Braunschweig. Ausgerechnet im Eintracht-Stadion haben am Samstag David McAllister und Jean-Claude Juncker Werbung für die Europawahl gemacht. Juncker, der Spitzenkandidat der konservativen Parteien in Europa für den Vorsitz der EU-Kommission, bekannte, seit den 1960er Jahren Fan von Eintracht Braunschweig zu sein. Für einen Konservativen überraschend forderte er Mindestlöhne für ganz Europa.
Seit langem trete er für einen Mindestlohn ein, sagte Jean-Claude Juncker. In seinem Heimatland Luxemburg gelte ein solcher seit Mitte der siebziger Jahre; heute liege er bei 11,50 Euro - "und das hat nicht zu Massenarmut und Hungersnöten geführt." Jedes Land müsse die Höhe aber selbst festlegen. Juncker forderte, Europa müsse ein Kontinent der sozialen Gerechtigkeit bleiben - und wo es das noch nicht sei, müsse es einer werden. Viele Bürger hätten das Gefühl, in Brüssel würden nur Banken gerettet, während an die Menschen niemand denke. Europa brauche die Arbeitnehmerschaft und es brauche auch den Mittelstand, um den sich die Politik intensiver kümmern müsse. Die soziale Dimension müsse stärker in den Mittelpunkt der europäischen Politik rücken.
Er pflichtete David McAllister bei, der in seiner Rede gefordert hatte, Europa dürfe sich nicht im "Klein-Klein" verlieren. "Europa kann und soll sich nicht mit der Normierung von Duschköpfen beschäftigen. Mir reicht es, wenn ich nass werde. Wie genau es in Bulgarien oder im Saarland tröpfelt, ist mir egal", sagte Juncker. "Wir verärgern und nerven die Menschen mit Überregulierung und Überbürokratisierung."
"Wir müssen aufhören, an allem Brüssel die Schuld zu geben"
Der Luxemburger, der fließend Deutsch spricht, kritisierte aber auch die Berichterstattung und auch die Äußerungen von Politikern über die Europäische Union. Diese konzentriere sich zu sehr auf die negativen Seiten. Juncker betonte die Errungenschaften der Europäischen Union und forderte, sich mehr auf die Stärken der EU zu besinnen. "Wenn wir über europäische Dinge weiterhin so reden wie bisher, müssen wir uns nicht wundern, wenn die Menschen nicht zur Wahl gehen", sagte er. Man müsse aufhören, an allem Brüssel die Schuld zu geben und stattdessen wieder lernen, stolz auf Europa zu sein. "Von Asien oder Afrika aus wirkt Europa plötzlich sehr schön. Dort beneidet man uns um den Frieden und die Wirtschaftskraft. Aber wenn ich in Luxemburg aus dem Flugzeug steige, bin ich wieder im Tal der Tränen."
Ohne die EU, sagte Juncker, wäre Europa ärmer, hätte mehr Schulden, Arbeitslose und mehr Inflation. Gerade angesichts aktueller Krisen müsse Europa mehr zusammenhalten. Kein einziges Land der EU könne im internationalen Wettbewerb alleine bestehen. "Zusammenstehen ist das Gebot der Stunde - nicht auseinanderdriften." Dei Vorstellung, einzelne Länder würden in Brüssel gegen andere gewinnen, sei grundfalsch. "Wenn in Europa einer siegt, siegen wir alle. Wenn einer verliert, verlieren wir alle. Ein Gegeneinander gibt es nicht." Kleinstaaterei könne nicht der europäische Weg sein.
Auch David McAllister, Spitzenkandidat der CDU zur Europawahl, mahnte zum Zusammenhalt. In politisch bewegten Zeiten gelte es, Kurs zu halten und Europa als Ort von Frieden und Freiheit zu verteidigen.
Juncker forderte außerdem eine größere Unabhängigkeit von russischer Energiezufuhr und sprach auch die europäische Flüchtlingspolitik an. Man könne hier nicht die Armut der ganzen Welt aufnehmen. "Aber wer in seiner Heimat verfolgt wird, muss in Europa Zuflucht finden". Man müsse allerdings untereinander ein System finden, finanziell solidarisch zu sein. Länder, die besonders viele Flüchtlinge aufnehmen, müssten besser unterstützt werden.
Beide Politiker betonten ihren Aufruf, am 25. Mai zur Wahl zu gehen. "Solange noch 125.000 Kinder täglich den Hungertod sterben, hat Europa seine Aufgabe in der Welt nicht erledigt", mahnte Juncker. David McAllister sagte: "Das einzige Rezept gegen Radikalinskis von ganz rechts und ganz links ist eine hohe Wahlbeteiligung."
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