Video

Einblicke in das Flüchtlingsheim – Eine Reportage

von Sina Rühland


| Foto: regionalHeute.de



Braunschweig. 3500 Menschen leben auf einem Areal, das eigentlich für 750 ausgelegt ist, und täglich kommen 150 neue Bewohner hinzu. Die meisten von ihnen sind aus Syrien und dem Irak geflüchtet. RegionalBraunschweig.de hat sich am Mittwoch auf dem Gelände der Niedersächsischen Erstaufnahmestelle in Kralenriede umgeschaut. 

Vor dem Eingang zur Landesaufnahmestelle (LAB) in Kralenriede: Ein Junge steht an jenem Tor, das alle Bewohner passieren müssen, wenn sie das Gelände betreten oder verlassen. Der Kleine umfasst die Gitterstäbe und winkt. Ein Wachmann schaut aus dem Pförtnerhäuschen und winkt zurück. Während wir vorne auf den LAB-Standortleiter Klaus Siems warten, kommen immer wieder Bewohner die Boeselagerstraße hoch. Sie melden sich bei dem Wachmann, zeigen ihre Heimausweise vor und öffnen ihre Einkaufstüten. Einer der Wachmänner erklärt, warum die Kontrolle nötig sei: "Auf dem Gelände herrscht ein striktes Alkoholverbot, deshalb schauen wir in die Tüten. Das klappt aber eigentlich immer ohne Probleme." Problematisch sei gelegentlich die Verständigung – wo mehr als 3000 Menschen leben, werden dementsprechend viele unterschiedliche Sprachen gesprochen. "Ich muss sagen, dass es mit der Kommunikation doch immer irgendwie funktioniert. Einer meldet sich immer, der zum Beispiel Arabisch kann. Die Bewohner kommen zu uns und bieten an, bei Bedarf zu dolmetschen", erzählt der Wachmann.

<a href= Mehre Container dienen aktuell als Unterbringungen. ">
Mehre Container dienen aktuell als Unterbringungen. Foto: Sina Rühland



Nachdem wir uns ausgewiesen haben, dürfen auch wir das Gelände betreten. Ein paar Kinder spielen auf dem Vorplatz, ein Mann hängt gerade seine nasse Hose zum Trockenen auf. Da er keine Wäscheleine in der Nähe zu haben scheint, nutzt er das Geländer des Wohn-Containers. Klaus Siems erklärt, dass diese Container, ebenso wie die Zelte, zurzeit gebraucht würden, um die Menschen irgendwie unterzubringen – die Aufnahmestelle sei, wie viele alle andere Stellen auch, überbelegt. "Hundert Menschen finden in diesem Komplex Platz. So bewohnen zwei Menschen etwa 12 Quadratmeter zusammen", erklärt er.

Waschen im Container


<a href= Container dienen auch als Sanitär-Anlagen. ">
Container dienen auch als Sanitär-Anlagen. Foto: Sina Rühland



Was einst eine Kaserne war, dient nun der temporären Unterbringung von Asylsuchenden. Dementsprechend aufgeteilt sind die Zimmer der Wohngebäude. "Wir haben keine separaten Wohnungen mit Bädern, sondern Zimmer und Sanitär-Anlagen, die gemeinschaftlich genutzt werden", sagt Siems. Dazu befinden sich auf dem Gelände Container, die zum Waschen genutzt werden und mobile Toilettenkabinen, die notdürftig mit Planen abgeschirmt sind.

Ebenfalls gemeinschaftlich genutzt, wird die städtische Turnhalle, die auf dem Gelände steht. Vor der Halle stapelt sich der Abfall in den Müllcontainern. Klaus Siems erklärt, dass die Abfuhr nach Bedarf käme und die Container entleere. Unser Weg führt uns weiter in die Turnhalle. Es herrscht ein reges Gewusel dort, denn gerade sind Mitarbeiter dabei, Kleiderspenden an die Bewohner zu verteilen. Als der Ansturm zu heftig wird, zieht der Mitarbeiter den Kleiderwagen ein Stück zurück und versucht den Andrang unter Kontrolle zu halten. Während sich einige Bewohner Kleidungsstücke aussuchen, fällt uns der Wäschehaufen auf, der neben der Tür liegt. Alles Kleidung, die Flüchtlinge dort gelassen hätten, erklärt Siems. Es sei Müll. "Die Menschen kommen hier mit einem vollen Koffer an und gehen auch wieder mit einem vollen Koffer. Die Kleidung, die sie auf der Reise getragen haben, lassen viele hier."

