Papierflugzeuge und Sex auf Rezept - Science Slam XIV im Haus der Wissenschaft

von kulturblog38.net




Braunschweig. Besuchermassen bei wissenschaftlichen Vorträgen am Wochenende? Das gibt es nur beim Science Slam! Bei der 14. Braunschweiger Ausgabe des Wettkampfes standen die Besucher am Freitagabend vor dem Haus der Wissenschaft Schlange bis hinaus zur Straße.


Beim Science Slam treten Nachwuchswissenschaftler mit unterhaltsam aufgepeppten Kurzvorträgen über ihre eigene Forschung gegeneinander an. Im Anschluss an jeden zehnminütigen Vortrag hat das Publikum die Möglichkeit, mit Stimmkarten auf einer Skala von 1-6 - wobei 6 die höchste Wertung ist - die Beiträge zu bewerten. Wer die Zuschauer dabei nicht nur gut informiert, sondern auch bestens unterhält, gewinnt die Siegertrophäe, das "Goldene Gehirn". Locker-sympathisch moderiert wurde auch der vierzehnte Science Slam wieder von Roland Kremer, der seine Aufgabe erneut mit Bravour meisterte, obwohl er diesmal nicht sein rosa "Slam-Hemd" anhatte. Es geht also auch ohne!





Als erster Slammer zog Gymnasiallehrer Jan-Christoph Junke von der Universität Göttingen in den Wettkampf. "Science Slam ist doch nur was für Wissenschaftler!", habe er sich im Vorfeld von seinen Freunden in der Mensa anhören müssen und war nun gekommen, um den Gegenbeweis anzutreten. Er referierte zum Thema "Dank Bildung(-swissenschaft) fängt man Mäuse" und erklärte, wie man mit empirischer Bildungsforschung die Auswirkungen der Bologna-Reform messen und warum man ihr leider keinen langfristigen Erfolg bescheinigen könne. Trotz eines interessanten Themas und lockerer Präsentation quittierte das Publikum Junkes Beitrag nur mit mittelmäßigen 37 Gesamtpunkten, da er am Ende in Zeitnot gerat und es ihm somit nicht gelang, das Thema überzeugend abzuschließen.





Als nächstes war Isabel Metz an der Reihe. Die Masterstudentin der TU war am Bau des längsten Papierflugzeuges der Welt beteiligt, das im vergangenen Jahr auch international für Aufsehen sorgte. Erfahrung im Falten von Papierfliegern hätten sie und ihre Kommilitonen dank langweiliger Vorlesungen im Audimax bereits reichlich gesammelt. Somit sei es nur logisch gewesen, sich als angehende Ingenieure dieser Kunst auch einmal professionell zu widmen. Und so wurde aus einer lustigen Idee schließlich ein Weltrekord, für dessen Bau man u.a. umgerechnet 900 Tuben Papierkleber benötigt hätte. Das Publikum dankte ihr den spannenden Vortrag mit guten 50 Punkten.





Startnummer Drei besaß ein Team, Jan Dreisbach und Professor David Woisetschläger vom Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement der TU. Sie referierten über "Die dunkle Seite des Sponsoring" deutscher Fußballstadien und wie diese an ihre Namen kämen. Dabei sei Vorsicht geboten, denn das Fußballstadion sei die Kirche des Fußballfans. Wie im echten Leben gelte also auch hier "Überlege dir genau, wen du für deine Partnerschaft wählst!". 52 Ligapunkte für die beiden Fußballforscher.





"Narrative Szenarien und Use-Cases in der Zukunftsforschung – oder: Warum eigentlich nie jemand so richtig versteht, womit ich mein Geld verdiene..." lautete anschließend das Thema von Jörn Höpfner vom Institut für Transportation Design der HBK. Als Sozialwissenschaftler befände er sich ständig in der Argumentationsspirale: Warum machst du das? Familienfeste seien daher ein Spießrutenlauf und sein "persönlicher 1. Weltkrieg". Seine spannende Arbeit erläuterte Höpfner am Beispiel eines Auftrages der Nationalen Organisation Wasserstoff, die trotz des verdächtig klingenden Namens keine Terrororganisation sei. In ihrem Auftrag habe er herausfinden müssen, wer in dreißig Jahren der durchschnittliche Fahrer eines Wasserstoffautos sei. Sein augenzwinkerndes Ergebnis: Marc, 46, verheiratet, zwei Kinder, Akademiker und Besserverdiener, fährt in 30 Jahren an einem Sonntagnachmittag mit seinem Wasserstoffauto ins Christhos, um dort seinen fettfreien Latte Macchiato zu trinken. Mit einer Vielzahl solch pointierter Anekdoten sorgte Höpfner für jede Menge Lacher im Publikum und wurde mit Höchstwertungen übersäht: 68 Gesamtpunkte. Der Gewinner schien festzustehen...





Doch dann kam Johannes von Borstel als letzter Teilnehmer an die Reihe. Der Mediziner von der Klinik für Kardiologie an der Uni Marburg ging mit dem Thema "Der unchristliche Weg zu fast ewigem Leben... oder wie Sex Ihr Leben retten wird!" an den Start. Herzinfarkte und Schlaganfälle durch Arteriosklerose sind weltweit Todesursache Nr. 1. Gefährdet seien vor allem "Esser, Raucher und handelsübliche Alkoholiker", was von Borstel mit einem Bild von G.W. Bush unterlegte und kurzerhand tosenden Applaus erhielt. Statt teurer Medikamente mit Nebenwirkungen gäbe es eine angenehme Alternativtherapie: Regelmäßiger Geschlechtsverkehr. Durch seine durchblutungsfördernde Wirkung und die Ausschüttung von Glückhormonen schütze Sex zuverlässig vor Gefäß- und Herzerkrankungen. Als Beispiel für die negativen gesundheitlichen Auswirkungen eines nicht vorhandenen Sexuallebens diente von Borstel der Fall des anonymen J. Ratzinger, auf einer anderen Präsentationsfolie auch Joseph R. genannt. Dessen exorbitante Augenringe und schlecht durchblutete Gliedmaßen sollten jedem Zuhörer als eindringliche Warnung dienen. Mit einer nahezu perfekten Kombination harter wissenschaftlicher Fakten, durchdachter Präsentation und hohem Unterhaltungsfaktor erntete der junge Mediziner schließlich fast durchweg Höchstwertungen und ging mit 71 Punkten als verdienter Sieger aus dem 14. Science Slam hervor. Und wieder einmal hat sich bewahrheitet: Sex sells!


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Fotos: Stephen Dietl


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