Gifhorn. Um syrischen Flüchtlingen die Einreise zu erleichtern, wurden bis Mitte 2015 Bürgschaften unterzeichnet, die Ende des vergangenen Jahres teilweise zu großen Geldforderungen führten. In Gifhorn wurden insgesamt 94 dieser Bürgschaften abgegeben. Das geht aus der Antwort des Niedersächsischen Landtages auf eine Anfrage der FDP hervor.
Mit der Aufnahmeanordnung Niedersachsens wurde insbesondere dem nachvollziehbaren Bedürfnis der in Deutschland lebenden Syrer, die für den Unterhalt ihrer von den Kriegsereignissen bedrohten Angehörigen aufkommen wollten und konnten, Rechnung getragen, diese auf legalem Weg zu sich holen zu können, wird in der Antwort das Verfahren erläutert. Voraussetzung für die Aufnahme syrischer Angehöriger sei unter anderem gewesen, dass deren Lebensunterhalt durch die hier lebenden Verwandten sichergestellt werde. Hierzu gaben die Angehörigen eine Verpflichtungserklärung - umgangssprachlich auch Bürgschaft genannt - ab. Die Möglichkeit, eine Verpflichtung zu unterschreiben, stand jedoch nicht nur den Angehörigen zur Verfügung, den Ausländerbehörden sei es auch möglich gewesen, weitere Verpflichtungserklärungen von Dritten anzunehmen.
In Folge der Einreise kam es teilweise zu Asylanträgen, die auch mit einer Schutzanerkennung nach dem Asylgesetz beschieden worden seien. In diesem Kontext ergab sich die für die Verpflichtungsgeber bedeutsame Rechtsfrage, ob mit der Schutzanerkennung die mit einer Verpflichtungserklärung verbundenen Erstattungspflichten für künftige Leistungen erlöschen. Das Land vertrat die Meinung, diese Verpflichtung erlöschen würde, sobald die Flüchtlinge offiziell als Flüchtlinge anerkannt werden würden. Am 18. Dezember 2014 sei jedoch bereits darauf hingewiesen worden, dass nicht abschließend abgeschätzt werden könne, inwieweit diese Rechtsauffassung von allen Leistungsbehörden geteilt wird und es eventuell zur Geltendmachung von Erstattungsansprüchen gegenüber den Verpflichtungsgebern kommen könne. Mittlerweile wurde auch durch ein Gerichtsurteil des Bundesverwaltungsgerichts klargestellt, dass die Rechtsauffassung des Bundes zutreffend gewesen sei. Die finanzielle Verpflichtung der Bürgen erlösche nicht, wenn der Status Flüchtling offiziell anerkannt ist.
Auch Gifhorner sind betroffen
Vor diesem Hintergrund wollte die FDP in wissen, wie viele Bürgschaften in Gifhornübernommen wurden und wie die Bürgen über ihre Pflichten aufgeklärt wurden.
Vor dem 18. Dezember 2014, an dem darauf hingewiesen wurde, dass es trotz einer Anerkennung zu Leistungsverpflichtungen kommen könne, haben 53 Gifhorner eine Bürgerschaft abgegeben, danach waren es 41. Nach eigenen Angaben wurden die Verpflichtungsgeber mündlich wie schriftlich darüber aufgeklärt, dass sie sich zur Übernahme der Kosten für den Aufenthalt ihrer Verwandten inklusive Unterbringung, medizinischer Versorgung und Lebensunterhalt für die gesamte Dauer des Aufenthalts in Deutschland verpflichten. Sofern Schutzbedürftige oder deren Verpflichtungsgeber bei der Ausländerbehörde vorsprachen, wurden diese darauf hingewiesen, dass die Pflicht zur Erstattung von Sozialleistungen, die ein Dritter gegenüber der Ausländerbehörde zugunsten eines Ausländers übernommen hat, nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Februar 2014 nicht rückwirkend mit dessen Flüchtlingsanerkennung entfällt und die Verpflichtungsgeber bis zur Flüchtlingsanerkennung un- geachtet des Asylbegehrens uneingeschränkt auch für die Kosten in Haftung genommen werden, die dem Land Niedersachsen für die Unterbringung und Versorgung der Asylbegehrenden während des Aufenthalts der Asylbegehrenden in den Aufnahmeeinrichtungen entstehen.
Wie geht es nun weiter?
Da die unklare Rechtslage hat nach Einschätzung des Ministeriums für Inneres und Sport mit dazu beitragen können, dass sich Verpflichtungsgeber nicht über die Reichweite der Verpflichtungen bewusst waren, hat sich Minister Boris Pistorius der Thematik angenommen und die Behandlung der Frage der Inanspruchnahme von Verpflichtungsgebern bei der Innenministerkonferenz (IMK) am 7. und 8.Dezember 2017 initiiert.
Dabei wurde folgender Beschluss gefasst:
1. Die IMK stellt fest, dass im Rahmen der Programme der Länder zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge viele Verpflichtungsgeber bei der Abgabe ihrer Verpflichtungserklärung davon ausgegangen sind, dass ihre Verpflichtung mit der Anerkennung des Betroffenen als Schutzberechtigter endet. In einigen Ländern sehen sich Betroffene mit hohen Rückforderungen von öffentlichen Leistungen konfrontiert.
2. Die IMK bittet daher die Länder Niedersachsen und Hessen, mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Gespräche zur Lösung der Problematik zu führen.
Pistorius hat sich weiterhin an das zuständige Bundesressort, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), gewandt und gebeten, dass Verpflichtungsgeber nicht unbillig und unangemessen in die Pflicht genommen werden. Dieses habe darauf dargestellt, dass zwar nach dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung die Behörden nicht generell auf die Inanspruchnahme der Verpflichtungsgeber verzichten könnten, allerdings ausreichende Spielräume für tragbare Lösungen im Einzelfall bestünden.
Darüber hinaus hat sich der Niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil mit Schreiben vom 18. Dezember 2017 an die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel gewandt, die bestehenden Problematik erläutert und eine Lösung auf Bundesebene eingefordert. Diese stehe bisher noch aus.
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