Braunschweig. Im Vorfeld des Schulstarts in der kommenden Woche hat die Stadt Braunschweig am heutigen Freitag in einem Pressegespräch über die aktuelle Infektions- und Verordnungslage bezüglich der Schulen und Kitas sowie die Vorbereitungen mit Blick auf den vollständigen Präsenzunterricht informiert. Schul- und Jugenddezernentin Dr. Christine Arbogast, gleichzeitig Leiterin des Corona-Krisenstabs, und Hochbaudezernent Holger Herlitschke gaben dabei einen Überblick über das geplante Lüftungskonzept und die Corona-Regeln, die an den Schulen und in der Kinderbetreuung zu Beginn des neuen Schuljahres gelten werden.
Im Zusammenhang mit dem Infektionsschutz an Schulen gibt es seit dem Auftreten der Pandemie eine intensive Debatte über die Lüftung sowie den Einsatz von Lüftungsanlagen an Schulen. Dabei geht es sowohl um den Einbau fest installierter raumlufttechnischer Anlagen (RLT) wie auch um mobile Luftreinigungsgeräte in Schulgebäuden. „Die Stadt Braunschweig setzt – und folgt damit den Einschätzungen von Umweltbundesamt und Deutschem Städtetag – auf regelmäßiges Lüften, mit dem ein Verbreiten der Aerosole verhindert werden kann“, sagte Hochbaudezernent Holger Herlitschke.
Technische Unterstützung für bestimmte Räume
Die direkte Stoßlüftung über die Außenluft stelle neben der weiterhin notwendigen Beachtung der AHA-Regeln das beste und wirksamste Mittel gegen Aerosole in Klassenräumen dar. Der Einsatz von Luftreinigungsgeräten könne diese Lüftung keinesfalls ersetzen. Darin stimmten alle Studien überein. „Ist jedoch diese natürliche Belüftung nicht in ausreichendem Maße möglich, ist technische Unterstützung nötig, um die Nutzung dieser Räume sicherzustellen“, so Herlitschke.
Sieg für das Göttinger Modell
Die Stadt Braunschweig hatte bereits im Frühjahr wesentliche Schritte in diese Richtung unternommen. Ziel war es, alle Unterrichtsräume, die nicht über eine ausreichende Fensterlüftung verfügen, festzustellen, eine technische Ersatzlösung auszuwählen, testweise in einigen Schulräumen einzubauen und die dort gesammelten Erfahrungen wissenschaftlich begleiten zu lassen. Ausgewählt wurde das vom Max-Planck-Institut entwickelte sogenannte Göttinger Modell, bei dem mittels Hochleistungslüftern ein Luftaustausch mit der Außenluft steuerbar sichergestellt wird. Dabei wird die verbrauchte Innenluft nach außen geführt und frische Außenluft direkt in die Unterrichtsräume über ein gekipptes Fenster (wenn möglich Oberlicht) nachgeführt. Dass durch die Lüfter gleichzeitig eine deutliche CO2-Reduktion der Raumluft erzielt wird, stellt einen willkommenen Nebeneffekt dar.
Die Lüfter sind bestellt - die Lieferung dauert jedoch länger als geplant. So sieht das Göttinger Modell in Aktion aus. Foto: Stadt Braunschweig
Die in zwei unterschiedlichen Räumen der Grundschule Bebelhof/Förderschule Hans-Würtz im Mai 2021 eingebauten Lüfter wurden positiv bewertet. Von der Verwaltung angestoßene Messungen des Fraunhofer-Instituts belegen die ausreichende Luftwechselrate, sodass dieses System jetzt an den Braunschweiger Schulen weiterverfolgt wird. Als Grund für die umfangreichen wissenschaftlichen Testmaßnahmen nannte Stadtrat Holger Herlitschke, dass man keine Investitionen in ein System tätigen wollte, das am Ende möglicherweise nicht funktioniert.
Grund- und Förderschulen haben Priorität
Am vulnerabelsten dürften die Schülerinnen und Schüler der Grund- und Förderschulen anzusehen sein. Diese werden in Braunschweig in 744 Räumen unterrichtet. Von diesen benötigen rund 75 Räume eine Lüftungsunterstützung, weil dort aufgrund der baulichen Gegebenheiten gleichmäßige Lüftungsverhältnisse allein durch Lüften nicht ausreichend möglich sind. Parallel zu den Grund- und Förderschulen werden in allen allgemeinbildenden Schulen und berufsbildenden Schulen die Unterrichtsräume untersucht, um diejenigen mit unzureichender Fensterlüftung feststellen zu können. Bei einem vergleichbaren Schlüssel wie bei den Grund- und Förderschulen kann von rund 130 der 1.250 weiteren Räumen ausgegangen werden. Die Ausschreibung dieser 200 Fensterlüfter ist inzwischen erfolgt, die Beauftragung kann nach vergaberechtlicher Prüfung in Kürze erfolgen. Um die Maßnahme zu beschleunigen, bereitet der stadteigene Betriebshandwerkliche Dienst den Einbau bereits vor und wird aufgrund der zweimonatigen Lieferzeit im Oktober nach folgender Staffelung vorgehen:
Priorität 1: Grund- und Förderschulen
Priorität 2: die Jahrgänge 5 und 6 der weiterführenden Schulen
Priorität 3: die übrigen Jahrgänge der weiterführenden Schulen
Priorität 4: die berufsbildenden Schulen
Um auch Unterrichtsräume nutzen zu können, die weder durch eine natürliche Fensterlüftung, noch durch Fensterventilatoren ausreichend gelüftet werden können, könne es sinnvoll sein, mobile Luftreinigungsgeräte einzusetzen. Parallel zum Test des Göttinger Modells wurden deshalb im Mai zwei Luftreiniger angeschafft und getestet. Aus der Vielzahl der mittlerweile am Markt angebotenen Produkte fiel die Wahl auf UVC-Technik, die keine wartungsaufwändige Filtertechnologie beinhaltet. Auch hier erfolgt eine eigene wissenschaftliche Begleitung durch die Fraunhofer Gesellschaft. Ziel ist es, diese dritte, zahlenmäßig nachgeordnete Stufe ebenfalls im Herbst umzusetzen. Mit Blick auf den Herbst und Winter wird zudem in Erwägung gezogen, durch CO2-Ampeln, die bereits 2020 erfolgreich zum Einsatz kamen, Lüftungsintervalle intelligent zu steuern. Hierbei wird ein Wechsel von einer pauschalen Lüftungsregel zu einer CO2-orientierten Lüftung angestrebt. Eine entsprechende LED-Ampel soll Hinweise geben, wann es nötig wird zu lüften. Auf diese Weise könnten Unterrichtsunterbrechungen gering gehalten und Wärmeverluste minimiert werden. Die Verwaltung prüft derzeit, in Ergänzung zu den vorhandenen Sensoren, weiterentwickelte Systeme.
