Empörung über Herrenabend: So urteilt die Gleichstellungsbeauftragte

Für die einen ist es nur eine traditionelle Veranstaltung, für andere hingegen diskriminierend und herabsetzend. Jetzt äußerte sich die Gleichstellungsbeauftragte.

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Beim Herrenabend treffen sich männliche Vertreter der Braunschweiger Stadtgesellschaft. (Archiv, 2018)
Beim Herrenabend treffen sich männliche Vertreter der Braunschweiger Stadtgesellschaft. (Archiv, 2018) | Foto: regionalHeute.de

Braunschweig. Der Herrenabend des Technikervereins Braunschweig von 1887 hat in der Löwenstadt Tradition. Doch regelmäßig folgt Kritik an der Veranstaltung. So auch aktuell, angefeuert durch einen politischen Antrag von SPD und Grünen. Sie bezeichnen den Herrenabend als frauenfeindlich. Auch der DGB äußerte sich entsprechend. Doch was sagt eigentlich die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt dazu?



SPD und Grüne hatten einen Antrag eingebracht, über den nun in der kommenden Ratssitzung am morgigen 27. Juni debattiert werden soll. Gefordert wird, dass sich der Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum mit dem Technikerverein zusammensetzt und darauf hinwirkt, dass der Herrenabend angepasst werde. Frauen davon auszuschließen sei diskriminierend, das gesamte Konzept des Abends nicht mehr zeitgemäß.

Auch der Gewerkschaftsbund (DGB) hatte sich der Kritik angeschlossen: "Vielfalt sieht anders aus“. Der Technikerverein als Veranstalter verwies in einer Stellungnahme gegenüber regionalHeute.de auf den privaten Rahmen des Herrenabends. Es sei eine traditionelle Veranstaltung, oft werde allerdings der gemeinnützige Charakter außer Acht gelassen - der Verein setze sich sehr für das Wohl der Menschen ein, beispielsweise durch Stipendien für Männer und Frauen. Für den Verein ist klar: "Herrenabend bleibt Herrenabend".

Das sagt die Gleichstellungsbeauftragte


Zur Ratssitzung hat auch die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, Marion Lenz, eine Stellungnahme abgegeben. Diese zeichnet ein Bild der Veranstaltung, bei dem der Herrenabend nicht sehr gut wegkommt.

Geschlechtergetrennte Veranstaltungen seien nicht grundsätzlich abzulehnen, so leitet das Gleichstellungsreferat ein. Man müsse jedes Mal genau hinschauen, denn es sei wichtig, den Zweck und die Art und Weise der Durchführung der Veranstaltung zu betrachten. Veranstaltungen der Gleichstellungsbeauftragten beispielsweise, die sich zum Teil ausschließlich an Frauen richteten, dienten in der Regel dem Abbau von tatsächlich vorhandener Benachteiligung. Damit folgten solche Veranstaltungen dem Anspruch, der im Grundgesetz Artikel 3 folgendermaßen ausgeführt wird: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Laut Gleichstellungsreferat seien die Zahlen eindeutig: "Ob es um Geld, politischen Einfluss oder die Verteilung von Sorgearbeit geht, Frauen arbeiten mehr, haben aber deutlich weniger Geld und Einfluss." Dadurch seien Veranstaltungen, die dem Abbau dieser Benachteiligung dienen, angemessen.

Nacktbilder und sexistische Äußerungen


Das Urteil zum Herrenabend: Bei dieser Veranstaltung des Technikervereins ginge es "weder um den Abbau von Diskriminierung noch um ein harmloses, geselliges Beisammensein". Da Vertreter aus Politik und Verwaltung als Funktionsträger eingeladen werden, habe die Veranstaltung für die Stadtgesellschaft eine politische Relevanz.

"Zudem deuten viele Aussagen und Beschreibungen darauf hin, dass im Rahmen der Veranstaltungen wenig wertschätzend über Frauen gesprochen wird und eine sexistische Herabsetzung von Frauen ebenfalls zur Tradition der Herrenabende gehört. Die Abbildungen nackter Frauenkörper auf den Liederbüchern unterstreichen diesen Eindruck", so die Gleichstellungsbeauftragte.

Für eine moderne Stadtgesellschaft wie Braunschweig seien gesellschaftlich relevante Veranstaltungen auf einem solchen Niveau nicht wünschenswert und "glücklicherweise auch nicht üblich".

Teilnahme an Herrenabend nicht angemessen


In diesem Fall werde der Anspruch aus Artikel 3 GG („wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“), der für die gesamte Stadtverwaltung und auch deren Funktionsträger verpflichtend gelte, nicht angemessen umgesetzt, so das Gleichstellungsreferat. Auch die Handlungen der Stadtverwaltung und deren Funktionsträger müssen dem Anspruch genügen, auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Aus Sicht der Gleichstellungsbeauftragten entspricht die Teilnahme an dieser Veranstaltung und das zur Verfügung stellen von öffentlichen Liegenschaften diesem Anspruch nicht.

Häufig werde versucht, die Kritik an dieser Veranstaltung darauf zu reduzieren, dass „Frauen nicht eingeladen werden“, dann hieße es: "deshalb dürfte es überhaupt keine geschlechtergetrennten Veranstaltungen mehr geben". Diese Einschätzung sei aus Gleichstellungssicht nicht zutreffend: "Männer dürfen weiterhin gemeinsam essen, Frauen dürfen unter sich bleiben, wenn sie das möchten. Was hier in der Kritik steht, ist die diskriminierende und frauenfeindliche Verknüpfung mit Stadtpolitik und Wirtschaft."

Politik soll sich klar positionieren


"Wir wissen aus vielen Untersuchungen, dass sexistische Einstellungen in unserer Gesellschaft tief verankert sind und sich hierzu in Deutschland auch wenig positive Entwicklungen zeigen. Veranstaltungen in dieser Art und Weise reproduzieren diskriminierende Rollenstereotype und wirken einer Förderung der Geschlechtergerechtigkeit entgegen. Daher ist für mich als Gleichstellungsbeauftragte die Empörung von Funktionsträgerinnen berechtigt, und ich finde es sehr wichtig, wenn öffentliche Funktionsträger hier klar Position beziehen", so das Fazit der Gleichstellungsbeauftragten.

Es dürfte sicherlich eine spannende Diskussion werden, wenn der Antrag am morgigen Dienstag im Rat der Stadt zur Debatte steht. Auch interessant dürfte in diesem Zusammenhang die Position des Oberbürgermeisters werden: Stellt er sich hinter den traditionsreichen Herrenabend oder schließt er sich der Kritik an? Wie vielfältig soll Braunschweig sein?


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