeit befinden. Dabei würde keine Rolle spielen, ob diese Stelle zum Leben reichen würde, ob es einen Tarifvertrag gibt oder ob der Job einen krank macht. Rund 60 Prozent der Personen arbeiten in solchen Jobs, so die Soziologin. Das hieße, dass sich rund ein Drittel mit sehr prekären Arbeitsbedingungen auseinandersetzen müssten. Auch bei den anderen 60 Prozent gäbe es oftmals Problem. Zum Schluss ihrer Vortrages ging sie darauf ein, was sich Beschäftige eigentlich für ihre Anstellung wünschen würden. Dabei sei ein zentrales Merkmal, dass sich viele eine Vereinbarkeit von Arbeitszeit und Privatleben wünschen würden. Dazu Weiterbildungen, eine faire Bezahlung und Auszeiten. Diese Anliegen müsste man in Zukunft wieder diskutieren und endlich wieder eine Utopie von guter Arbeit entwickeln.


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