Niedersachsen. Die Niedersächsische Ministerin für Inneres, Sport und Digitalisierung, Daniela Behrens, und die Niedersächsische Justizministerin, Dr. Kathrin Wahlmann, haben am Montag das fünfte gemeinsame Lagebild von Polizei und Justiz zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen in Niedersachsen vorgestellt. Darüber berichtet das Innenministerium in einer Pressemitteilung.
Kriminelle Clanstrukturen seien gekennzeichnet durch die Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten jeglicher Deliktsart und -schwere aus diesem Umfeld, dieses zeichne sich durch ein hohes kriminelles Potenzial und eine allgemein rechtsfeindliche Gesinnung aus.
Das zeichnet Clankriminalität aus
Die maßgeblichen, ergänzenden Indikatoren umfassen unter anderem das Ausleben eines stark überhöhten familiären Ehrbegriffs und das innerfamiliäre Sanktionieren von Verstößen gegen diesen Ehrbegriff, das Voranstellen von familieninternen, häufig im Gewohnheitsrecht verwurzelten Normen über das Gesetz und die Verfassung, das Provozieren von Eskalationen auch bei nichtigen Anlässen oder geringfügigen Rechtsverstößen unter Ausnutzung von Mobilisierungs- und Bedrohungspotentialen sowie eine den Rechtsstaat umgehende oder unterlaufende Paralleljustiz.
Im Jahr 2024 wurden der Clankriminalität insgesamt 3.145 Straftaten zugeordnet, im Jahr 2023 waren es noch 3.610. Damit ist im Jahr 2024 zum zweiten Mal in Folge ein Rückgang im Vergleich zum Vorjahr zu konstatieren, konkret um -465 Fälle beziehungsweise -12,88 Prozent. Verglichen mit der gesamten Polizeilichen Kriminalstatistik, die 529.264 Straftaten (2023: 553.202) umfasste, ergibt dies für die Clankriminalität einen prozentualen Anteil von 0,59 Prozent.
"Anhaltend große Herausforderungen"
Auch wenn die Clankriminalität statistisch weniger als ein Prozent Anteil an der polizeilich erfassten Kriminalität ausmacht, stelle sie die Strafverfolgungsbehörden anhaltend vor große Herausforderungen und wirke sich neben den objektiv von ihr ausgehenden Gefahren insbesondere auf die subjektive Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger negativ aus, weshalb sie seit mehreren Jahren als ein landesweiter Schwerpunkt in der Aufgabenwahrnehmung von Polizei und Justiz verfolgt werde.
Darüber hinaus habe sich im vergangenen Jahr erneut gezeigt, dass kriminelle Angehörige entsprechender Clanstrukturen äußerst flexibel sich bietende Gelegenheiten ergreifen und in der Lage sind, kriminelle Angebote unverzüglich auf den Markt zu bringen, so aktuell beispielsweise im Bereich des illegalen Glückspiels.
Vor allem Körperverletzungsdelikte
Kennzeichnend für das Phänomen der Clankriminalität machten Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit mit 1.018 Taten gut ein Drittel der Gesamtfälle aus. Bei genauerer Betrachtung werde dabei ersichtlich, dass insbesondere die Körperverletzungsdelikte mit 583 Fällen einen Großteil der Rohheitsdelikte ausmachen.
Es wurde eine Zunahme bei Diebstahl unter erschwerenden Umständen von 242 auf 303 Fälle (+25 Prozent) festgestellt, was eine gegenläufige Entwicklung zu den allgemein zurückgegangenen Fallzahlen darstelle. Hierbei handelte es sich insbesondere um teils bandenmäßig begangene Ladendiebstähle.
Wer sind die Täter?
Korrespondierend mit dem Rückgang der Fälle insgesamt, wurden 2.903 (2023: 3.048) tatverdächtige Personen erfasst. Etwa 80 Prozent Prozent der tatverdächtigen Personen waren männlich. Die Altersstruktur der Tatverdächtigen wies dabei ein breites Spektrum auf. Von der Gesamtzahl der Tatverdächtigen machten Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre einen prozentualen Anteil von 16,81 Prozent (2023: 15,49 Prozent) aus.
Von den 2.903 Tatverdächtigen haben 1.632 (etwa 56 Prozent) die deutsche Staatsangehörigkeit. Hiervon wurden 1.310 auch in Deutschland geboren. Bei den nicht-deutschen Tatverdächtigen war ein Rückgang von 1.406 (46,13 Prozent) auf 1.271 (43,78 Prozent) zu verzeichnen. Unter den nicht-deutschen Staatsangehörigkeiten waren rumänisch, türkisch und syrisch am stärksten vertreten.
Die Tatorte verteilten sich - in unterschiedlicher Ausprägung - über das gesamte Flächenland Niedersachsen, sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten. Sogenannte Hotspots wie in anderen Bundesländern würden sich in Niedersachsen weiterhin nicht abzeichnen.
Fast 5 Millionen Euro abgeschöpft
Bei der Anzahl der Vermögensabschöpfungsvorgänge mit vorläufigen Sicherungen ist es in 2024 zu einer erheblichen Steigerung gekommen. Nach 33 Vorgängen in 2023 konnten im vergangenen Jahr in 47 Vorgängen vorläufige Sicherungen in Höhe von 4.938.113 Euro erzielt werden. Dies entspricht einem Anstieg von 2.959.804 Euro (knapp 150 Prozent). Damit werde ein Allzeit-Hoch seit Erstellung des gemeinsamen Lagebildes erreicht.
Mit der „Landesrahmenkonzeption zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen in Niedersachsen“ bestehen landesweit einheitliche und zukunftsfähige Standards, die auf einen ganzheitlichen und niedrigschwelligen Ansatz abzielen. Die behördenübergreifende Zusammenarbeit wurde weiter ausgebaut und trage einerseits maßgeblich dazu bei, die Clankriminalität in all ihren Facetten sichtbar zu machen und andererseits eine etwaige Etablierung von kriminellen Strukturen und Geschäftsmodellen zu unterbinden.