Berlin. Obwohl Bulgarien offiziell über Monate Waffenlieferungen an die Ukraine verweigerte, hat die Regierung in Sofia ab dem Frühjahr 2022 über Zwischenhändler die Lieferung von Diesel, Munition und Rüstungsgütern an die ukrainische Armee genehmigt und ermöglicht. Zeitweise deckte Bulgarien damit mehr als ein Drittel des ukrainischen Bedarfs.
Das machen nun erstmals Recherchen der "Welt" (Mittwochsausgabe) öffentlich. Demnach soll Kiew im April inoffiziell Sofia um Hilfe gebeten haben, weil der ukrainischen Armee sowohl die Munition aus sowjetischer Produktion als auch der Treibstoff beinahe ausgegangen wäre. Mit dieser verdeckten Strategie setzte sich der damalige Premier Kiril Petkow über seinen Koalitionspartner, die Sozialistische Partei, hinweg, die direkte Waffenlieferungen an Kiew strikt abgelehnt hatten. Sowohl die Lieferungen der Munition als auch des Diesels liefen nicht von Regierung zu Regierung, sondern über zwischengeschaltete Firmen in Bulgarien und im Ausland; beides wurde auf dem Luft- und Landweg über Rumänien, Ungarn und Polen in die Ukraine gebracht.
Das bestätigte der damalige Regierungschef und heutige Oppositionspolitiker Kiril Petkow jetzt der "Welt". Seine Regierung habe Zwischenhändlern die Genehmigung zur Ausfuhr erteilt. "Unsere private Militärindustrie produzierte auf Hochtouren", sagte er. "Wir schätzen, dass rund ein Drittel der von der ukrainischen Armee benötigten Munition in der frühen Phase des Krieges aus Bulgarien kam"; so Petkow weiter.
Besonders brisant: Der Diesel, den Bulgarien unbemerkt von der Öffentlichkeit lieferte, wurde aus russischem Rohöl in der Raffinerie am Schwarzen Meer gewonnen, die damals zur russischen Firma Lukoil gehörte. Der damalige Finanzminister Assen Wassilew sagte der "Welt": "Bulgarien wurde zu einem der größten Exporteure von Diesel in die Ukraine und deckte zeitweise 40 Prozent des ukrainischen Bedarfs." Die Regierung in Kiew bestätigte auf "Welt"-Anfrage die Unterstützung. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte, dass seinem Land im vergangenen April die Munition auszugehen drohte.
"Wir wussten, dass die bulgarischen Lagerhäuser über große Mengen der benötigten Munition verfügten, und so schickte mich Präsident Selenskyj, um durch diplomatische Geschicklichkeit das notwendige Material zu beschaffen", so Kuleba. Es sei damals um "Leben und Tod" gegangen, sagte er. Petkow habe Kuleba dann zugesichert, dass er "alles in seiner Macht Stehende" tun werde, obwohl seine innenpolitische Lage "nicht einfach" sei. Es sei nicht um direkte Lieferungen gegangen, sondern darum, "dass ukrainische Unternehmen und Unternehmen aus NATO-Ländern die Möglichkeit erhielten, bei bulgarischen Verkäufern zu beschaffen, was benötigt wurde", so Kubela.
In der Folge habe sich Kiril Petkow "als integer erwiesen, und ich werde ihm immer dankbar sein, dass er sein ganzes politisches Geschick eingesetzt hat, um eine Lösung zu finden", sagte Kuleba. Die Geschichte sei im Grunde einfach: Während sich einige Mitglieder der bulgarischen Koalition auf die Seite Russlands stellten, habe sich Petkow entschieden, "auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen und uns zu helfen, uns gegen einen viel stärkeren Feind zu verteidigen", so Kuleba.
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