Das Problem mit der Kälte
Lüften in Schulen sei ohnehin nötig. Im vergangenen Winter gab es jedoch vermehrt Beschwerden darüber, dass die Schüler in der Kälte sitzen. "Im letzten winter hatten wir die Situation dass, durch die große Unsicherheit im Umgang mit Virus oft die Fenster ganze Unterrichtsstunde aufgelassen wurden, einfach um Sicherheit zu bekommen", erläutert Sozialdezernentin Christine Arbogast dazu. Sie ergänzt: "Regelmäßiges Stoßbelüften lässt auch die räume nicht so sehr auskühlen". Herlitschke zeigt eine weitere Lösung auf: "Wir haben das mal justiert und gesagt, über eine Erhöhung der Vorlauftemperatur kann eine erhöhte Grundtemperatur erzeugt werden, sodass wir im Wohlfühlbereich um 20 Grad herum auch bleiben können." Im Klartext hieße das, dass einfach die Heizungen stärker aufgedreht werden. "Das ist natürlich unter Klimaschutzaspekten ein stück weit ein Problem, weil wir damit die Außenluft heizen. Aber ich denke, da muss man auch mal Prioritäten setzen", erklärt der Hochbaudezernent weiter.
Maskenpflicht mit Pausen
Auch im neuen Schuljahr gilt für Schülerinnen und Schüler in allen Schulformen und Jahrgängen Maskenpflicht, auch im Unterricht. Kinder im Schulkindergarten, in Klasse 1 sowie Kinder mit Beeinträchtigungen und Unterstützungsbedarfen dürfen die Maske für kurze Zeiträume abnehmen. Alle Kinder können eine Maskenpause zum Beispiel im Rahmen der Lüftungspause im Klassenraum machen. Auf dem Schulhof besteht keine Maskenpflicht. Außerdem gilt weiterhin das Kohortenprinzip. Kinder, die nicht der gleichen Kohorte angehören, müssen einen Abstand von mindestens 1,5 Meter einhalten. In den ersten sieben Schultagen werden die Schülerinnen und Schüler täglich getestet (Donnerstag, Freitag sowie die erste vollständige Schulwoche). Danach wird dreimal pro Woche getestet. Vollständig Geimpfte und Genesene sind von der Testpflicht befreit. Zurzeit haben rund 40 Prozent der 12- bis 17-Jährigen in Braunschweig eine Erstimpfung erhalten. „Impfungen gemäß STIKO-Empfehlung werden ein wichtiger Baustein bei der Rückkehr zu einem normalen Schulbetrieb sein, wie wir ihn uns nach anderthalb Jahren Pandemie alle wünschen“, sagte Schuldezernentin Dr. Christine Arbogast.
Quarantäne in Einzelfallentscheidung
Wenn eine Schülerin oder ein Schüler erkrankt, prüft das Gesundheitsamt die Situation vor Ort und entscheidet anlassbezogen, wie viele Personen in Quarantäne gehen müssen. Dies hängt davon, ob die Maske durchgängig getragen wurde und wie die Lüftungs- und Abstandssituation sich jeweils darstellt. Für die Zeit der Quarantäne müssen Eltern ihre Kinder vom Unterricht entschuldigen.
Ausnahmen von der Präsenzpflicht im Härtefall
Es gibt eine Härtefall-Regelung, die Kindern, die das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs haben, eine Befreiung von der Präsenzpflicht ermöglicht. Dies gilt für den Zeitraum einer von Gesundheitsamt verhängten Infektionsschutzmaßnahme, wenn die Kinder die Jahrgänge 1 bis 6 besuchen oder einen Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung haben sowie für Schülerinnen und Schüler, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können.
Informationen zu Kitas und Kindertagespflege
Für die Kinder in Kitas und Kindertagespflege gilt weiterhin keine Maskenpflicht. Ab September können Eltern ihre Kinder ab drei Jahren dreimal pro Woche freiwillig testen. Bei Verdachtsfällen wird das Gesundheitsamt informiert und eine Liste der Kontaktpersonen für das Gesundheitsamt bereitgestellt. Bei Infektionsfällen prüft das Gesundheitsamt die Situation vor Ort und entscheidet über mögliche Einschränkungen des Betriebs.
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