Braunschweig. Ein schwerwiegender Fall von Korruption in 140 Fällen soll sich zwischen 2012 und November 2015 im Braunschweiger Rathaus ereignet haben. Ein 66-jähriger Mitarbeiter der Stadt soll demnach ein Abkommen mit zwei Spielhallenbetreibern getroffen haben - diese konnten so weniger Vergnügungssteuer an die Stadt abführen und der Mitarbeiter erhielt dafür Schmiergeld - insgesamt 86.392,72 Euro. Der Stadt entstand durch die Steuerhinterziehung ein Schaden in Höhe von 721.608,68 Euro. Der Bund der Steuerzahler fordert nun eine Stellungnahme von Oberbürgermeister Ulrich Markurth, wie es dazu kommen konnte. Das Schreiben liegt regionalHeute.de vor.
Gegen die beiden Spielhallenbetreiber wurde der Prozess bereits eröffnet (regionalHeute.de berichtete). Bereits im Februar hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig Anklage gegen den 66-jährigen Deutschen aus der Nähe von Cuxhaven wegen Untreue und Bestechlichkeit, jeweils im besonders schweren Fall, vor dem Landgericht Braunschweig erhoben. Der Prozesstermin für den 66-jährigen ehemaligen Mitarbeiter der Stadt stehe nach Angaben der Staatsanwaltschaft jedoch noch nicht fest.
Heftige Freiheitsstrafen drohen
Für die 140 Untreuetaten im besonders schweren Fall drohen dem 66-Jährigen jeweils Freiheitsstrafen zwischen 6 Monaten und 10 Jahren, für die 8 Fälle der Bestechlichkeit im besonders schweren Fall, Freiheitsstrafen zwischen 3 Monaten und 5 Jahren. Der Fall, so erklärt die Staatsanwaltschaft, sei wegen der gewerbsmäßigen Begehungsweise als besonders schwer anzusehen. Zudem sei der Mann in der Vergangenheit bereits wegen Geldwäsche zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Er hat sich zu den Vorwürfen bislang nicht eingelassen. Als seine Taten aufflogen, wurde der Beschuldigte vom 9. November 2015 vom Dienst suspendiert und zum 1. Januar 2016 pensioniert.
Der Angeschuldigte war zur Tatzeit Mitarbeiter der Braunschweiger Stadtverwaltung. Als solcher war er als Sachbearbeiter für die Veranlagung der Spielhallenbetreiber zur Vergnügungssteuer zuständig. Seine Aufgabe war es, die von den Spielhallenbetreibern jeden Monat abzuliefernden Auslesestreifen aus den Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit mit der Vergnügungssteueranmeldung abzugleichen und den auf den Auslesestreifen angegebenen Gewinn in eine Datenbank einzupflegen. Auf dieser Grundlage berechnete das Programm die fällige Vergnügungssteuer. Bis zum 31. März 2012 wurden die Einspielergebnisse mit 12 Prozent und ab dem 1. April 2012 mit 20 Prozent besteuert.
Millionenbeträge wurden nicht erfasst
In 140 Fällen zwischen Januar 2012 und November 2015 traf der Angeschuldigte mit den steuerpflichtigen Spielhallenbetreibern bzw. Automatenaufstellern eine Übereinkunft, wonach er die Einspielergebnisse aus den Spielgeräten nicht ordnungsgemäß erfasste und damit die Vergnügungssteuer zu niedrig festsetzte. Zum Beispiel glich er die Vergnügungssteueranmeldung der Steuerpflichtigen nicht mit den Beträgen auf den Auslesestreifen ab, sodass die falsch erklärten Summen in die Datenbank übernommen wurden, kürzte selbständig die eingespielten Beträge oder erfasste sie gar nicht, teilweise fügte er den Beträgen ein negatives Vorzeichen hinzu. Auf diese Weise wurden vom Angeschuldigten Einspielergebnisse in einer Größenordnung von insgesamt 3.644.441,24 Euro nicht erfasst, was zu einer Steuerverkürzung von 721.608,68 Euro führte. Im Gegenzug verlangte der Angeschuldigte von den Betreibern diverse Bargeldbeträge, die ihm auch gezahlt wurden. Der Angeschuldigte hat durch die Bestechung insgesamt 86.392,72 Euro erlangt. In dieser Höhe soll daher die bei dem 66-Jährigen nun gepfändet werden.
Bund der Steuerzahler fragt nach Gründen
Der Bund der Steuerzahler will über den Fall berichten und fordert eine Stellungnahme der Stadt Braunschweig. Darin wird unter anderem gefragt, wann und auf welche Weise der Verwaltungsspitze der Fall bekannt geworden sei. Weiterhin werden Fragen zur Suspendierung und Pensionierung des Mannes gestellt. So sei unklar, ob die Pensionierung wegen einer möglicherweise schweren Straftat unter Vorbehalt erfolgt sei und ob eine Suspendierung unter Kürzung des Beamtengehaltes nicht bis zum Ende des Strafverfahrens hätte erfolgen können.
Den Bock zum Gärtner gemacht?
Weiterhin skeptisch ist der Bund der Steuerzahler bei der Vorstrafe wegen Geldwäsche: "Wieso konnte der frühere Sachbearbeiter angesichts der 'Vorgeschichte' über Jahre hinweg allein für die Veranlagung der Spielhallenbetreiber zur Vergnügungssteuer zuständig sein? Hat die Stadtverwaltung Braunschweig letztlich 'den Bock zum Gärtner' gemacht?"
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