Franziska Pester – Theaterscout und interkulturelle „Lustmacherin“

von kulturblog38.net




Braunschweig. Heute beginnt die Themenwoche Interkultur 2014. Was im Jahr 2012 als viertägiges Themenwochenende am Staatstheater Braunschweig begann, hat sich zu einem achttägigen Festival für Vielfalt und kulturelle Teilhabe gemausert.


Auf dem Programm stehen themenspezifische Schauspiel-, Tanz- und Musikprojekte sowie Lesungen, Ausstellungen und Workshops zum Mitmachen, das Ganze entweder kostenfrei oder zu Spezialpreisen. Mit Projekten wie "West Stadt Story" oder "#LoewenMaul" steht die Vielfalt von Stadt und Region im Fokus der Veranstaltung. Überregionales Highlight ist die erstmalige Slam-Zusammenkunft "Poetry Slam meets i,slam". Ein weiterer Festivalschwerpunkt ist das Thema kulturelle Teilhabe als Voraussetzung für regen Austausch und lebendige Vielfalt in Braunschweig. Zu diesem Zweck treten in diesem Jahr erstmals die "Interkulturellen Theaterscouts" auf den Plan, die Theaterprojekte gezielt nutzen, um Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft anzusprechen.





Wir haben mit Theaterscout Franziska Pester gesprochen, die zusammen mit Chefdramaturg Axel Preuß die „Interkulturellen Theaterscouts“ ins Leben gerufen hat. Franziska Pester hat an der HBK Braunschweig "Kunst in Aktion", Freie Kunst und Kunstvermittlung studiert und war in der Schlingensief-Klasse z.B. am Projekt Operndorf Afrika beteiligt. Nach dem Studium war sie zunächst am Berliner Hebbel-Theater, kam dann aber wieder nach Braunschweig zurück, um als Vermittlerin für Kunst und Performance u.a. für den Allgemeinen Konsumverein zu arbeiten.


Franziska, seit Anfang des Jahres bist du am Staatstheater als Konzert- und Theaterpädagogin angestellt. Konzert- und Theaterpädagogin - was heißt das eigentlich?


Franziska Pester: Die Konzertpädagogik ist relativ neu und an vielen Schauspielhäusern noch gar nicht vertreten. Ich vermittle nicht nur das Thema Schauspiel, sondern auch das Thema Musik. Dabei sehe ich mich selbst als "Lustmacher": Mit verschiedenen Aktionen versuche ich Schüler und junge Leute an Klassische Musik heranzuführen und dafür zu begeistern. Die Frage dabei ist, wie man verschiedensten Menschen Lust aufs Hören machen kann und ihnen die Berührungsangst vor der Klassischen Musik nimmt.


Wie gehst du dabei vor?


Franziska Pester: Hören tut ja erstmal jeder. Alles, was im Ohr ankommt, wird irgendwie wahrgenommen und löst etwas in mir aus. Das Problem ist, dass wir immer gleich ein Bild dazu haben möchten. Wir lassen uns häufig nicht darauf ein, die Bilder selbst beim Zuhören zu erzeugen. Um diese Hürde zu überwinden, zeige ich den Menschen, dass die Musik lebt. Die Moldau von Smetana ist halt nicht nur allgemein ein Stück zum Thema Wasser, sondern in gewisser Weise ein musikalisches Panorama der damaligen politischen und gesellschaftlichen Situation. Hier eröffnen sich die Parallelen zu den Lebenswelten von heute, hier kann man die Leute mitnehmen, hier kommt man ins Gespräch. Das finde ich superspannend und deswegen bin ich hier am Staatstheater.


Die "Interkulturellen Theaterscouts" sind dein Projekt zur Themenwoche Interkultur. Worum geht’s?





Franziska Pester: Axel Preuß und mir geht es darum, ausgehend vom Staatstheater ein neues Netzwerk zu schaffen, das sich an Menschen wendet, die interkulturelle Wurzeln haben – und die hat ja eigentlich jeder irgendwie, egal woher man kommt. Daher kann bei den "Interkulturellen Theaterscouts" auch jeder mitmachen, mit Migrationshintergrund und ohne, Jung und Alt, arm und reich. Aber im Mittelpunkt steht natürlich, von anderen Kulturen zu lernen und sich gegenseitig mitzunehmen, deshalb lautet unser Slogan auch „Nimm mich mit“. Ein tolles Beispiel hierfür ist z.B. das Projekt „Rapflektion“ von Rapper Carlos Utermöhlen und Klaus Gelhaar vom Tonstudio Löwenhertz, das Teil der heutigen Eröffnungsfeier ist.


Du bist selbst "Interkultureller Theaterscout". Wie sieht diese Tätigkeit aus?


Franziska Pester: Einerseits stehe ich im Kontakt mit Einrichtungen wie dem Büro für Migrationsfragen der Stadt Braunschweig und dem Haus der Kulturen Braunschweig e.V. Auf der anderen Seite spreche ich Leute auf der Straße und in Stadtteiltreffs direkt an und mache Werbung für das Projekt. Bisher gibt es sechs Interessierte, die sich als ehrenamtliche "Interkulturelle Theaterscouts" engagieren möchten. Wir treffen uns einmal im Monat, setzen uns mit Theaterleuten zusammen und verschaffen uns einen Blick hinter die Kulissen. Die Theaterscouts lernen z.B. Regisseure kennen und nehmen an Workshops, Diskussionen und Generalproben teil. Das Erfahrene wird danach vor dem eigenen kulturellen Hintergrund gemeinsam reflektiert, nach dem Motto: „Was ist eigentlich für euch Goethe?“ Das muss dann auch nicht Friede-Freude-Eierkuchen sein, da darf diskutiert und gestritten werden. Zunächst setzt sich der Scout also selbst mit dem Thema Theater auseinander – dadurch trägt er aber auch wieder etwas davon nach außen, in die eigene Community, in das eigene Viertel, in die eigene Familie, den eigenen Freundeskreis.


Sucht ihr noch weitere "Interkulturelle Theaterscouts"?


Franziska Pester: Auf jeden Fall! Unser Traum ist es, dass wir zum offiziellen Projektstart "Wir sind Braunschweig" am 27. März zwanzig ehrenamtliche Theaterscouts zusammenbekommen. Das ganze kostet nichts, man muss nur Zeit mitbringen und Lust und Mut zum Dialog. Wer Interesse hat, kann mir einfach eine Email schreiben (Kontakt s. unten). Wir treffen uns am 27. März um 15:00 Uhr am Bühneneingang des Großen Hauses.


Was erwartet die Teilnehmer zum Auftakt?


Franziska Pester: Kein Kandidaten-Casting, das ist schon mal klar (lacht). Es wird eine Art interkulturelles Speed-Dating geben, bei dem die Teilnehmer auf lockere Weise mit Theaterleuten in Kontakt kommen. Axel Preuß wird natürlich mit dabei sein, aber auch Petra Ulbrich vom Haus der Kulturen Braunschweig e.V. und einige andere mehr. Und keine Angst, wir machen das alle zum ersten Mal und sind genauso aufgeregt und gespannt, wie die Teilnehmer, die hoffentlich zahlreich am Start sein werden. Danach entscheiden wir gemeinsam, wie das Projekt in die nächste Runde geht. Mehr wird aber noch nicht verraten!


Franziska, vielen Dank für das Gespräch!


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Kontakt Franziska Pester: FranziskaPester@staatstheater-braunschweig.de


Titelbild: Charles Onyedieke


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