Stadt: "Die AfD hat einen Anspruch auf die Nutzung der VW Halle"


Laut Gesetz stehe der AfD die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung wie der VW Halle zu.
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Laut Gesetz stehe der AfD die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung wie der VW Halle zu. Foto: Julia Seidel | Foto: Julia Fricke

Braunschweig. "Die Verwaltung nimmt den Dringlichkeitsantrag der BIBS-Fraktion vom 11. November zum Anlass, erneut klarstellend auf die bestehende Rechtslage hinsichtlich der Vermietung der Volkswagen Halle für die Durchführung des AfD-Bundesparteitages hinzuweisen: Bekanntlich hat die Stadthalle Braunschweig Betriebsgesellschaft mbH (Stadthallen-GmbH) als Betreiberin der Volkswagen Halle Braunschweig für die Durchführung des AfD-Bundesparteitages am Wochenende des 30. November / 1. Dezember mit der AfD spätestens am 21. August einen Mietvertrag wirksam geschlossen. Dies berichtet die Stadt Braunschweig in einer Stellungnahme, die wir ungekürzt und unkommentiert veröffentlichen.


Der Abschluss des Mietvertrages war für die Stadthallen-GmbH rechtlich geboten. Denn die AfD hat wie alle nicht vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Parteien nach Paragraph 5 Abs. 1 Parteiengesetz i.V.m. Art. 21 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz einen Rechtsanspruch auf die Nutzung öffentlicher Einrichtungen. Eine Möglichkeit zur Begrenzung dieses Zulassungsanspruchs durch eine entsprechende Widmung ergibt sich für die Volkswagen Halle nicht, da die Halle der Öffentlichkeit für Konzerte, Shows und Entertainment, Kongresse und Parteitage sowie für Sportveranstaltungen, Ausstellungen und Messen zur Verfügung steht. Eine Überlassung der Räumlichkeiten für Veranstaltungen und Tagungen politischer Parteien und vergleichbarer Organisationen ist – anders als etwa für das Altstadtrathaus und für das Schloss Richmond – bewusst nicht ausgeschlossen worden.
Stellt die Kommune ihre Einrichtungen jedoch auch politischen Parteien zur Verfügung, folgt aus den Grundsätzen der Parteienfreiheit und der Chancengleichheit der Parteien, dass sie sich allen Parteien gegenüber ohne Rücksicht auf deren politische Ziele neutral verhalten muss.
Daher ist es seit langer Zeit ständige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, dass die Entscheidung über das „Ob“ der Benutzung, also der Zugang zu öffentlichen Einrichtungen, stets dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist.
Eine Kommune kann lediglich das „Wie“ der Benutzung der Einrichtung privatrechtlich ausgestalten, in dem sie zum Beispiel eine Einrichtung von einer von ihr gegründeten und / oder beherrschten Gesellschaft des privaten Rechts betreiben lässt, konkrete Nutzungsregelungen vertraglich statt durch Verwaltungsakt trifft und privatrechtliche Entgelte statt kommunaler Abgaben erhebt.
Die privatrechtlich organisierte Form entbindet die Kommune jedoch nicht von ihren öffentlich-rechtlichen Pflichten, bei der Entscheidung über das „Ob“ der Benutzung alle Parteien gleich zu behandeln. Und das gilt in gleicher Weise für die von der Kommune beherrschten privatrechtlichen Gesellschaften.
Somit war die Stadthallen-GmbH rechtlich verpflichtet, den Mietvertrag mit der AfD-Bundespartei abzuschließen.
Spiegelbildlich ist die Stadthallen-GmbH nun nach Abschluss des Mietvertrages rechtlich daran gehindert, den Mietvertrag mit der AfD wieder zu kündigen, und zwar aufgrund der gleichen rechtlichen Maßgaben. Denn für die Frage des „Ob“ der Benutzung ist es unerheblich, ob es um die erste Zulassung zur Benutzung oder um die „Rücknahme“ oder „Rückgängigmachung“ einer bereits erfolgten Zulassung geht.
Bei sachlicher Betrachtung steht es daher außer Frage, dass die dargelegte öffentlich-rechtliche Verpflichtung von Kommunen zur Gleichbehandlung von Parteien erkennbar ins Leere gehen würde, wenn eine von der Kommune beherrschte privatrechtliche Gesellschaft als Hallenbetreiberin die Benutzung dieser Halle ohne Weiteres durch die Kündigung eines privatrechtlichen Mietvertrages vereiteln könnte.
Eine Kündigung des Mietvertrages mit der AfD käme allenfalls dann in Betracht, wenn eine Verletzung von Vereinbarungen über das „Wie“ der Benutzung in Rede stehen würde. Nach dem Mietrecht des BGB wird ein „wichtiger Grund“ für eine Kündigung verlangt, der jedenfalls aus dem Risikobereich des Kündigungsempfängers herrühren muss und in aller Regel vertragliche Pflichtverletzungen voraussetzt. Vertragliche Pflichtverletzungen der AfD-Bundespartei als Mieterin der Halle sind der Verwaltung nicht bekannt. Ein Kündigungsgrund besteht somit nicht.
Als weitere Möglichkeit zur Beendigung des Mietvertrages wird in der Öffentlichkeit auf die Veranstaltungsbedingungen der Stadthallen-GmbH verwiesen. Diese sehen aber lediglich eine Möglichkeit zum Rücktritt vom Mietvertrag vor, wenn durch die Veranstaltung eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung oder eine Schädigung des Ansehens der Stadt erfolgt.
Eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in dem Sinne durch die Veranstaltung des AfD-Parteitages ist für die Verwaltung nicht erkennbar. Maßgeblich hierfür ist der Umstand, dass die Veranstaltung unter dem Schutz des Versammlungsrechts nach Art. 8 GG steht. Als Versammlung in geschlossenen Räumen sind nach dem Niedersächsischen Versammlungsgesetz nur sehr eingeschränkte Eingriffsmöglichkeiten vorhanden (zum Beispiel Unfriedlichkeit der Versammlung selbst). Ansonsten sind Versammlungen „polizeifest“, das heißt, weitere Maßnahmen der Gefahrenabwehrbehörden gegen die Versammlungen sind unzulässig. Erst recht gilt dies für die Anwendung zivilvertraglicher Regeln, die die Schutzgüter der Gefahrenabwehr zum Anlass für andere, vertragsbeendende Maßnahmen nehmen wollten.
Zu der Frage, ob mit der Veranstaltung des AfD-Bundesparteitages eine Schädigung des Ansehens der Stadt verbunden ist, hat die Verwaltung bereits darauf hingewiesen, dass nicht erkennbar sei, dass die Veranstaltung der Bundesparteitage der AfD in den letzten Jahren einen Einfluss auf das Image oder das Ansehen der Veranstaltungsorte gehabt hätte. Ungeachtet dessen wäre ein Rücktritt vom Mietvertrag bereits deswegen unzulässig, weil die maßgeblichen Umstände für die Bewertung der Veranstaltung bereits vor Abschluss des Mietvertrages (August 2019) bekannt waren. Es gibt entsprechende allgemein bekannte Er- fahrungswerte aus den Orten, an denen in den letzten Jahren die Parteitage der AfD veranstaltet wurden. Der Rücktritt von einem wirksam geschlossenen Mietvertrag, seit deren Abschluss sich keine neuen Erkenntnisse ergeben haben, ist grob widersprüchliches Verhalten und somit unzulässig.
Zusammenfassend ergibt sich, dass selbst eine zivilrechtliche Möglichkeit zur Beendigung des Mietvertrages nicht gegeben ist.

