Braunschweig. Ein Forschungsteam der Technischen Universität Braunschweig untersucht das Störpotenzial von Windenergieanlagen für die Flugzeugnavigation. Im Mittelpunkt des neuen Forschungsprojektes stehen so genannte Drehfunkfeuer. Da ihre Signale nicht verfälscht werden sollen, dürfen in ihrem Umkreis in der Regel keine Windräder gebaut werden. Mithilfe ihres Miniaturflughafens im Maßstab 1:144 wollen die Braunschweiger Wissenschaftler nun erstmals belastbare Ergebnisse vorlegen.
Drehfunkfeuer zählen zu den ältesten technischen Navigationssystemen in der Luftfahrt. Von der Erde senden sie Funksignale aus, die in Flugzeugen als elektronischer Kompass verwendet werden. Obwohl ihre Aufgabe zunehmend von anderen Einrichtungen, wie beispielsweise der Satellitennavigation, übernommen wird, sind sie als redundantes System nach wie vor wichtig. Deshalb gibt es strenge internationale Empfehlungen und sich darauf gründende Verfahren, die für einen sicheren Betrieb sorgen sollen. Unter anderem führen diese in der Regel dazu, dass Windenergieanlagen in einem Umkreis von rund 15 Kilometern um die Sendeanlagen keine Baugenehmigung erhalten. „Verlässliche Aussagen über das tatsächliche Störpotenzial von Windenergieanlagen gibt es bis heute nicht. Aufgrund der Komplexität des Problems kann man allenfalls grobe Simulationsrechnungen anstellen und die Alternative mittels klassischer Flugvermessung ist schon zeitlich und kostenmäßig in der Praxis kaum durchführbar“, erklärt Projektleiter Robert Geise vom Institut für Elektromagnetische Verträglichkeit der Technischen Universität Braunschweig. Geise und seine Kollegen sehen die Lösung in der Verkleinerung der Messumgebung. Im Maßstab 1:144 erweitern die Braunschweiger Wissenschaftler ihren Miniaturflughafen um Drehfunkfeuer und Windparks.
Robert Geise erläutert: „In dieser flexiblen Umgebung können Messungen mit geringem Aufwand für die benötige Vielzahl von Windparkzuständen mit den wichtigen Faktoren wie etwa der Windradgeometrie, der Drehzahl und der Geländetopologie durchgeführt werden.“ Anschließend führen die Expertinnen und Experten des Instituts für Flugführung der TU Braunschweig eine finale Verifikation mit ihrem Forschungsflugzeug an realen Windparks durch. Dabei, so der Projektleiter, sollen vor allem unterschiedliche, als kritisch identifizierte Windparkzustände überprüft werden. Ist das Forschungsteam aus Expertinnen und Experten der Elektrotechnik und der Flugführung erfolgreich, legen sie erstmals gültige, zuverlässige und damit auch juristisch hilfreiche Ergebnisse für das Störpotenzial der Windräder vor. Mit dem Forschungsvorhaben könnten die Grundlagen für ein besseres Bewertungsverfahren geschaffen werden, das beim Ausbau erneuerbarer Energien im Bereich der Windkraft zu mehr Planungssicherheit führte, erläutert Sebastian Willmann. Er ist Geschäftsführer der Koordinierungsstelle Windenergierecht (k:wer) an der TU Braunschweig. „Je nach Bemessungsgrundlage geht man von mehreren hundert Megawatt Ausbauleistung aus, die aufgrund des gegenwärtig praktizierten Vorgehens nicht umgesetzt werden können. Das Forschungsprojekt könnte nun methodisch einwandfreie und wissenschaftlich belastbare Ergebnisse liefern“, erklärt Willmann und fügt an: „Ein neues Bewertungsverfahren könnte auf Seiten aller Beteiligten zu mehr Handlungs- und damit Rechtssicherheit führen, ein Kernanliegen unserer Koordinierungsstelle.“
Zum Forschungsprojekt und zum Miniatur-Flughafen
Das Forschungsprojekt „Miniaturisiertes VHF Omnidirectional Radiorange und Windräder“ (min-VOR-Win) wird unter der Leitung des Instituts für Elektromagnetische Verträglichkeit zusammen mit dem Institut für Flugführung der Technischen Universität Braunschweig bis zum Ende des Jahres 2017 durchgeführt und mit einer Summe von rund 700.000 Euro durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert. In dem vorangegangen Forschungsprojekt „Skaliertes Instrumenten-Lande-System“ entwickelte und validierte die Arbeitsgruppe des IEMV einen Miniaturflughafen im Maßstab 1:144, um skalierte Landeanflüge in einem Zeitraum von nur 90 Sekunden über die gesamte Anflugdistanz (70 m beziehungsweise 10 km in der Realität) nachstellen zu können. Damit untersuchten sie, wie Signale des ILS von Gebäuden an Flughäfen oder Flugzeugen nahe der Landebahn abgelenkt und dadurch verfälscht werden. Das Projekt wurde durch das BMBF gefördert.
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