Braunschweig. Landesbischof Dr. Christoph Meyns hat die weltverändernde Kraft von Weihnachten unterstrichen. In seiner Predigt am Heiligen Abend im Braunschweiger Dom sagte er, die dunklen Zeiten würden erhellt durch das Licht von Weihnachten. Betroffen äußerte er sich zum Anschlag von Magdeburg. Das berichtet die Ev.-luth.Landeskirche in einer Pressemeldung.
„Fassungslos und ohnmächtig stehen wir vor einer Tat, die unschuldige Menschen verletzt und in den Tod gerissen hat“, so Meyns. Der Anschlag gehe auch den Menschen im Braunschweiger Land besonders nahe, weil Personen von hier direkt an Leib und Leben betroffen seien.
"Krisen verdunkeln die Welt"
Aber auch gesellschaftliche Krisen, wie drohende Arbeitslosigkeit, der Krieg in der Ukraine sowie politische Bewegungen, die mit Ausgrenzung, Abwertung, Lügen und Hass arbeiten, verdunkelten die Welt. Dagegen stehe die Geburt Jesu als Gottes großer Zuspruch für die Menschen, für die „tiefe Gewissheit, in Gott geborgen zu sein und bei ihm festen Halt zu haben“. Der Mensch dürfe sich verstehen als „zutiefst geliebtes Kind Gottes, egal, wie jung oder alt ich bin, wie schön, wie reich, wie intelligent oder leistungsfähig ich im Vergleich zu anderen bin, egal, was äußere oder innere Stimmen mir einreden“.
Daraus erwachse die Kraft, von sich selbst abzusehen und das Leid anderer Menschen wahrzunehmen. Aus dem Gebet wachse die Bereitschaft zu helfen, wo immer ich kann.
Die Weihnachtspredigt im Wortlaut:
"Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde! „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.“ So haben wir es vorhin in der Weissagung des Propheten Jesaja gehört. Aufgeschrieben wurden diese Worte in einer finsteren Epoche der Geschichte des Volkes Israel. Die assyrische Armee unter Sargon II hatte den Norden des Landes erobert und annektiert, den König gefangen genommen und ihn zusammen mit der gesamten Führungsschicht aus Beamten, Gelehrten und Priestern samt Soldaten und Handwerkern auf Nimmerwiedersehen in die Fremde verschleppt.
Verglichen damit leben wir in lichten Zeiten. Straßenlaternen vertreiben die Dunkelheit der Nacht, jedes Zimmer lässt sich per Knopfdruck taghell erleuchten. Die meisten unter uns kennen nichts anderes als ein Leben in Frieden, Freiheit und Wohlstand, gute medizinische Versorgung, Freiräume zur persönlichen Entfaltung und Lebenschancen, von denen unsere Vorfahren nicht einmal zu träumen wagten.
Aber wahr ist auch: Es ist wohl keiner unter uns, der nicht schon finstere Zeiten erlebt hätte: einen Todesfall, eine Krankheit, eine gescheiterte Beziehung, finanzielle Schwierigkeiten oder ein Konflikt mit dem Gesetz.
"Ein dunkler Schatten über diesen Tagen"
Dazu kommen gesellschaftliche Dunkelheiten: Die Regierung ist zerbrochen; politische Bewegungen gewinnen an Einfluss, die mit Ausgrenzung, Abwertung, Lügen und Hass arbeiten; Menschen in unserer Region bangen um ihre Arbeitsplätze; der Krieg in der Ukraine geht ins dritte Jahr. Und als ob das alles nicht schon genug wäre, legt sich mit dem Anschlag in Magdeburg ein dunkler Schatten über diese Tage. Fassungslos und ohnmächtig stehen wir vor einer Tat, die unschuldige Menschen verletzt und in den Tod gerissen hat – auch aus dem Braunschweiger Land.
Wie kommt Licht ins Dunkel dieser Tage, Licht, das wir brauchen, um finsteren Zeiten standzuhalten? Der Prophet Jesaja lenkt unseren Blick überraschenderweise auf die Geburt eines Kindes. ”Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich.” Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede- Fürst, diese merkwürdig klingenden Ausdrücke sind die Ehrentitel eines ägyptischen Pharaos. Das war damals eine wenig plausible Ansage. Von Ägypten gab es keinerlei militärische Unterstützung zu erwarten. Und so hat sich diese Prophezeiung damals auch nicht erfüllt und geriet in Vergessenheit.
