Braunschweig. Anlässlich des Tages der Arbeit am 1. Mai hat Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann bei einer Festveranstaltung am Montagabend, 28. April, in der Dornse des Altstadtrathauses vier verdiente Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für besonderes ehrenamtliches und gesellschaftliches Engagement ausgezeichnet. „Wir erkennen Ihre besonderen Leistungen für das Zusammenleben in unserer Stadt an, und wir möchten Ihnen hierfür stellvertretend für viele andere unseren Dank aussprechen“, sagte der OB.
In der Festrede, die der Oberbürgermeister im Blick auf seine zu Ende gehende Amtszeit bei der diesjährigen Arbeitnehmerehrung zum ersten Mal selbst hielt, richtete Dr. Hoffmann zunächst seinen persönlichen Dank an eine Reihe prominenter Gäste aus Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen. Stets sei es möglich gewesen, so der OB, trotz zumeist unterschiedlicher Meinungen vertrauensvoll miteinander zu reden und zusammenzuarbeiten.
Seine Ausführungen zu den Herausforderungen für die Zukunftsfähigkeit der Kommunen begann der Oberbürgermeister mit einer Analyse des jüngsten Tarifabschlusses für den öffentlichen Dienst. Das Ziel, Kaufkraft durch Einkommenszuwächse besonders in den unteren Gehaltsgruppen zu stärken, sei das eine. „Was aber die Zukunfts-fähigkeit des öffentlichen Dienstes betrifft, ist dieses Ergebnis nicht das richtige.“ Das Hauptproblem des öffentlichen Dienstes im Personalbereich bestehe mittlerweile darin, hochqualifizierte Fachkräfte, Spezialisten und Akademiker (Ingenieure, Ärzte, Juristen) für eine Verwaltungslaufbahn zu gewinnen. Dies habe nicht nur mit Demographie, sondern auch mit Bezahlung zu tun. Der OB: „Die Leistungsträger sind geneigt, in die Wirtschaft abzuwandern, weil sie dort mehr verdienen.“ Werde dieses strukturelle Problem nicht gelöst, sei die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes in Zukunft nicht gewährleistet, warnte der OB.
Was die Finanzausstattung der kommunalen Haushalte insgesamt angehe, warnte der OB davor, auf Hilfe von Bund oder Land zu hoffen. „Von den Kommunen wird viel erwartet, zum Beispiel bei der Kinderbetreuung, aber sie werden damit allein gelassen“, betonte Dr. Hoffmann. Die Möglichkeit, wie der Bund durch eine Mehrwertsteuererhöhung die Einnahmen auf einen Schlag erheblich zu vergrößern, hätten die Kommunen aber nicht.
„Was kann man da überhaupt tun? In den Kommunen solide wirtschaften – das ist das Mindeste“, unterstrich der OB. „Wir in Braunschweig haben das zum Glück getan, sind finanziell gut aufgestellt, haben leistungsfähige Unternehmen am Ort, aber in vielen anderen Kommunen etwa in Nordrhein-Westfalen sieht das ganz anders aus.“ Aber auch wer seine Hausaufgaben mache, könne sich nicht von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abkoppeln. Länder wie China holten auf, und noch nie in der Geschichte habe ein Land dauerhaft an der Spitze des Wohlstands der Länder gestanden. Die Eurokrise sei nur aufgeschoben, die Globalisierung eröffne Chancen wie Risiken, und mit besonderer Sorge beobachte er die Entwicklung in der Ukraine, sagte der OB. „Wir haben zwar weniger Sorgen als andere, aber wir sind Teil des Ganzen.“
„Nur ausgeben, was man einnimmt“ müsse deshalb die grundsätzliche Leitlinie kommunaler Haushaltspolitik sein und bleiben. Rücklagen im Stadtsäckel, wie sie Braunschweig durch kluges Haushalten in den vergangenen Jahren in Höhe von rund 200 Millionen Euro erwirtschaftet hat, müssten Krisenzeiten vorbehalten bleiben und dürften nicht für irgendwelche Wünsche veraus-gabt werden, betonte der OB.
Im Blick auf die Debatte um eine Gebiets- und Verwaltungsreform wies Oberbürgermeister Dr. Hoffmann darauf hin, dass die Idee, regional enger zusammenzuarbeiten, zuerst auf gewerkschaftlicher Basis angestoßen worden sei, noch bevor er selbst der Regionsdebatte eine verwaltungsrechtliche Form gegeben habe. Wichtig seien auch zukunftsfähige Strukturen. Die fehlten in der Region Braunschweig. Hoffmann rief daher die Gewerkschaften wie auch die Wirtschaft dazu auf, in der Frage einer Neuordnung unseres Wirtschaftsraumes nicht locker zu lassen. Die vermeintlichen Argumente dagegen seien allesamt widerlegt, insbesondere das von der angeblichen „Braunschweiger Dominanz“. Braunschweig würde nur rund ein Viertel der Bevölkerung dieser Region stellen; Mehrheiten gegen Braunschweig seien also in einem Regionalparlament viel wahrscheinlicher.
Es gebe gleichwohl keinen Grund, pessimistisch zu sein, schloss der Oberbürgermeister. „Unsere Region ist gut aufgestellt durch sehr leistungsfähige Betriebe, Braunschweig steht finanziell sehr gut da, und unsere Region profitiert wie wohl keine andere von der in der hiesigen Wirtschaft praktizierten Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.“ Viele tüchtige Mittelständler und der exzellente Volkswagenkonzern sorgten für eine hervorragend aufgestellte Wirtschaft. Starke, zukunftsfähige Kommunal- und Verwaltungsstrukturen müssten den starken Wirtschaftsstrukturen entsprechen – „dann werden wir auch die Zukunft meistern können.“
Folgende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zeichnete der OB aus: Marianne Wöhlke, im Fachbereich Kinder, Jugend und Familie der Stadt Braunschweig für die Jugendhilfeplanung verant-wortlich, war im Rahmen ihres gewerkschaftlichen Engagements unter anderem Mitglied der Großen Tarifkommission der ÖTV und später Vorsitzende der Gründungskonferenz der ver.di-Bezirksverwaltung Braunschweig Umland und organisierte maßgeblich den Prozess des Zusammenwachsens der ver.di-Gründungsgewerkschaften. Rolf-Artur Dommel-Rustenbach war gewerkschaftliches Mitglied der Tarifkommission des Kfz-Handwerks Niedersachsen und gehörte bis zu diesem April dem Gesamt-betriebsrat der Daimler AG an. Darüber hinaus war er ehrenamtlicher Richter beim Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht.
Uwe Lagosky vertrat als Betriebsrats-, später als Konzernbetriebsratsvorsitzender von BS|Energy die Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und und begleitete intensiv den Umstrukturierungsprozess der Stadtwerke. Lagosky wirkte im Bundesfachausschuss von ver.di dabei mit, Tarifverträge für Versorgungsbetriebe mit insgesamt 120.000 Beschäftigten auszuhandeln. Zudem en-gagiert er sich in der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) und wurde 2013 für den Wahlkreis Salzgitter-Wolfenbüttel in den Bundestag gewählt. Andreas Thies, Beamter der Stadt Braunschweig, regte im Rahmen seines Einsatzes für Menschen mit Einschränkungen bei der Stadtverwaltung die Initiative „X plus1“ an (je Ausbildungsplatz einen Ausbildungsplatz für Menschen mit Einschränkungen), die seit zehn Jahren umgesetzt wird.
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