Braunschweig. Man sieht sie immer wieder im Stadtbild: herrenlose Einkaufswagen, die offenbar an einem Supermarkt entwendet und dann irgendwo in der Öffentlichkeit abgestellt wurden. Doch wer kümmert sich letztlich darum, dass die Wagen wieder verschwinden? Geht von ihnen eine Unfallgefahr aus? Und was sagen die Supermärkte? regionalHeute.de ging der Sache einmal nach.
Im Zusammenhang mit der zugemüllten Containerstation am Hungerkamp (regionalHeute.de berichtete) teilte uns Ratsherr Thorsten Wendt mit, dass dort auch einige Einkaufswagen abgestellt wurden. Im Gegensatz zum restlichen Müll, der tatsächlich entsorgt worden sei, hätten die Einkaufswagen auch noch eine Woche später dort gestanden. Die Stadt Braunschweig habe ihm mitgeteilt, dass im Falle von Einkaufswagen im öffentlichen Raum ALBA Kontakt zu den jeweiligen Marktleitern aufnehme. Diese müssten dann die Einkaufswagen im Rahmen einer gesetzten Frist einsammeln. Andernfalls würden die Wagen auf Kosten des Eigentümers durch die ALBA Braunschweig GmbH entsorgt.
Dieses Vorgehen wird auf Presseanfrage weder durch die Stadt noch durch ALBA konkret bestätigt. Seitens ALBA heißt es ganz allgemein: "Die ALBA Braunschweig GmbH sammelt sämtliche illegalen Ablagerungen ein. Wir erfahren von diesen Ablagerungen überwiegend aufgrund von Bürgermeldungen an den Kundenservice. Bekannte Brennpunktstationen - wie zum Beispiel der Hungerkamp - sind zudem Bestandteil der wöchentlichen Tourenplanung der Sonderreinigungskolonnen und werden automatisch regelmäßig angefahren." Die Pressestelle der Stadt schreibt lediglich: "Hinweise können zunächst dem jeweiligen Supermarkt gegeben werden, wenn sich der Fundort in der Nähe befindet. Ansonsten wäre ALBA zu benachrichtigen, wie üblich bei größeren illegalen Müllablagerungen im öffentlichen Raum."
Stadt und Polizei sehen kein größeres Problem
Entwendete Einkaufswagen seien laut Stadt bisher in Braunschweig kein großes Thema. Auf ein mögliches Unfallrisiko angesprochen heißt es: "Alles, was im öffentlichen Raum widerrechtlich abgestellt wird, kann natürlich eine Unfallgefahr darstellen." Auch bei der Polizei gibt es keine allgemein gültigen Handlungsanweisungen. "Wenn eine konkrete Gefahr von einem abgestellten Wagen ausgeht, greifen wir natürlich ein", erklärt Dirk Oppermann, Pressesprecher der Polizeiinspektion Braunschweig, im Gespräch mit regionalHeute.de. Ansonsten sei es den jeweiligen Polizisten überlassen, wie sie auf einen herrenlosen Einkaufswagen reagieren. Den entsprechenden Markt zu informieren oder gar den Wagen selbst zurückzubringen sei jedenfalls keine Pflicht. Wenn ein Markt eine Anzeige stelle, werde dem natürlich nachgegangen. Dies komme aber höchst selten vor. Daher gebe es auch keine Fallzahlen. Allgemein stelle dieses Problem keinen Schwerpunkt für die Polizei dar.
