Nach Prügel-Attacke auf Göttinger Demo spricht nun das Opfer

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Der bei einer Demo in Göttingen verletzte Ordner, Marian Ramaswamy spricht mit regionalHeute.de über den Vorfall. Symbolfoto: Werner Heise | Foto: Werner Heise

Göttingen/Braunschweig. Wie regionalHeute.de bereits berichtete, kam es bei einer Demonstration in Göttingen zu Übergriffen der Polizei auf Demo-Teilnehmer. Dabei wurde ein junger Göttinger von Polizisten aus Braunschweig attackiert. Das Opfer, Marian Ramaswamy, schildert im Gespräch mit regionalHeute.de, was aus seiner Sicht an diesem Abend geschah.


Die Demonstration der Linken Göttingen war eine Reaktion auf die bundesweite Durchsuchungsaktion der Hamburger Sonderkommission „Schwarzer Block“, welche zu Beginn des Monats auch in Braunschweig zu Durchsuchungen führte. Involviert in den Vorfall waren auch Polizisten aus Braunschweig, gegen die nun ermittelt wird.

Ramaswamy war an diese Abend als Ordner der Demonstration eingeteilt und hatte auch im Vorfeld der Demo an den Kooperationsgesprächen mit der Polizei teilgenommen. Routenverlauf und Kundgebungsplätze seien vorab besprochen und genehmigt worden, wie Ramaswamy gegenüber regionalHeute.de berichtet. "Die Demonstration verlief relativ störungsfrei. Es gab zwischendurch aber dennoch immer wieder Pyrotechnik und Vermummungen und so hatten wir als Ordner doch einiges zu tun. In der Roten Straße kam es dann dazu, dass die Demonstration gestoppt ist und eine Zwischenkundgebung stattfinden sollte. Hier bin ich dann mit dem Anmelder der Kundgebung zum Einsatzleiter der Polizei gegangen, um zu verhandeln. Die Polizei hatte sich in der Straße direkt vor den Häusern aufgestellt, die von Linken bewohnt werden. Damit es nicht provozierend wirkt, baten wir darum, dass sich die Polizei am Ende der Straße aufstellt und nicht direkt vor den Häusern. Das Gespräch hat aber nicht wirklich funktioniert und die Polizei zeigte sich nicht einsichtig", schildert Marian Ramaswamy die Ereignisse vor der Attacke.

Polizei wollte Weg nicht freigeben


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Der 27-Jährige Göttinger ging nach einem Schlag ins Gesicht zu Boden und wurde fixiert. Symbolfoto: Werner Heise Foto: Werner Heise



Er sei nach dem Gespräch mit der Polizei wieder zurück zum Demonstrationszug gegangen und dann sei es auch schon losgegangen. Als der Zug sich in Bewegung setzten wollte, hätten die Polizisten bereits mit gezogenen Knüppeln bereitgestanden. Kurz daraufkam es zu Rangeleien zwischen der Polizei und den Demo-Teilnehmern. Seiner Auffassung nach, hat die Polizei in dem Moment, wo es zu der Rangelei kam, nicht deeskalierend gehandelt und habe auf seine Aussagen, dass er Ordner sei, überhaupt nicht reagiert. "Die Rangelei ist entstanden, weil die Polizei den Weg für den Demonstrationszug nicht freigeben wollte. Obwohl diese Route angemeldet war. So ist es dann zu der Auseinandersetzung zwischen der Polizei und den Demonstranten gekommen. Als ich dann dazwischen gehen wollte und auch gerufen habe, dass ich Ordner bin, hat die Polizei nicht reagiert.Ich habe laut geschrien, dass ich dafür sorgen möchte, dass das Gerangel aufhört. Und in dem Moment habe ich schon Schläge ins Gesicht, auf die Schulter und in die Seite bekommen. Von da an weiß ich nichts mehr", erzählt Marian Ramaswamy.

Konflikte provoziert?


