Zwischenräume

von Sina Rühland




Braunschweig. Studierende der Hochschule für Bildende Künste (HBK) holten die Ausstellungsbesucher nicht in ein Atelier, sie führten sie in den gegebenen Raum. An Orte, die mehr zeigten als Exponat und Wand. "Home Street Home" betitelte das alternative Ausstellungsprojekt und fasste Arbeiten von Künstlern und Kunstwissenschaftlern ganz neu zusammen. 

Fremde Menschen, die an der Haustür klingelten; Besucher, die an Nachbarn, Briefkästen und Kinderwägen vorbei gingen, um zu sehen wer hinter dem Klingelschild lebte und wie sich der Raum im Exponat widerspiegelte. Der Konsens der Gruppenausstellung war den gegebenen Raum neu zu definieren. Unzugängliches umzufunktionieren und darin das Gegenständliche einzubetten. Die Idee zu Home Street Home entstand in einem Seminar von Alice Musiol, in dem sich die HBK-Studierenden mit dem Thema "Ich allein, Künstler sein" beschäftigten. Und dort fiel auch im Kollektiv die Entscheidung für die außerschulischen und zum Teil sehr persönlichen Standorte.



Sich mit dem Raum als Teil des Werkes auseinanderzusetzen – ihn zu instrumentalisieren – war ein elementares Nebenprodukt der Ortswahl. Ein Teil der Studenten entschied sich für die eigene Wohnung. Die Malerei-Studenten Nina Rezagholinia und Jonny Isaak luden die Gäste in ihr heimisches Wohnzimmer ein. Fast leer und von persönlichen Gegenständen frei geräumt, lediglich mit einigen Schränken sowie den Zeichnungen und Malereien an den Wänden, wirkte der Raum wie die gemalte Nachahmung eines Wohnraumes.



Während die beiden Maler den fremden Besucher durch ihren Flur ließen, entschied sich Aaron Israel für die Treppe vor dem Haus. Seine Installation: Spiegel, deren sich drehender Zyklus auf die Geräusche der Straße reagierte. Je lauter die Umwelt wurde, desto langsamer drehten sich die Exponate. Stündlich stellte er einen Spiegel hinzu, machte die Geräusche der Umwelt zu einer sichtbaren Funktion."So entsteht gewissermaßen eine Lebendigkeit auf der Treppe – zwischen Heim und Straße – wie ein Korallenriff", sagte er. Einige Passanten blieben verwundert stehen, fragten nach oder gingen unbeachtet dessen weiter.

Wie unbewohnt ist leerstehender Raum?




Eine verlassene Wohnung, von Menschen zurückgelassene Gegenstände, die den Verfall des Objektes dokumentierten. Carolin Steinkamp und Sven-Julien Kanclerski nahmen die Poesie des Raumes und machten sie zum Kunstgegenstand. Wie verändert sich menschenleerer Raum? "Die Umwelt reagiert auf diese Zwischenräume", sagte Kanclerski. Jeder hinterlasse etwas an diesem Ort. Eine zerschmissene Fensterscheibe etwa, ein liegen gelassenes Stück Stoff oder Tapetenreste. Steinkamp hat in ihrem verlassenen Zimmer eine Weinflasche und einen alten Pelzmantel gefunden. Sie machte daraus etwas zufälliges, eine Bild ohne festen Rahmen und ohne starre Aufhängung – etwas gegebenes in einem Zwischenraum, einem Raum der irgendwie zu warten schien.



Einige Meter weiter befindet sich der Kunstverein Jahnstraße, der neben der laufenden Ausstellung von Martin Salzer die Ergebnisse der Nachwuchs-Fotografen zusammen getragen hatte. Grundlage war der Kunst-Koffer-Workshop mit Deborah Uhde, die mit den Kindern die Welt durch das Objektiv betrachtete. Mit einer Analog-Kamera ausgerüstet, zeigten die Kinder, wie sie ihre Umgebung wahrnehmen.

Weitere acht Künstler öffneten an diesem Tag ihre Wohnungen – erklärten einen fest funktionalen Raum zu einem öffentlichen Ort und gaben den Besuchern so die Möglichkeit, junge Braunschweiger Kunst hautnah zu erleben.