Braunschweig. Ende 2015 nahm das Städtische Klinikum Braunschweig als fünftes Zentrum deutschlandweit seine Herzklappenbank in Betrieb. "In Braunschweig bieten wir die erste Herzklappenbank an einer nicht-universitären Einrichtung an", freut sich Geschäftsführer Dr. Andreas Goepfert über die erste Herzklappenbank in Niedersachsen.
Chefarzt Dr. Henk Garritsen blickt auf einen umfangreichen Genehmigungsprozess zurück "Die Herstellungserlaubnis zur Aufbereitung menschlicher Herzklappen erteilte das Gewerbeaufsichtsamt nach aufwendigen Überprüfungen und entsprechend den Vorgaben des Gewebegesetzes." Der Leiter des Institutes für Klinische Transfusionsmedizin darf nun mit seinem Team menschliche Herzklappen und Gefäße aufbereiten.
Die kardiovaskuläre Gewebebank Braunschweig wird in enger Kooperation mit der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie (Chefarzt Privatdozent Dr. Wolfgang Harringer) vor Ort und der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) betrieben. "Unser Ziel ist die qualitätsgesicherte, transparente und kostengünstige Bereitstellung von Herzklappen und Gefäßen, um die vielen wartenden Patienten in Braunschweig und der Region noch besser mit Herzklappen versorgen zu können" freut sich der Ärztliche Direktor Dr. Thomas Bartkiewicz über den Start der Herzklappenbank.
Menschliche Herzklappen sind sehr elastisch und widerstandsfähig. Sie können auch dort eingenäht werden, wo bereits Gewebe um die vorhandenen defekten Herzklappen zerstört ist", erklärt PD Dr. Wolfgang Harringer. Die Patienten der Braunschweiger Herzchirurgie profitieren von der Herzklappenbank vor Ort, weil Herzklappen und Gefäßtransplantate direkt im Haus schneller verfügbar sind. Ende November 2015 erhielt die Gewebebank die Herstellungserlaubnis für die Herstellung von Herzklappen und Blutgefäßen, nach den §§20 b und 20 c Arzneimittelgesetz (AMG). Organe retten Leben, Gewebe machen das Leben wieder lebenswert. Dies ist stark vereinfacht die Erklärung, warum jährlich rund 3500 Organe, aber Zehntausende von Gewebespenden für kranke oder verletzte Menschen transplantiert werden. "Wir dürfen nicht vergessen, dass jedes Transplantat ein Mensch gespendet hat", sagt Martin Börgel, Geschäftsführer der gemeinnützigen DGFG. Jedes Gewebe sei rechtlich ein Arzneimittel, menschlich ein Geschenk ans Leben. Der Bedarf an Herzklappen und Blutgefäßen wird in Deutschland auf je rund 500 Präparate pro Jahr geschätzt. Menschliche Herzklappen weisen gegenüber künstlichen Prothesen große Vorteile auf. Notwendig wird eine Transplantation bei Herzklappenerkrankungen. Die Hauptindikation einer Transplantation von Herzklappen bzw. Blutgefäßen ist der Ersatz infizierter Kunststoffprothesen im Bereich der Aorta und der großen Körperarterien. Diese Transplantationen sind oft Notfall-Operationen und retten das Leben der Patienten. Als Spender kommen Verstorbene in Frage, deren Zustimmung vorliegt, deren komplettes Herz aber zur Transplantation nicht geeignet ist. Da aber die Organspenden zurückgehen, schrumpfen auch die Spenderzahlen bei den Herzklappen. Eine zweite große Spendergruppe sind Transplantationspatienten, deren Herz entnommen und gegen ein gesundes Herz getauscht wurde. Bei den entnommenen Herzen sind die Herzklappen im Gegensatz zum Herzmuskel oft noch völlig funktionstüchtig. Die Versorgung mit Gewebetransplantaten erfolgt EU weit.
Das Verfahren
Die Herzklappen aus Spenderherzen und Blutgefäße werden unter sterilen Reinraumbedingungen mit ständiger Partikel- und Keimüberwachung präpariert. Die Klappen werden 24 Stunden in Antibiotika gelagert und anschließend computergesteuert in einer Gefrierlösung linear auf minus 90 Grad Celsius gekühlt. Nach 90 Minuten werden die Präparate bei ca. minus 140 Grad Celsius in der Gasphase über flüssigem Stickstoff gelagert. In diesem Milieu sind sie fünf Jahre haltbar.
Die Vorschriften
Die EU-Richtlinien für die Gewebespende (Herzklappen und Blutgefäße) wurden 2007 mit dem Gewebegesetz im deutschen Arzneimittelgesetz (AMG) und Transplantationsgesetz (TPG) umgesetzt. Hier sind die formal juristische Vorgehensweise (Spenderverfügung, Einwilligung, Zustimmung einer dem Spender nahe stehenden Person) sowie die Genehmigungen für die Aufbereitung in der Gewebebank festgelegt. Die DGFG verfügt über alle Genehmigungen, um bundesweit Gewebespenden zu koordinieren. Sie arbeitet mit Spendekliniken, Gewebebanken und Transplantationszentren in ganz Deutschland zusammen.
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