Marian Ramaswamy ist sich sicher, dass die Polizei den Konflikt bei der Demonstration provoziert habe, anstatt zu schlichten. "Meiner Meinung nach hätte die Polizei deeskalierend einwirken können, wenn sie einfach einen gewissen Abstand eingehalten und sich nicht mitten auf der Route aufgebaut hätte. Sie hat meiner Meinung nach den Konflikt wissentlich provoziert. In Göttingen ist es immer ein Reizpunkt, wenn gerade diese Beweissicherung-und Festnahmeeinheiten vor Linken so massiv auftreten. Ich bin schon der Meinung, dass es gewollt war, dass es da zu Konflikten kommt", sagt Marian Ramaswamy überzeugt.

Blaue Flecken und Schürfwunden am ganzen Körper


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Laut Ramaswamy trug die Polizei maßgeblich zur Eskalation der Situation bei. Foto: Werner Heise



Aus dem Video, das später auch veröffentlicht wurde, weiß er aber, dass er bewusstlos zu Boden gegangen ist. "Zwischendurch bin ich immer wieder wach geworden und habe dann lautstark auch geschrien, dass ich Ordner bin und ich mich nicht wehren werde. Außerdem habe ich gesagt, dass sie von meinem Rücken runtergehen sollen, weil ich starke Schmerzen hatte. Ich habe dann immer wieder das Bewusstsein verloren und habe dann noch mitbekommen, wie ich in das Polizeiauto gebracht wurde. Ich bin dann erst wieder in der Polizeiwache zu mir gekommen", so Ramaswamy.

Die spätere Behauptung der Polizei, Marian Ramaswamy sei bei dem Angriff nicht verletzt worden, kann der junge Mann nicht nachvollziehen. Auf dem Video sei ja deutlich zu hören, dass andere Demonstrationsteilnehmer nach einem Krankenwagen verlangten, weil sie mitbekommen hatten, dass er verletzt und bewusstlos war. Rettungsdienstlich sei er erst auf der Wache betreut worden. Das sei etwa 20 Minuten später gewesen, als er schon länger wieder bei Bewusstsein war, sagt er. "Ich habe etwa fünf bis sieben Schläge ins Gesicht bekommen. Mein Körper hat überall blaue Flecke und Kratzer. Am schlimmsten ist, dass ich durch das Knie, was ich in den Nacken bekommen habe, starke Schmerzen in diesem Bereich habe. Ich war eine Woche krank geschrieben und nehme noch immer starke Schmerzmittel", erzählt der 27-Jährige.

Anwalt leitet Schritte ein


Marian Ramaswamy hat sich inzwischen rechtlichen Beistand genommen. Er hat Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt gestellt. Die Staatsanwaltschaft habe diese Anzeige angenommen und mitgeteilt, dass Ermittlungen laufen. Gegen den 27-Jährigen soll wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs, des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und versuchter Körperverletzung ermittelt werden. Ob es tatsächlich zu einer Anzeige gegen ihn gekommen ist, weiß Ramaswamy nicht. Der Göttinger Anwalt Sven Adam hat inzwischen eine offizielle Pressemitteilung verfasst. Darin heißt es:

Juristische Maßnahmen nach polizeilicher Gewaltanwendung bei Antirepressions-Demonstration in Göttingen am 9. Dezember 2017:
Die umstrittene Anwendung erheblicher Gewalt einer Braunschweiger Polizeieinheit bei der Demonstration am 9.12.2017 in Göttingen hat ein juristisches Nachspiel auf verschiedenen Ebenen. Im Zuge der Demonstration am 09.12.2017 gegen die Durchsuchungen in Göttingen vom 05.12.2017 stoppten Einsatzkräfte der Braunschweiger Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) den Demonstrationszug in der Roten Straße. Ein sich am Rand der Versammlung befindlicher Ordner wurde im Zuge dieses Einsatzes derart misshandelt, dass er kurzzeitig das Bewusstsein verlor. Der Ordner hatte im Vorfeld an den Kooperationsgesprächen mit der Versammlungsbehörde und der Polizei teilgenommen und während der Versammlung immer wieder vermittelnd zwischen den Versammlungsteilnehmerinnen und –teilnehmern und den Einsatzkräften gehandelt.

