Braunschweig. Seit Anfang des Jahres setzt das Städtische Klinikum bei der Behandlung von Schlaganfallpatienten auf eine neue Software. Diese basiert auf künstlicher Intelligenz und soll vor allem für eine schnellere und genauere Diagnose sorgen. Denn bei einem Schlaganfall zählt jede Minute, um Hirnzellen zu retten.
Für Prof. Dr. Philipp Wiggermann, Chefarzt des Instituts für Röntgendiagnostik und Nuklearmedizin, ist die Einführung der Software „Brainomix“ eine wertvolle Innovation in Sachen Diagnostik. Denn nur, wenn möglichst schnell erkannt wird, ob ein verstopftes Gefäß oder eine Blutung die Sauerstoffzufuhr der Nervenzellen im Gehirn eines Patienten beeinträchtigt, können medizinische Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Prof. Wiggermann erklärt: „Die neue Software liefert uns eine verlässliche Zweitmeinung.“ Diese Zweitmeinung zeigt sich auf dem Monitor als grauer Hirnscan mit farbig markierten Arealen. Für Mediziner werden auf diese Weise sowohl der Ort eines Gerinnsels als auch dessen Ausmaße erkennbar.
Die künstliche Intelligenz „arbeitet“ auf der Basis von Erfahrungswerten. Praktisch heißt das: Die Software wurde so lange mit Hirnscans von Schlaganfall-Patienten gefüttert, bis sie die Bilder selbst bewerten konnte. Prof. Wiggermann macht deutlich: „Mit dieser Software sind wir schneller, besser und sicherer.“ Bereits jetzt lässt sich festhalten, dass die Mediziner am Klinikum Braunschweig mit der neuen Software in etwa 10 bis 15 Prozent der Fälle schneller befunden können. Professor Wiggermann sagt: „Fakt ist: Unsere Befunde werden deutlich valider und reproduzierbarer und auch besser kommunizierbar an unsere klinischen Partner.“ Ein weiterer Faktor ist, dass die Software mehr sieht als das menschliche Auge. Insbesondere auch unerfahrenere Ärzte - etwa in der Nachtschicht - erhalten so wichtige Hilfe.
Funktionsoberarzt Cornelius Krusche bei der Arbeit. Foto: Alexander Dontscheff
Wie wichtig Schnelligkeit bei der Diagnose und Behandlung ist, weiß auch Mazen Abu-Mugheisib, Leitender Oberarzt der Neurologie: „Bereits innerhalb von wenigen Stunden sind irreversible Hirnschäden aufgetreten. Eine Rekanalisation, sprich die Auflösung oder Entfernung eines Blutgerinnsels ist dann nicht mehr möglich. Der Schlaganfall ist die dritthäufigste Todesursache in Deutschland.“ Die neue Software unterstütze in großem Maße die enge Zusammenarbeit des Instituts für Röntgendiagnostik und die Neurologische Klinik/Stroke Unit bei der Behandlung von Schlaganfallpatienten. Besonders bei der Erstdiagnostik und Akutphase besteht eine enge Verzahnung: Liegt ein Schlaganfall vor? Wie ist sein Ausmaß? Kann Gewebe gerettet werden? Was ist die Ursache? – Diese Fragen werden interdisziplinär geklärt und weitere Schritte eingeleitet.
Die Erfolge der neuen Software sollen in einem langfristig angelegten Projekt festgehalten und ausgewertet werden. Zudem wird die Software, die vom Hersteller zunächst kostenlos zur Verfügung gestellt wird, auf Basis der gemachten Erfahrungen regelmäßig upgedatet, berichtet Funktionsoberarzt Cornelius Krusche.
Auch in anderen Bereichen ist der Einsatz von neuer, auf künstlicher Intelligenz basierender Software denkbar. Wie Prof. Wiggermann verrät, soll demnächst auch im Bereich des konventionellen Röntgens eine neue Software zum Einsatz kommen.
Professor Wiggermann im Interview:
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