Am 20. Spieltag der Zweitligasaison 2012/2013 war der damalige Tabellenführer Eintracht Braunschweig letzmals zu Gast beim SC Paderborn. Der Kölner Eintracht-Fan Holger Hoeck berichtet, wie ihm dort am ersten Spieltag nach der Winterpause geschah.
Ostwestfälische Polizeiwillkür
Paderborn ist eine schöne Stadt. Wunderbare Sehenswürdigkeiten warten auf den Besucher der ostwestfälischen Metropole südlich von Bielefeld. Die bereits im Jahre 1017 erbaute Bartholomäuskapelle ist ebenso einen Besuch wert wie der Dom, das dreigiebelige Rathaus, das "Adam-und-Eva-Haus" oder die vielen prächtigen Fachwerkhäuser.
Blöd nur, wenn der Paderborn-Besucher diese touristischen Attraktionen an einem Heimspieltag des lokal führenden Fußballvereins, mit gleichzeitiger Anreise zahlloser Gästefans, besichtigen möchte. Erst recht blöd, falls die Ankunft dann auch noch parallel mit diesen per Sonderzug angereisten Fans am Bahnhof erfolgt. Dann gibt’s Sightseeing der besonderen Art: In Schwarz gekleidete, staatlich verbeamtete und zu Hunderten erschienene Stadtführer treten in Aktion und reduzieren die Besichtigung auf die städtischen Sehenswürdigkeiten Hauptbahnhof, Omnibusse des Nahverkehrsverbundes Paderborn/Höxter (inkl. Rundfahrt) und Stadion (optionale Erweiterung um die Institutionen Knast und/oder Ausnüchterungszelle möglich). Nach siebenwöchiger Winterpause war es nicht nur der vierköpfige Kölner Eintracht-Tross, der sich per DB-Wochenendticket vom Rheinland auf den Weg nach Ostwestfalen machte, heiß auf die Fortsetzung der bisher so erfolgreich verlaufenen Saison, denn ca. 4.496 Eintracht-Fans hatten heute das gleiche Ziel: Auf nach Paderborn! Nach Ankunft am Zielort das schon erwartete Bild: Behelmte Uniformierte, wohin das Auge auch schaute. Erste Unruhen kamen auf, da der Bahnhof hermetisch abgeriegelt war. Keine Möglichkeit zu einer Stippvisite der Innenstadt; auch der Besuch des Bahnhofkiosks blieb unerreichbar. Selbst den Toilettengang mussten sich die Eintrachtfans erbetteln und auf Gnade der Staatsmacht hoffen. Der einzige freigegebene Weg war der Gang zu den Shuttle-Bussen, doch selbstverständlich standen vor deren Betreten noch intensive Leibesvisitationen auf dem Programm. Die Polizei hatte sich hierbei noch lustige Vorschriften einfallen lassen. So mussten etwa geöffnete Getränke vorher ausgetrunken werden, während der Transport geschlossener Flaschen mitunter erlaubt war. Zudem durften nur so viele Fans entsprechend der vorhandenen Sitzplätze in die Busse, da die Fahrt zum Stadion auch über die Autobahn führte und Stehplätze im Bus aus Sicherheitsgründen verboten waren. Also, alle hinsetzen und los geht’s!
"Weil ich es sage!"
Nach Ankunft am Stadion lernte unsere Busbesatzung dann die ostwestfälische Polizeiwillkür kennen. Da unser Bus den offiziellen Endhaltepunkt, der ca. 4 m vor uns lag, nicht einnehmen konnte, wurde das Aussteigen verweigert. Das anfängliche Grummeln der Fans steigerte sich minutiös sukzessive in verbale Beschimpfungen gegenüber dem Fahrer und den uns begleitenden Staatsdienern, da diese auf anfangs noch freundlich formulierte Fragen nach dem Grund des verbotenen Aussteigens nur noch verbale Entgleisungen wie "Weil ich es sage!" oder "Halt die Fresse!" den Auskunft Suchenden erwiderten. Danke für das Gespräch.
Die Situation stand schließlich kurz vor der Eskalation, als bereits mindestens vier weitere Pendelbusse nach uns ankamen und die Businsassen freudig winkend an unserem Bus vorbei gen Stadion zogen. Auch der Harndrang vieler Einträchtler machte sich bemerkbar und tat sein Übriges, jetzt aber die Geduld zu verlieren. Unfassbare 22 (!) Minuten wurden wir letztlich ohne ersichtlichen Grund festgehalten. Wäre der Bus aufgrund dieser "cleveren" Polizeitaktik demoliert worden (es fehlte wirklich nicht viel), hätte die abendliche polizeiliche Presseerklärung (die ja bekanntlich bundesweit generell von nahezu allen Medien ungeprüft übernommen werden) mit Sicherheit von "mutwilligen Zerstörungen randalierender Eintracht-Fans" berichtet. Die wahre Ursache bliebe natürlich wie so häufig unerwähnt.
Wenigstens konnte kurz darauf das Stadion, dessen Name sich seit der letzten Saison einmal mehr geändert hatte, ohne Probleme betreten werden. Eine vollkommen überlegene Eintracht-Elf machte anschließend dort weiter, wo sie vor der Winterpause aufgehört hatte, und ließ beim "Heimspiel in Paderborn" den nächsten Sieg folgen. Und hätte insbesondere Ademi nur eine seiner zahlreichen Chancen genutzt, wäre die Gruppe der blau-gelben Supporter am Bierstand noch frühzeitiger im Laufe der 2. Halbzeit quantitativ angewachsen, um das alkoholfreie Bier (zumindest laut offiziellem Aushang) zu genießen. Nach dem Spiel verspürten die Ordnungshüter dann nicht mehr soviel Lust, sich so intensiv wie noch auf dem Hinweg um die Auswärtsfans zu kümmern. So schnell wie möglich wurden die Feiernden in die Busse verfrachtet – jetzt war es auch egal, dass Stehplätze in den Bussen doch eigentlich ein Sicherheitsrisiko bedeuteten. Am Bahnhof wieder das gleiche Bild: Wieder alles abgesperrt, wieder kein Verlassen des Bahnhofgeländes möglich. Eventuell ein nachmittäglicher Besuch der Tante bei Kaffee und Kuchen im Stadtteil Neuenbeken oder ein romantisches Abendessen mit einer Paderborner Schönheit im „Restaurant Gut Ringelsbruch“ geplant? Vergesst es - keine Chance! Na ja, immerhin durfte man wieder aufs Klo, und auch die „Köstlichkeiten“ eines amerikanischen Schnellrestaurants durften verzehrt werden. Selbst als der Sonderzug schon auf dem Weg nach Ostniedersachsen war, blieben die Zurückgebliebenen noch eine lange Zeit eingekesselt und wurden fortwährend videografiert. Zu später Stunde hatte auch unser Mitfahrer mit der DB-Fahrkarte ein Einsehen und sich endlich am Bahnhof eingefunden, so dass auch wir die Rückfahrt antreten konnten.
Was bleibt, ist die Hoffnung, dann halt beim nächsten Besuch den Paderborner Dom oder das Haus von Adam und Eva betrachten zu können. Andererseits: Warum sollte man diese Stadt ohne fußballerischen Anlass überhaupt besuchen??
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Dies ist eine Kolumne von Holger Hoeck. Die Meinung des Autors entspricht nicht zwingend der Meinung unserer Redaktion.
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