Ein Tanz wie Lego: Die Rückkehr des Lindy Hop

von Christina Balder




Braunschweig. In Dibbesdorf ist am 17. Mai 2014 die Zeit um ein paar Jahrzehnte zurückgedreht worden. Für ein paar Stunden ist der Braunschweiger Stadtteil der Ort, an dem man sein muss, wenn man Swing-Musik mag. Swing und Tänze wie Lindy Hop erleben seit einiger Zeit ein Revival. 


Stefan und Christina sind extra aus Hannover nach Dibbesdorf gekommen und müssen erst einmal suchen. Das Sowjethaus sieht von außen nicht so aus, aber es beherbergt am Samstagabend knapp 50 Menschen, die aussehen wie aus einer anderen Zeit, die Swing-Musik lieben und den ganzen Abend tanzen werden, bis sie erschöpft, verschwitzt und glücklich nach Hause fahren - manche bis nach Hannover.





Die meisten von ihnen tanzen Lindy Hop. Dabei ist Braunschweig eigentlich keine Hochburg dieses Tanzes. Regelmäßige Tanzveranstaltungen findet man eher in Hildesheim oder Hannover. Doch auch hier sollten Lindy Hopper auch mal loslegen dürfen, fand Tom Frey und organisierte die Party in Dibbesdorf, fast pünktlich zum 100. Geburtstag der Lindy Hop-Ikone Frankie Manning. „Wir hätten gerne, dass sich auch hier die Szene vergrößert und auch andere Partys veranstalten“, sagt Tom. Damit auch Neulinge den Einstieg finden, erklären zu Beginn Silke Großmann und ihr Mann Florian Großmann-Ruh in einem Crashkurs die Grundschritte und ein paar Figuren.


Silke und Florian haben über den Uni-Sport zum Lindy Hop gefunden. 2003 war das, in Braunschweig waren sie damit Exoten. Man tanzte sonst Latein oder Standard, Tänze mit einer ordentlichen Körperhaltung und klaren Regeln. „Das war auch mein Traum“, erzählt Silke: „die Dame im Ballkleid, mit aufrechter Haltung, elegant eben.“ Doch Florians Begeisterung war ansteckend, „und der Tanz macht süchtig“, sagt Silke.


Schnell entdeckte sie die Vorzüge, die der Lindy Hop gerade für Frauen hat. „Ich habe Freiheiten, darf mich ausdrücken“, erzählt sie. „Ich kann lustig sein oder extrem sexy oder selbstbewusst und ich kann meinen eigenen Stil entwickeln.“  Florian erzählt, er habe „zum ersten Mal das Gefühl gehabt, ich kann nicht angemeckert werden, weil ich falsche Schritte mache - Lindy Hop ist nicht wie Playmobil, wo du nur ein paar Figuren knicken kannst“, sagt er. „Er ist wie Lego: Aus kleinen Teilen kannst du alles immer wieder neu zusammensetzen.“





Vor zehn Jahren mussten Silke und Florian noch weit fahren, um bei Swing-Partys Lindy Hop zu tanzen: Köln, Frankfurt, Hamburg oder  Berlin waren die nächstgelegenen Städte. Zwar hatte 2001 Robbie Williams mit seinem ersten Swing-Album schon den Weg geebnet, doch es sollte noch ein wenig dauern, bis sich der Lindy Hop in Deutschland verbreitete und in den Großstädten getanzt wurde. In Deutschland legte 2006 Roger Cicero mit „Männersachen“ ein Swing-Album nach. Der Allgemeine Deutsche Tanzlehrerverband (ADTV) erkor Swing im Jahr 2008 zum Tanz des Jahres, auch das gab der Bewegung neuen Schub.


In Braunschweig lief es nicht so gut. „Wir mussten immer Werbung machen und am Ball bleiben“, sagt Florian. Studenten seien zwar sehr offen gegenüber dem Lindy Hop, und gerade in der Kunst- und Kulturszene ist der Tanz beliebt. „Aber diese Szene wird in Braunschweig nicht so gefördert, wie sie müsste“, sagt Tom. Es fehle an Orten, wo man einfach mal tanzen kann.


Das „Einfach mal tanzen“ macht aber viel aus. Lindy Hop sei im Grunde für jeden geeignet, der Spaß an Swing-Musik habe, finden Tom, Florian und Silke. Nicht einmal Rhythmusgefühl brauche man. „Das kommt dann schon mit der Zeit“, sagen sie. Dazu kommt das familiäre Miteinander. Niemand lacht die Anfänger aus, die sich gerade am Rand die Beine verknoten. Es gibt Hilfe, Tipps, „leihst du mir deinen Mann mal aus?“. Es braucht ein wenig Routine, um souverän vermeintliche Fehler wegzutanzen. Aber im Grunde gilt, was Silke sagt: „Falsch ist es nur, wenn es einem der Partner weh tut.“


Die nächste Möglichkeit, sich im Lindy Hop auszuprobieren ist übrigens der „Löwenlindy“ am 5. und 6. Juli in dem Räumen des BTSC. Dann gibt es Workshops für Anfänger und Fortgeschrittene mit internationalen Trainern.


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