Ein indes veröffentlichtes Video des Einsatzes zeigt, wie der friedliche 27-jährige Göttinger mehrfach mit Tonfas und Fäusten geschlagen wird und nach einem direkten Kopftreffer zu Boden geht. Das Video zeigt weiter, wie der junge Mann am Boden liegend und um Atem ringend von den Beamten durch ein Knie im Genick fixiert wird und von anderen Beamten derart abgeschirmt wird, dass niemand Hilfe leisten kann. „Das Video spricht für sich. Es wurde nun Strafanzeige wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung im Amt erstattet und eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Göttingen gerichtet auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser enthemmten Gewalt erhoben“ so Rechtsanwalt Sven Adam zu den juristischen Maßnahmen in diesem Zusammenhang.

Gegen den Verletzten wird laut einer Pressemitteilung der Polizei indes wegen Verdachts des Landfriedensbruches, des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und versuchte Körperverletzung ermittelt. „Auf dem Video ist viel zu sehen. Eine Straftat des Verletzten nicht. Aber dafür erhebliche Gewalt von Polizisten gegen den Ordner und diverse Polizeikameras, die das Geschehen filmen. Zu behaupten, der Verletzte sei nicht verletzt worden, wie von der Polizei noch am 09.12.2017 in einer Pressemitteilung verlautbart, ist absurd. Die gut sichtbaren Taten sprechen jedenfalls eine andere Sprache und ich bin schon sehr auf die Erklärungen der Beamten gespannt“ so Adam weiter.

Auch der Anmelder der Demo, Gerd Nier (Göttinger Linke) und Pastor Thomas Harms (Die Grünen) haben sich offiziell zu dem Vorfall geäußert und verurteilen das Vorgehen der Polizei. Sie schreiben:
"Es mögen 600 bis 700 Bürger*innen gewesen sein, die gestern weitgehend friedlich an der Demonstration gegen die Hausdurchsuchungen und Übergriffe der Polizei am Dienstag, den 05.12. demonstrierten. Leider war auch diesmal das Verhalten der Polizeiführung in einigen Situationen nicht gerade deeskalierend. Besonders betroffen macht, dass ein junger Mensch, der als Ordner fungierte von der Polizei herausgegriffen und verletzt wurde. Gerade dieser junge Mann wirkte federführend dabei mit, dass sich die in einigen Situationen hochkochenden Emotionen im Demonstrationszug wieder beruhigten.

So half er zum Beispiel mit, dass der Demonstrationszug auf der vorgegebenen Route blieb und nicht, wie einige Demonstranten wollten, in die Gotmarstraße, Richtung Weihnachtsmarkt abbog. Auch in der Roten Straße versuchte er nach Absprache mit dem Demonstrationsanmelder zu vermitteln. Er wollte die Polizei bitten, an dem Ort einer Zwischenkundgebung etwas mehr Abstand von der Spitze des Demonstrationszuges zu halten. Dass ausgerechnet er von der Polizei herausgegriffen und nach Augenzeugenberichten verletzt und anschließend in Polizeigewahrsam genommen wurde, erschüttert uns deutlich. Diese unnötige und martialische Aktion der Polizei hätte den bis dahin weitgehend friedlichen Verlauf der Demonstration fast noch zum Kippen gebracht. Wir sind froh darüber, dass sich die Besonnnenheit bei den Demonstrationsteilnehmer*innen durchgesetzt hat und es zu keiner wirklich gewalttätigen Auseinandersetzung in der Roten Straße und am Wendenplatz kam. Wir hoffen und wünschen, dass die Verletzungen des uns als verantwortungsvoll und vernünftig handelnden jungen Mannes nicht ernsthafter sind und er keine gesundheitlichen Schädigungen davon trägt."

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