Von Rollmops und Schnee: ein Jahr in Braunschweig

von Sina Rühland


| Foto: Sina Rühland



Braunschweig. Zwischen der Costa Ricanischen Hauptstadt San José und Braunschweig liegen rund 9.400 Kilometer Luftlinie. Marcia Brenes León hat für ein Jahr ihre mittelamerikanische Heimat verlassen, um in Deutschland Sprache und Kultur kennenzulernen. Die Austauschschülerin berichtet vom Leben in der Gastfamilie, Divergenzen zwischen den Nationen und einer neu entstandenen Liebe zu Braunschweig.



Bei einem Bummel durch die Stadt entdeckt Marcia eine Winterjacke und zeigt lachend darauf: "Die gibt es bei uns auch, nur, dass wir sie nicht brauchen." In Costa Rica herrschen das ganze Jahr über zwischen 16 und 26 Grad Celsius, da ist die warme Jacke nur ein modisches Accessoire. "Wir haben keine Jahreszeiten in meinem Land – ich liebe den Herbst in Deutschland. Aber warum ist es so kalt?", fragt sie.

Eines der ersten einprägsamen Impressionen, sind die spitz zulaufenden Dächer auf den Häusern. Als Marcia im Februar dieses Jahres in Deutschland ankommt – in die Kälte – ist sie völlig beeindruckt von der Bedeckung. "Wie im Märchen", sagt sie. Sie kann sich das nur so erklären, dass die Dächer dazu da sind, um den Schnee herunter rutschen zu lassen. À propos Schnee: Marcia hat noch nie Schnee gesehen. Und auch, wenn sie ihre Familie in San José sehr vermisst, freut sie sich auf das hoffentlich weiße Weihnachtsfest mit ihrer Gastfamilie.

Über Heimweh, Gastfamilie und Sympathie-Bekundungen




Bevor Marcia nach Braunschweig gekommen ist, bedurfte es einer ausgiebigen Vorbereitung. "Zwei Jahre mussten wir Zettel ausfüllen – Gesundheitsamt, Schulzeugnis, also gute Noten nachweisen und so", erzählt sie. Über den Hamburger Verein AFS hat sie sich für den Austausch beworben. Als ihr eine Braunschweiger Gastfamilie zugeteilt wurde, ging es auch schon bald los. Und das Heimweh nach der Familie? "Wir telefonieren nicht allzu oft, sonst bekomme ich Heimweh. Aber ich schicke jeden Abend ein Foto an meine Mama", sagt sie. Überhaupt wüsste Marcias Mama, dass sie glücklich sei und gute Freunde in Braunschweig gefunden hätte. "Mama sagte damals, bevor es los ging, dass ich das machen soll. Sie würde mich vermissen, aber sie wollte mich nicht daran hindern, meine Flügel auszubreiten und zu fliegen."

Zwei Monate nach ihrer Ankunft in Braunschweig, hat Marcia ihre Gastfamilie gewechselt. Es hätte nicht so richtig gepasst, sagt sie.  "In meiner Schule fragte ich dann, wer noch jemanden aufnehmen wolle und so bin ich bei meinen jetzigen Gasteltern gelandet. Ich hatte sofort ein Zuhause-Gefühl", erzählt sie. In ihrer Familie ist sie die Älteste, daheim, in San José, das Nesthäkchen. Demnächst hat Marcia ihren 18. Geburtstag und die deutsche Familie wird eine Party für sie geben: "Im Bayern-Style mit Leberkäse, ich liebe Leberkäse, und Brezeln."

Während des Gespräches fällt immer wieder auf, dass die 17-Jährige gerne lacht. Sie liebt alles und jeden, hat ein freundliches Wesen, das sich voll auf die deutschen Eigenheiten eingelassen hat. "Ich finde, die Deutschen sind sehr ehrlich und direkt – das ist super. Bei uns macht man das etwas indirekter", sagt sie. Ein bisschen würden ihr Umarmungen und Küsschen fehlen – die lateinamerikanische Herzlichkeit: "Die Deutschen sind auch so lieb, nur zeigen sie es nicht so."

Stimmt wohl: Rollmops mag nicht jeder




Was ihr an Deutschland gefällt? Marcia mag die alte Architektur, die "coole" Sprache, Theater und Literatur; sie kennt sämtliche Grimm-Märchen. Nur eines mag sie gar nicht: Rollmops. Gut, das kann man verstehen. Und mit dem Fahrradfahren hätte sie anfänglich so ihre Probleme gehabt, sagt sie. Der Verkehr in San José funktioniert einfach weniger geordnet und gerade viel Fahrrad fährt man dort auch nicht. Als Marcia also, auf dem Rad sitzend, von dem ersten Passanten an die Verkehrsregeln erinnert wird, ist sie etwas erstaunt. Kann man auch verstehen, der Deutsche meckert ja ganz gerne mal und versteckt seine Fürsorge hinter launisch wirkenden Zurechtweisungen.

Ansonsten freut sich Marcia auf die verbleibende Zeit, im Januar fliegt sie zurück nach Hause. Ihr Studium an der Universidad de Costa Rica beginnt im Mai, sie hat sich für Philologie eingeschrieben. Ihr Diplom – vergleichbar mit dem deutschen Abitur – hat sie bereits vor dem Aufenthalt in Braunschweig absolviert. Dennoch besucht sie bis zum Rückflug die Braunschweiger Neue Oberschule. Ob sie zurück kommt? Marcia hat auf jeden Fall vor, Deutschland mal wieder zu besuchen, und bis dahin, wünscht BraunschweigHeute.de ihr eine weiße Weihnacht, viele zauberhafte Momente und eine gehörige Portion Glück für die Zukunft.


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