"Die meisten Einkaufswagen sind bald wieder da"
Dass in der Regel auf eine Anzeige verzichtet wird, bestätigt auch die EDEKA Minden-Hannover Stiftung. "Es ist schwierig festzustellen, wann und an welchem Markt der Wagen abhandengekommen ist, weil der aufgefundene Einkaufswagen aufgrund des einheitlichen EDEKA-Designs nicht immer eindeutig einem Markt zugeordnet werden kann. Dies macht auch eine Strafanzeige schwierig", erklärt Julia Katharina Simon. Es gebe immer wieder Situationen, in denen herrenlose Einkaufswagen gemeldet würden. Diese würden dann wieder eingesammelt. "In der Regel findet an den Märkten jedoch keine tägliche Inventur statt. Größere Diebstähle sind uns nicht bekannt, die meisten Einkaufswagen sind bereits am nächsten Tag oder bei nächster Gelegenheit wieder am Markt - somit können wir auch keine größeren Verluste oder Schäden feststellen", so Simon.
Auch für Rewe ist die Zweckentfremdung von Einkaufswagen kein relevantes Problem. "Rewe ist eine dezentrale Genossenschaft. Die Neuanschaffung von Einkaufswagen wird also nicht unternehmensübergreifend erfasst. Vor allem nicht die Gründe für den Ersatz, also ob Verlust oder Verschleiß oder sonstiges die Ursache sind", erklärt Pressesprecher Thomas Bonrath. Über die Jahre habe es sich bewährt, dass man herrenlose Einkaufswagen abhole, sobald man beispielsweise von Anwohnern oder Kunden informiert werde. "Auch aus Respekt vor der Mehrheit der Kunden, die die Einkaufswagen nicht zweckentfremden, verzichten wir auf technische Lösungen wie etwa komplizierte Wegfahrsperren", betont Bonrath.
Lidl setzt auf Wegfahrsperren
Bei Lidl sieht man das offenbar anders. "Um zu verhindern, dass Einkaufswagen von unseren Grundstücken gefahren werden, setzen wir an vereinzelten Filialen eine Einkaufswagensperre ein. Bei dieser technischen Lösung blockiert eine Magnet- oder Induktionsschleife beim Verlassen eines festgelegten Bereichs die Räder an den Einkaufswagen", erklärt Diana Zvicer-Senolan aus der Pressestelle Lidl Deutschland. Angaben zu Diebstahlzahlen und Schadenssummen mache man grundsätzlich nicht. "Sollten wir durch Kunden oder eigene Beobachtungen auf Einkaufswagen unseres Unternehmens außerhalb unserer Filialgrundstücke aufmerksam werden, sorgen wir dafür, diese schnell und unbürokratisch zurückzuführen", so Zvicer-Senolan.
Auch bei real sind die Einkaufswagen in einzelnen Märkten durch eine Wegfahrsperre gesichert. "Diese aktiviert sich, wenn der Wagen außerhalb eines bestimmten Bereiches gefahren wird", erklärt Sybille Rotondo aus dem Bereich Unternehmenskommunikation der real GmbH. Bislang stelle der Diebstahl von Einkaufswagen kein größeres Problem dar. Zwar kämen im Jahr einige Einkaufswagen - zumindest zeitweise – abhanden, doch der überwiegende Teil der Kunden nutze die Wagen so wie vorgesehen und bringe sie am Ende des Einkaufs durch das Münzsystem auch wieder zurück.
"Kein Kavaliersdelikt"
Das Entfernen eines Einkaufswagens vom Unternehmensgelände sei den Kunden untersagt. "Die Nutzung außerhalb des Geländes stellt auch keinen Kavaliersdelikt dar, da es sich bei den Einkaufswagen um Eigentum der real GmbH handelt. Es handelt sich also um Diebstahl, den wir selbstverständlich zur Anzeige bringen, wenn ein Einkaufswagen ohne unsere Erlaubnis von unserem Firmengelände entfernt wurde", betont Sybille Rotondo. Die Mitarbeiter kontrollierten den Bestand regelmäßig. Auch die Rückholung der Einkaufswagen erfolge – sehr zeitaufwendig – durch diese Mitarbeiter. "Genaue Zahlen über entwendete beziehungsweise außerhalb des real-Geländes wieder abgestellte Einkaufswagen liegen uns nicht vor, daher lässt sich der wirtschaftliche Schaden nicht genau benennen", so Rotondo abschließend.
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