Frankfurt/Main. Bundesbankpräsident Joachim Nagel hat angedeutet, dass die Europäische Zentralbank auch im Dezember zu weiteren Zinsschritten gezwungen sein wird. "Klar ist: Die Zinserhöhungen müssen weitergehen", sagte Nagel dem Fernsehsender Phoenix.
"Das Inflationsbild erweist sich als hartnäckig, und wir müssen mit dem, was wir tun, noch hartnäckiger sein, um die Inflation zurückzudrängen." Er schätze die Lage so ein, dass bis zum Beginn des kommenden Jahres mit einer deutlichen Abkühlung der Wirtschaft kalkuliert werden müsse. "Aber wir gehen nicht davon aus, dass es zu einer harten Landung kommt. Wir werden es eher mit einer milden Rezession zu tun haben", so der Bundesbankpräsident weiter.
Auch im kommenden Jahr müsse man in Deutschland von einer Inflationsrate um die sieben Prozent, "möglicherweise sogar darüber" ausgehen. Ab 2024 rechne er jedoch mit deutlich niedrigeren Zahlen. "Wir werden mit den geldpolitischen Maßnahmen, die wir dieses Jahr schon eingeleitet haben, die zwei Prozent erreichen", so Nagel. Gleicher Überzeugung ist auch der französische Zentralbankchef Francois Villeroy de Galhau.
Es brauche 18 bis 24 Monate, bis die Maßnahmen Wirkung zeigten. Villeroy de Galhau warnte jedoch davor, das Mittel staatlicher Hilfsmaßnahmen zu überreizen. "Das kann nur temporär sein, und es muss auch gezielt sein, sonst kostet es zu viel und langfristig ist es auch nicht wirksam." Dem stimmte Nagel uneingeschränkt zu.
"Das Signal der Finanzpolitik muss sein, dass man wieder zur Schuldenbremse zurückkehrt." Es sei zwingend, mit stabilen Haushalten zu arbeiten. "Das muss Maßgabe sein für die Zukunft." Villeroy de Galhau forderte, dass die EU-Staaten ab 2024 aktiv daran arbeiten müssten, ihre Verschuldung zurückzufahren und die Maastricht-Kriterien zu erfüllen.
"Wir brauchen klare Regeln und die müssen künftig auch angewandt werden. Die bisherigen Regeln waren zu theoretisch." Nagel ergänzte: "Wir benötigen stärkere Verbindlichkeit und Verlässlichkeit, auch mehr Transparenz. Es muss für die EU-Länder nachvollziehbarer sein, wie man Ziele zügig erreichen kann."
Um den Euro machte sich der Bundesbankpräsident wenig Sorgen. "Wir sind wesentlich Krisen-resilienter als etwa 2008." Nagel wie auch Villeroy de Galhau warben dafür, sehr bald zu einer Kapitalmarkt-Union zu kommen, um Projekte des grünen und digitalen Wandels finanzieren zu können. "Es sind jedes Jahr mehrere hundert Milliarden Euro aus privatem Kapital notwendig, um die Themen in der Geschwindigkeit anzustoßen, wie es jetzt notwendig ist", so Joachim Nagel.
Villeroy de Galhau sagte, dass es hier bislang vor allem zu bürokratischen und technischen Hindernissen gekommen sei. "Ich sehe jedenfalls kein großes politisches Problem."
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