Braunschweig. Das lange vernachlässigte Quartier St. Leonhard soll zu einem sozialen und architektonischen Leuchtturmprojekt für Braunschweig werden. Die Richard Borek Stiftung will dort ein integratives Stadtviertel realisieren, in dem Menschen generationsübergreifend eine unterstützende Nachbarschaft finden, in der sie wohnen, arbeiten und lernen können – auch wenn sie mit Einschränkungen leben. Diese Vernetzung ist in ihrer inklusiven und intergenerativen Vielfalt einmalig in Braunschweig und sogar in Deutschland. Das Investitionsvolumen beträgt 35 Millionen Euro.
Integriert sollen bei der umfangreichen Neugestaltung die beiden ehemaligen Stallscheunen, die entlang der Leonhardstraße gegenüber der Stadthalle gelegen sind. Sie sollen denkmalgerecht saniert werden. Später entstehen dort ein Kultursaal und ein Café sowie Räume für Tagesförderung, Behinderten-Werkstätten und Fitness. Vier der sechs alten Gebäude des Areals bleiben erhalten: abgerissen werden dagegen die Ruine der nördlich gelegenen früheren Reithalle und der südlich gelegenen einstige Pferdestall. Auf dem insgesamt knapp 15.000 Quadratmeter großen Areal werden fünf Häuser in klarer, moderner Architektursprache neu gebaut. Das markante Eckhaus an der Kreuzung Leonhardstraße/Leonhardplatz wird sechsgeschossig, die Bauten im Inneren drei- bis viergeschossig. In den neuen Gebäuden werden unter anderem Wohnungen für Menschen mit Behinderung und für Senioren, Räume für einen „International Kindergarden“ und ein Internat, für eine Fachambulanz und eine Tagesklinik sowie für eine Diakoniestation und Arztpraxen geschaffen. Die Bruttogeschossfläche wird insgesamt knapp 25.000 Quadratmeter betragen.
Soziales Quartier soll entstehen
Quartier St. Leonhard / Ansicht Leonhardstraße. Quelle: Feddersen Architekten / sichtvision Foto: Feddersen Architekten / sichtvision
„Es entsteht ein soziales Quartier, das Menschen aller Generationen Gemeinschaft und Teilhabe ermöglicht. Die Idee einer Stadt für alle nimmt hier Gestalt an“, erklärt Stefan Drees, Feddersen Architekten, Berlin, das Konzept seines Büros. Wichtiger Bestandteil sei dabei die Gestaltung des Außengeländes. "Jahrelang wurde vergeblich nach einer angemessenen Lösung für das Areal gesucht. Die Idee eines integrativen Stadtviertels hat mich fasziniert. Wir setzen so ein für Braunschweig ganz neues, gesellschaftliches Sozialkonzept um, und wir werten zugleich den Stadtraum an einer exponierten Ecke Braunschweigs unter Erhaltung historischer Bausubstanz auf. Innovation und Tradition werden hier in idealer Weise verknüpft. Und für beides kann ich mich begeistern“, sagt Richard Borek über das beispielgebende Vorhaben.
Quartier St. Leonhard / Ansicht Kulturhof. Quelle: Feddersen Architekten / sichtvision Foto: Feddersen Architekten / sichtvision
„Zielsetzung ist es, für Menschen mit unterschiedlichsten Hilfebedarfen ein Umfeld mit zeitgemäßen Lebensräumen und gleichzeitig exzellente Bedingungen für moderne Sozialarbeit zu schaffen. Die Attraktivität eines alltäglichen Zusammenlebens von Menschen aller Altersstufen soll Isolation überwinden. Die vielfältige Wiederbelebung des Quartier St. Leonhard mit der historisch verankerten diakonischen Ausrichtung greift die Tradition christlicher Nächstenliebe in einem Konzept des unterstützenden Miteinanders aktualisiert wieder auf“, kommentiert Pastor Rüdiger Becker, Direktor der Evangelischen Stiftung Neuerkerode, die Planungen für die künftigen Mieter. Die Nähe zum Krankenhaus Marienstift und zum Alten- und Seniorenheim Bethanien wird dabei als zusätzlich förderlich angesehen.
Mittelalterlicher Charme bleibt erhalten
Durch den sozialen Schwerpunkt wird an die ursprüngliche, mittelalterliche soziale Nutzung des Areals als Siechenhospital im 16. Jahrhundert angeknüpft. Zum Gesamtquartier gehört auch die namensgebende St. Leonhard-Kapelle aus dem 12. Jahrhundert. Sie ist nach dem Dom Braunschweigs zweitältestes noch erhaltenes Bauwerk. Mit dem ehemaligen Verwalterhaus, das heute Teil der Hans-Georg-Karg-Grundschule ist, gibt es noch ein weiteres denkmalgeschütztes Gebäude im Viertel. Die Schule ergänzt dazu den generationsübergreifenden Anspruch des Projekts.
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