Braunschweig. “Judenpresse, Judenpack, Feuer und Benzin für euch” - diese antisemitischen Ausrufe aus der rechten Szene im Jahr 2020 sorgten für Empörung. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Braunschweig stellte das Verfahren wegen Volksverhetzung allerdings ohne Anklage ein. Die Äußerungen seien gegen einzelne Personen gerichtet gewesen, eine Verunglimpfung aller Juden sei hieraus nicht ersichtlich gewesen. Dieses Urteil kritisierten nun verdi und die Linke Braunschweig.
2020 soll der Kreisvorsitzender der Partei Die Rechte, am Rande einer rechtspolitischen Demo zum Volkstrauertag Journalisten beschimpft haben. Hierzu existiere auch eine Videoaufnahme, die online geteilt worden sei. Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ermittelte wegen des Verdachts auf Volksverhetzung, stellte das Verfahren dann allerdings ein. Auf Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft mussten die Braunschweiger erneut ermitteln. Das Verfahren wurde jetzt aber wieder eingestellt.
Kritik von verdi
Sebastian Wertmüller, Geschäftsführer von verdi für Süd-Ost-Niedersachsen ist verärgert: „Schon wieder Braunschweig, schon wieder eine aberwitzige Entscheidung, die die Nazis im Lande jubeln lässt.“ Seit Jahren kämpfe die Braunschweiger Zivilgesellschaft, die Gewerkschaften, das Bündnis gegen Rechts und viele andere gegen "militante Nazis" und ihr rechtsextremes Umfeld. Und mit solchen Entscheidungen werde das alles in Frage gestellt, während die rechte Szene Grund zum Feiern bekomme.
Antisemitismus sei ein Problem
„In der ganzen Welt wissen Jüdinnen und Juden, was gemeint ist, wenn sie als Pack beschimpft werden und Benzin und Feuer für sie gefordert wird. Und alle Nichtjuden wissen das auch“, so Wertmüller. Nur die Braunschweiger Staatsanwaltschaft interessiere das nicht, weil ja nur die Pressevertreter beschimpft worden seien. "Und unter diesen seien ja keinen Juden gewesen beziehungsweise habe keine Anzeige erstattet. Diese Argumentation mache nur noch fassungslos", so Wertmüller.
Wertmüller fordert, dass Antisemitismus in Deutschland endlich ernstgenommen wird. Natürlich sei es eine Bedrohung für jüdische Menschen, wenn für sie öffentlich Feuer und Benzin gefordert werde. „Es ist unter anderem diese juristisch verklausulierte Verweigerung, Antisemitismus als gesellschaftliches Großproblem ernst zu nehmen, die den Kampf gegen rechte Strömungen in der Mitte der Gesellschaft so unendlich schwer macht.“ Da helfe es auch wenig, "sonntags den antifaschistischen Staatsanwalt Fritz Bauer zu würdigen und um den verstorbenen Sally Perel zu trauern, wenn im Alltag derart gefährliche Verharmlosungen im Namen der Redefreiheit getroffen werden".
Linke Braunschweig ebenfalls entsetzt
Die Begründung sei eine Verharmlosung rechter Hetze, so sieht es auch Jorrit Bosch, Kreisvorsitzender der Linken in Braunschweig: “Das Urteil ist ein Schlag ins Gesicht für alle jüdischen Bürgerinnen und Bürger in Braunschweig sowie für alle Aktiven gegen Rechts.”
Weiter stelle sich die Frage, was noch passieren müsse, damit die Braunschweiger Staatsanwaltschaft endlich entschiedener gegen Nazis vorgehe, so Bosch. Schon seit einigen Jahren könne man den Eindruck gewinnen, dass Nazis in Braunschweig nahezu unbehelligt Straftaten verüben und politischen Gegnern drohen könnten, so Bosch weiter. Die Linke Braunschweig fordere eine weitere Untersuchung mit Einbezug unabhängiger Stellen.
Das Urteil Staatsanwaltschaft
Auf Anfrage von regionalHeute.de erklärte die Staatsanwaltschaft Braunschweig ihre Bewertung des Falles. Demnach würde hier zwar eine Beleidigung vorliegen, der Strafbestand der Volksverhetzung sei allerdings nicht erfüllt. Es sei dem Beschuldigten nicht nachzuweisen, dass er mit seiner Aussage mehr als nur einzelne Vertreter der Presse gemeint habe.
Die Äußerungen seien im Rahmen einer rechten Veranstaltung am Löwenwall zum Volkstrauertag gefallen. Grundsätzlich sei dieser Tag nicht antisemitisch geprägt, man gedenke dabei zunächst lediglich den Gefallenen der Weltkriege. Die einzelnen Redebeiträge bei der Veranstaltung ließen sich nicht mehr rekonstruieren, so die Staatsanwaltschaft. Allerdings sei die Demo polizeilich begleitet worden, wäre es hier zu entsprechenden volksverhetzenden Redebeiträgen gekommen, wären entsprechende Verfahren eingeleitet worden - dies sei allerdings nicht der Fall gewesen.
Es sei dem Beschuldigten weiterhin nicht nachzuweisen, dass er seine Aussagen öffentlichkeitswirksam getätigt habe. Es existiere zwar besagtes Video, welches das Geschehen festhält, dies sei wohl aber im Unwissen des Gefilmten entstanden. Das Video habe sich im Anschluss im Internet verbreitet, damit habe der Beschuldigte allerdings nicht unmittelbar rechnen können. Somit hätten sich seine Worte explizit an einzelne Personen und nicht an alle Juden gerichtet - eine andere Interpretation ließe sich nicht belegen.
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