<a href= Der neue Spielplatz. ">
Der neue Spielplatz. Foto: Sina Rühland



Als wir wieder draußen sind, gehen wir an einem Spielplatz vorbei. Seit einiger Zeit haben die kleinen Bewohner die Möglichkeit, sich dort zu beschäftigen. Als wir auf dem Weg zum Fußballplatz sind, kommt uns ein Mann entgegen. Er hält einen Topf in der Hand. Darin befindet sich ein Ei und Pfeffer. Er versucht herauszufinden, ob wir Italienisch sprechen. Während wir darüber nachdenken, wo der Mann wohl herkommt, erklärt er uns, dass das Kantinen-Essen eine Katastrophe sei. Wir gehen weiter und bleiben vor einem Zelt stehen. Wir beobachten ein paar Männer, die auf Stühlen vor dem Zelt sitzen. Ein Mann legt ihnen Handtücher um den Hals und beginnt sie mit einem Messer zu rasieren.

Leben im (nassen) Zelt


<a href= Eines der Großzelte, in denen bis zu 160 Menschen untergebracht sind. ">
Eines der Großzelte, in denen bis zu 160 Menschen untergebracht sind. Foto: Sina Rühland



Wir fragen Klaus Siems, wie lange die Menschen noch in diesen Zelten ausharren müssen. Er erklärt: "Es ist wünschenswert, dass die Menschen aus den Zelten kommen. Jedoch ist es nicht absehbar, ob das in diesem Jahr noch passieren wird. Allerdings sind die Zelte winterfest und beheizbar." Insgesamt vier Großzelte mit einer Gesamtkapazität für zirka 750 Flüchtlinge befinden sich aktuell auf dem Gelände. Aufgrund der derzeitigen Flüchtlingssituation sind diese voll ausgelastet. Die Zelte sind in einzelne Wohneinheiten mit separatem Eingang getrennt. Pro Wohneinheit wohnen dort 40 bis 70 Menschen.

Als wir vor einem der Zelte stehen, kommen ein paar aufgeregte Bewohner herübergelaufen. Auf Englisch fragen sie Klaus Siems nach dem Zelt – es tropfe herein, rufen sie. Siems erklärt, dass man bereits die zuständige Firma kontaktiert hätte, er wüsste aber noch nicht, wann die Handwerker kämen. Wir folgen den Männern in ihr Zelt. Sie kommen aus Syrien, erklären sie – da sei es wärmer, als in Deutschland. Sie würden nachts hier frieren. Als sie uns einige Bettdecken zeigen, wissen wir auch warum. Einer der Männer schläft nur in Bettwäsche gewickelt – er sagt, er habe keine Bettdecke und würde nachts auch seine Jacke anlassen. Er erklärt uns, dass wir mal das Bett fühlen sollen – es ist nass. Kondenswasser und ein Loch im Dach lassen das Zelt und alles darin feucht werden. Während er davon berichtet, tropft es auf den Boden.

Was bringt der Winter?


Die größte Sorge der Bewohner gilt dem Europäischen Winter. „Viele wollen gar nicht hierbleiben, aber die aktuelle politische Lage in ihren Heimatländern zwingt sie dazu", sagt Klaus Siems. Er vermutet, dass die Zahl der Flüchtlinge im Winter abebben wird. "Der Grund dafür wird vermutlich die Kälte sein, wenn die Routen durch die Wetterbedingungen nicht mehr begehbar sind", sagt er.

Wenn er sich eines wünschen dürfte, sagt Siems, dann sei das mehr Platz und mehr Personal.

Standortleiter Klaus Siems erläutert die Situation vor Ort im Interview:


[audio wav="https://regionalheute.de/wp-content/uploads/2015/09/Klaus-Siems.wav"][/audio]


mehr News aus Braunschweig


Themen zu diesem Artikel


Abfall