Tunesische Partnerstadt: Attraktiver Wirtschaftsstandort trotz Revolution

von Christina Balder




Braunschweig. Bemerkenswert positive Wirtschaftszahlen und exzellente Standortqualitäten präsentierte Elyes Ghariani,  Botschafter der Tunesischen Republik, am Donnerstag, 25. April, beim deutsch-tunesischen Wirtschaftsabend in der Industrie- und Handelskammer Braunschweig von seinem Land - trotz des revolutionären Umbruchs zu einem demokratischen Staat. Rund 100 Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Verbänden waren zu dem mit hochkarätigen Referenten besetzten Informationsforum gekommen, zu dem die Stadt Braunschweig gemeinsam mit der IHK eingeladen hatte.

In seiner Begrüßung sagte Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann. „Es geht nicht nur darum, der Partnerstadt Sousse bei dem schwierigen Prozess der Demokratisierung zu helfen, den auch Deutschland bei der Transformation der DDR in ein rechtstaatliches und marktwirtschaftliches System erlebt hat. Vor allem geht es darum, den Blick für Sousse als Unternehmens- und Industriestandort zu schärfen und deutschen Unternehmen dort Chancen für unternehmerische Initiativen zu eröffnen. Dafür bietet Tunesien beste Vorausset-zungen.“

Tunesien sei in der Reihe arabischer Länder am Mittelmeer das Land, das aufgrund seiner Kultur und Sprache als das stabilste aus dem Arabischen Frühling hervorgegangen sei und einen demokratischen Prozess eingeleitet hat. Der OB: „Sousse bietet exzellent ausgestattete Institutionen und technisch orientierte Wissenschaftler auf höchstem internationalem Niveau, die in Deutschland knapp sind.“ Er selbst sei bei seinem letztjährigen Besuch der tunesischen Partnerstadt überrascht gewesen, welch großes wirtschaftliches Potential in dem Land steckt.

„Die Standortqualitäten von Sousse sind hier nicht bekannt. Dabei sind Investitionen der Wirtschaft allein aus unternehmerischem Interesse ein wichtiger Beitrag zum weiteren Ausbau demokratischer Strukturen und Stabilität in Tunesien“, betonte Hoffmann.

Zuvor hatte IHK-Präsident Dr. Wolf-Michael Schmid auf die hohe Exportquote von Unternehmen aus dem Kammerbezirk Braunschweig hingewiesen. Die Kontakte zwischen Braunschweig und Stadt und Region Sousse spiegelten sich auch in den Beziehungen mittelständischer Unternehmen und wissenschaftlicher Einrichtungen aus dem Kammerbezirk wider. Gemeinsam mit den tunesischen Partnern habe man Anknüpfungspunkte herausgearbeitet, die eine Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen der Partnerstädte erwarten lassen.

Außer dem Botschafter waren der Konsul Mohamed Imed Torjemane aus Hamburg, der Geschäftsführer des Förderungsamtes für ausländische Investitionen (FIPA), Manhal Sebai, aus Köln sowie der Präsident der IHK Sousse, Nejib Mellouli, und der Generalmanager des Technologieparks Sousse, Hichem Turki, aus Sousse angereist. Die Braunschweiger Maschinenbauanstalt war durch den Geschäftsführer ihrer Dependance in Tunis, BMA Mena Industries, Dr. Mohsen Makina, vertreten.

Botschafter Ghariani stellte Tunesien  als ein Land  vor, dessen Wirtschaft trotz des politischen Umbruchs seit Beginn des Arabischen Frühlings im Januar 2011 im vergangenen Jahr um drei Prozent gewachsen sei. „Das ist ein Zeichen der Robustheit der tunesischen Wirtschaft. Für das laufende Jahr wird ein Anstieg der Bruttoinlandproduktes von 3,7 Prozent erwartet und in den folgenden Jahren  ist ein Wachstum von fünf bis sieben Prozent möglich.“

Rund 250 deutsche Unternehmen mit 53.000 Mitarbeitern stellten bereits einen bedeutenden Teil der tunesischen Wirtschaft. Die Investitionen der vergangenen drei Jahre hätten vorrevolutionäres Niveau bereits überschritten. Als Vorzüge seines Landes nannte der Botschafter eine hohe Wettbewerbsfähigkeit auch in Hochtechnologiesektoren wie Luft- und Raumfahrt, Stromerzeugung und Softwareentwicklung sowie eine große Zahl von Hochschulabsolventen. „Das sind wirklich gute Voraussetzungen für Kooperationen“, warb Ghariani.

Eindrucksvolle Wirtschaftsdaten lieferte auch der IHK-Präsident Mellouli aus Sousse, der auf 900 leistungsstarke Exportunternehmen in der Region Sousse aus der Textil-, Leder-, Chemie und Lebensmittelindustrie, aus dem Maschinenbau sowie der Elektrotechnik hinwies. Mit 20 Prozent Wachstum sei der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftszweig.

Generalmanager Hichem Turki stellte den Technologiepark Sousse als Kompetenzzentrum für Maschinenbau, Elektrotechnik und Tourismus dar, der selbst im Jahr der Revolution um 16 Prozent gewachsen sei. Er habe einen tiefen Spezialisierungsgrad erreicht und sein unter anderem Zulieferer bordgestützter Elektronik im Automobilbau. Der Technologiepark sei zu 89 Prozent privat finanziert und konzentriere sich aus Informatik und Elektronik sowie auf Existenzgründungen.

Von sehr guten Erfahrungen aus der unternehmerischen Praxis berichtete Dr. Mohsen Makina, Ge-schäftsführer des BMA-Ablegers in Tunis. Die BMA, die weltweit tätig ist und auch Dependancen in den USA, in China, Russland, Brasilien und Indien unterhält, exportiert 95 Prozent ihrer Anlagen. Sie ist in Tunesien seit 2006 präsent.

„Projekte, die 2011 zum Stillstand gekommen sind, stehen heute kurz vor der Fertigstellung“, sagte Makina. „Die BMA hat ihre zweite Firma in Tunesien unmittelbar nach der Revolution gegründet.“ Rund 70 Prozent der Leistungen würden lokal bereitgestellt. Die tunesische Verwaltung arbeite schnell. Die Arbeitskräfte seien qualifiziert. Ingenieure wiesen nach Schulungen deutsches Niveau auf und die Infrastruktur sei einschließlich der Datenkommunikation gut, der Lebensstandard hoch und die Kosten niedrig. Das mache eine enge Zusammenarbeit zwischen Braunschweig und Tunis möglich, auf die das Unternehmen angewiesen sei. Ausländischen Investoren gewähre Tunesien zudem viele Anreize.

Oberbürgermeister Dr. Hoffmann empfahl den Vertretern der Braunschweiger Wirtschaft, aus Eigeninteresse über ein Engagement in der Partnerstadt Sousse nachzudenken und sich beim städtischen Wirtschaftsdezernenten Gerold Leppa zu melden, der die dazu erforderlichen Kontakte herstellen werde.


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