Braunschweig. Der Abwasserverband Braunschweig stellt in einer Pressemitteilung sein Konzept gegen Trockenheit vor. Nachhaltige Wassernutzung dient hier als Antwort auf trockene Perioden und sinkende Grundwasserstände. Das "Braunschweiger Modell" sichere die Bewässerung der Felder mit gereinigtem Abwasser.
Erst zu heiß, dann zu nass – der Juli in Niedersachsen habe wiederholt gezeigt, wie extrem das Wetter in Zeiten des Klimawandels schwanken könne. Im traurigen Zusammenspiel mit den in den letzten Jahren immer wiederkehrenden Dürreperioden in Braunschweig und Umgebung hätten die hohen Temperaturen am Sommeranfang trotz ergiebiger Regenfälle der letzten Tage sichtbare Spuren hinterlassen: niedrige Grundwasserpegel, geringe Wasserführung in umliegenden Gewässern und ein zunehmend gestresstes Ökosystem.
Einschränkungen durch die Behörden
Bei fortlaufenden uneingeschränkten Wasserentnahmen befürchten die Behörden erhebliche Beeinträchtigungen für die Gewässerökologie und den Wasserhaushalt. Als Reaktion auf diese Entwicklung erließ die Stadt Braunschweig eine Allgemeinverfügung, die seit dem 1. Juli 2025 den Wasserverbrauch stark einschränkt – insbesondere für die Beregnung von landwirtschaftlichen Flächen, öffentlichen und privaten Grünflächen wie Parkanlagen und Gärten sowie von Sportanlagen wie Fußball- oder Golfplätzen. Die Entnahme von Wasser aus Brunnen und Oberflächengewässern wird damit zu bestimmten Zeiten und bei Temperaturen über 24 Grad Celsius untersagt.
Der Landkreis Peine zog am 21. Juli nach. „Die Auswirkungen der Dürrephase im Frühjahr haben Grundwasserstände landesweit beeinflusst und zu einem frühzeitigen Einsetzen der saisonalen Absenkung geführt. Aufgrund der aktuellen und voraussichtlich andauernden Entwicklung der Grundwasserstände ist landesweit mit einer Verschärfung der Grundwasserstandsituation zu rechnen. Es ist weiterhin von einer angespannten Grundwassersituation auszugehen“, lautet die Begründung des Landrates Peine.
Wertvolles und schutzbedürftiges Gut
Im Kreis Gifhorn stammt die „Allgemeinverordnung zur Beschränkung der Wasserentnahme aus Fließgewässern auf dem Gebiet des Landkreises Gifhorn“ aus dem Jahr 2023. Sie gilt ganzjährig bis auf Widerruf. All diese Maßnahmen machten aufs Neue deutlich: Die Lebensgrundlage Wasser war, ist und bleibt ein wertvolles und schutzbedürftiges Gut. Auch in unseren Breitengraden.
Inmitten dieser angespannten Lage werde das regionale Erfolgsmodell besonders sichtbar, denn hier laufen Regenmaschinen rund um die Uhr: Der Abwasserverband Braunschweig setzt seit Jahren konsequent auf die Wiederverwendung von gereinigtem Abwasser, dem sogenannten Klarwasser, für landwirtschaftliche Beregnung. Ein Konzept, das einmal mehr seine Zukunftsfähigkeit beweise.
Seit Jahrzehnten etabliert
„Unser System zeigt gerade in extremen Trockenzeiten, wie wertvoll intelligente Wasserkreisläufe sind“, sagt Dr. Franziska Gromadecki, Geschäftsführerin des Abwasserverbandes Braunschweig. Seit Jahren wird in der Region gereinigtes Abwasser aus der Kläranlage Steinhof gezielt zur Beregnung landwirtschaftlicher Flächen eingesetzt. Die Idee der Wasserwiederverwendung ist nicht neu – bereits 1881 formulierte Johannes Dürkoop einen weitsichtigen Vorschlag, das Abwasser der Kanalisation für die Landwirtschaft nutzbar zu machen.
In enger Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer und regionalen Betrieben versorgt der Verband aktuell über 2.600 Hektar Ackerfläche mit Klarwasser. Dieses durchlaufe eine moderne, mehrstufige Reinigungsanlage und entspricht sämtlichen gesetzlichen Vorgaben – auch im Hinblick auf hygienische Sicherheit.
Grundwasserschonung durch Kreislaufwirtschaft
Während andere Regionen mit steigender Wasserknappheit ringen, ermögliche das Braunschweiger Modell eine Schonung der Grundwasserressource. "Indem wir sorgfältig gereinigtes Abwasser sinnvoll nutzen, tragen wir dazu bei, den natürlichen Wasserkreislauf zu bewahren und zu stabilisieren", erklärt Gromadecki.
An einem durchschnittlichen Sommertag werde nahezu die gesamte Menge des in der Kläranlage Steinhof ankommenden Abwassers nach mehrstufiger Reinigung zur Beregnung eingesetzt. Damit könnten täglich rund fünf Prozent des Ackerlandes im Verbandsgebiet bewässert werden, was angesichts der begrenzten Wasserressourcen einen wichtigen Beitrag zur Ertragssicherung leiste.
Mais, Zuckerrüben und Stärkekartoffeln
Mit Hilfe spezieller Pumpen und Regenmaschinen bringen Pumpenwärter und Regenmeister das aufbereitete Wasser gezielt und ressourcenschonend auf die Felder aus. Besonders Mais, Zuckerrüben und Stärkekartoffeln profitierten in dieser Jahreszeit von der Bewässerung, da sie bis zur Ernte im September noch stark an Masse zulegen und empfindlich auf Trockenphasen reagieren.
Die Beregnung liefere nicht nur Wasser, sondern auch wertvolle Nährstoffe. Die so versorgten Energiepflanzen werden anschließend in der verbandseigenen Biogasanlage zur CO2-neutralen Erzeugung von Strom und Wärme genutzt – die wiederum mehreren Tausend Braunschweiger Haushalten zugutekomme. So verbinde das Braunschweiger Modell auf innovative Weise städtisches Abwasser und ländliche Bioenergie zu einem geschlossenen, nachhaltigen Wasser-Nährstoff-Energie-Kreislauf.
Klares Signal an die Zukunft
„Häufigere trockene Sommer bedeuten auch, dass der Bedarf zur Bewässerung in der Landwirtschaft steigen wird“, prognostiziert das Umweltbundesamt auf seiner Homepage. „Die Beregnungsbedürftigkeit wird deutschlandweit tendenziell zunehmen“, heißt es weiter. Insofern kann das Braunschweiger Modell auch ein Leitbild für andere Regionen sein. Der Abwasserverband sieht sich dabei nicht als Ausnahme, sondern als Beispiel für ressourcenschonende Nutzung, technischen Fortschritt und Kooperation zwischen öffentlicher Hand und Landwirtschaft – ein Konzept, das sich nicht nur in Dürrezeiten bewährt.