Eine gleichwohl erklärte Vertragskündigung durch die Geschäftsführung der Stadthallen-GmbH wäre daher rechtswidrig. Dies würde also einen Verstoß gegen die für alle Organe einer Gesellschaft geltende Pflicht zu rechtmäßiger Amtsausübung darstellen. Das gilt folglich auch für einen Beschluss der Gesellschafterversammlung der Stadthallen-GmbH, der die Geschäftsführung zu einer Vertragskündigung veranlassen würde.
Daraus folgt, dass auch der beantragte Ratsbeschluss zur Anweisung der Gesellschaftervertreter, in der Gesellschaft für eine Kündigung zu sorgen, rechtswidrig wäre und im Ergebnis keinen Bestand haben würde.
Die Verwaltung empfiehlt daher, den beantragten Beschluss nicht zu fassen.
Für diese Empfehlung hat die Verwaltung auch die zu erwartenden Folgen einer Kündigung berücksichtigt. Schon wegen der terminlichen Enge wäre die AfD-Bundespartei bei einer Vertragskündigung faktisch gezwungen, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Nach den obigen Ausführungen würde die Stadthallen-GmbH in den Prozessen unterliegen und folgerichtig verpflichtet werden, die Volkswagen Halle der AfD zur Nutzung für den Parteitag zu überlassen. Allerdings müsste die Stadthallen-GmbH im Vergleich zur jetzigen Situation noch die für die Prozessführung anfallenden Gerichts- und Anwaltskosten (im hohen vierstelligen Bereich) tragen.
In diesem Zusammenhang lässt es die Verwaltung bei dem Hinweis auf die bestehenden Vermögensbetreuungspflichten aller Organe für die Stadt und der von ihr beherrschten Gesellschaften bewenden.

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https://regionalbraunschweig.de/bibs-fordert-kein-afd-parteitag-in-braunschweig/


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