"Gewissheit, in Gott geborgen zu sein"
Die ersten Christinnen und Christen jedoch nahmen diese Worte auf als Weissagung der Geburt Jesu. Für sie ging mit dem Kind in der Krippe ein großes Licht auf, das ihr Leben hell machte. Was ist das für ein Licht? Im Stall von Bethlehem begegnet mir ein großer Zuspruch. Es ist die tiefe Gewissheit, in Gott geborgen zu sein und bei ihm festen Halt zu haben, im Leben wie im Sterben, in Stärke wie in Schwäche, in Gesundheit wie in Krankheit, in Reichtum wie in Armut, im Erfolg wie im Scheitern, in Rechtschaffenheit wie in Schuld. Ich darf mich verstehen als zutiefst geliebtes Kind Gottes, egal, wie jung oder alt ich bin, wie schön, wie reich, wie intelligent oder leistungsfähig ich im Vergleich zu anderen bin, egal, was äußere oder innere Stimmen mir einreden.
In dieser Liebe zeigt sich mitten in der Dunkelheit der Heiligen Nacht das tiefste Geheimnis der Wirklichkeit, das die Welt im Innersten zusammenhält. Ich bitte euch: Öffnet euch und lasst das Licht der Liebe Gottes, die uns Menschen dort begegnet, in eure Herzen scheinen, damit die Dunkelheiten euch nicht in den Bann ziehen. Verweilt an der Krippe, tankt dort Zuversicht und Trost und seht auf das Gute, das Gott in euer Leben und in diese Welt bringt.
"Leichter ist es wegzuschauen"
Daraus wächst die Kraft, von sich selbst abzusehen und das Leid anderer Menschen wahrzunehmen. Das ist nicht leicht angesichts des vielen Leids auf dieser Welt. Leichter ist es wegzuschauen, anstatt genau hinzuschauen, sich ein dickes Fell zuzulegen, anstatt sensibel zu bleiben, sich zu betäuben, anstatt die Wirklichkeit mit klarem Verstand in den Blick zu nehmen, nach Schuldigen zu suchen, anstatt zur Lösung beizutragen.
Aber es ist möglich, denn ich kann alles, was mich in diesen Tagen bewegt, zur Krippe bringen. Ich darf es dort ablegen und es Gott im Gebet anvertrauen. Dort kann ich Gott bitten, den Opfern des Anschlags und ihren Familien nahe zu sein. Ich kann ihn bitten um Frieden und Gerechtigkeit. Ich kann ihn bitten, bei den Menschen in meinem Umfeld zu sein, denen es im Moment nicht gut geht. Ich kann ihn bitten für die Menschen, die unter Krieg und Bürgerkrieg leiden, für die Verfolgten, die Geflüchteten und die Hungernden.
Und aus dem Gebet wächst die Bereitschaft zu helfen, wo immer ich kann, direkt, wo möglich, oder indirekt, etwa durch Spenden. Als Bürgerin und Bürger trage ich darüber hinaus eine politische Verantwortung dafür, dass unser Staat Menschen vor Gewalt schützt und ihnen hilft, sich zu verteidigen. Das gilt in dieser Zeit besonders für die Ukraine.
"Bei Gott ist kein Ding unmöglich"
Nun mag jemand sagen: Was kann ich mit meiner kleinen Kraft schon ausrichten? Was ändert das schon? Es geht sowieso alles den Bach runter. Daran ist richtig: Ich selbst vermag wenig. Aber bei Gott ist kein Ding unmöglich. Seine Liebe ist stärker als der Tod. Selbst in der Schwäche des neugeborenen Kindes ist er stärker als alle Mächte dieser Welt. Darauf vertraue ich. Und ich weigere mich, den Dunkelheiten dieser Welt Macht über mich zu geben. Gott hat sie in Jesus Christus besiegt. Sie mögen sich wichtigmachen. Aber ihre Macht ist im Schwinden begriffen.
„Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.“ Die uralte Weissagung des Propheten Jesaja steht heute als Motto über dem Heiligen Abend. Lasst uns unter diesem Leitwort vor die Krippe treten, unser Herz hell machen lassen und den Menschen beistehen, die unsere Hilfe brauchen. Ich wünsche Ihnen und Euch allen von Herzen ein gesegnetes Weihnachtsfest. Amen.
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