Wolfsburg/Braunschweig. Am 2. Juni wurde vor dem Amtsgericht Wolfsburg ein Umweltaktivist zu einer Geldstrafe verurteilt. Bei einer Solidaritätskundgebung vor dem Amtsgericht beschlagnahmte die Polizei die Kameraausrüstung eines Journalisten. Dieser klagte deswegen durch alle Instanzen und erwirkte vor dem Bundesverfassungsbericht (BVerfG) in Karlsruhe nun eine einstweilige Verfügung. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig muss ihm die Kamera zurückgeben. Das könnte jedoch nur ein befristeter Erfolg sein, wie die Staatsanwaltschaft Braunschweig berichtet.
Das BVerfG sieht die Beschlagnahmung der Kamera als "nicht verhältnismäßig" an und sah die Pressefreiheit des Klägers verletzt. Darüber hinaus erhielten auch das Amtsgericht Braunschweig und das Landgericht Braunschweig von den Verfassungsrichtern einen Rüffel. Beide hätten bei der Begründung ihrer Ablehnung der Beschwerde des Klägers das Grundrecht auf Pressefreiheit nicht hinreichend berücksichtigt: "(Das Landgericht) erkennt in seiner Beschwerdeentscheidung, dass die Pressefreiheit einschlägig ist. Es nimmt sich
mit seiner Argumentation (...) indes die Möglichkeit, die gebotene Abwägung durchzuführen", meint das Bundesverfassungsgericht.
Der Journalist dokumentierte den Verlauf der Versammlung sowie den anschließenden Polizeieinsatz nach dem Ende der Versammlung. Umweltaktivisten hatten sich vor dem Amtsgericht Braunschweig eingefunden, dort lief zu dieser Stunde der Prozess gegen einen Umweltaktivisten, der an der Blockadeaktion am Volkswagen-Werk im August 2019 beteiligt gewesen war. Die Polizei sah im Verlauf der Versammlung Verstöße gegen die Corona-Verordnung. Zur Feststellung der Identität führte sie einzelne Personen einer sogenannten „Bearbeiterstraße“ zu. Der Journalist hielt sich außerhalb der umstellten Personengruppe auf und dokumentierte mit seiner Kamera das polizeiliche Vorgehen. Die eingesetzten Polizeibeamten hielten ihn jedoch für einen Demonstranten, und forderten ihn auf, zur Feststellung seiner Identität mitzukommen. Weil der Mann seine Kamera auf Brusthöhe festhielt und die eingesetzten Polizeibeamten den Eindruck hatten, der Antragsteller mache Aufnahmen, forderten sie ihn auf, die Kamera auszuschalten; eine Videoaufnahme verletze die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes. In der Folge beschlagnahmte die Polizei seine gesamte Kameraausrüstung. Das Stativ sowie den USB-Speicherstick gab die Staatsanwaltschaft im Laufe des Ermittlungsverfahrens bereits frei.
"Der Weg von Karlsruhe zu uns ist lang"
Das Urteil ist übrigens auf den 22. Oktober 2020 datiert - und bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig offiziell noch nicht eingegangen. "Tatsächlich ist die Kamera noch bei uns", erklärt Christian Wolters, Sprecher der Staatsanwaltschaft gegenüber regionalHeute.de und fügt hinzu: "Der Weg von Karlsruhe zu uns ist weit und wir kriegen die Entscheidungen häufig erst, wenn das Bundesverfassungsgericht sie schon veröffentlicht hat, das hatten wir schon häufiger." Darüber, das nun tatsächlich eine einstweilige Verfügung des Bundesverfassungsgerichtes vorliegt, zeigte sich Wolters erstaunt: "Das hatten wir noch nie. Seit ich hier bin kann ich mich nicht daran erinnern, dass sich jemand gegen eine Sicherstellung so vehement gewehrt hätte, dass das bis vors Bundesverfassungsgericht gegangen wäre." Selbstverständlich komme man der Verfügung nach, sobald diese die Staatsanwaltschaft aus Braunschweig erreicht. Der regionalHeute.de namentlich bekannte Journalist war unter den bekannten Nummern am heutigen Donnerstag für eine Stellungnahme zum vorläufigen Erfolg nicht zu erreichen.
Kamera könnte wieder eingezogen werden
Die Rückgabe der Kamera ist zunächst jedoch tatsächlich nur ein vorläufiger Erfolg, der sogar auf sechs Monate befristet ist. Denn gegen den Journalisten wird noch immer wegen einer möglichen Straftat ermittelt. "Insoweit dürfte die Entscheidung für die strafrechtliche Bewertung des Verhaltens des Journalisten unerheblich sein. Das Gericht hat lediglich zur Frage der Verhältnismäßigkeit der Beschlagnahme der Kamera des Journalisten Stellung genommen", erklärt Wolters. Er fährt fort: "Um dauerhafte Nachteile für den Journalisten zu verhindern, wurde angesichts der möglicherweise noch Monate andauernden strafrechtlichen Auseinandersetzung einstweilen die Herausgabe der Kamera angeordnet. Das bedeutet aber nicht, dass die Kamera im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung nicht doch eingezogen werden könnte."
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